Russlands Metallindustrie überrascht mit robustem Ergebnis

[Von Ullrich Umann Moskau -gtai]  – Russlands Metallindustrie zeigt sich 2014 erstaunlich robust. Und das, obwohl das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr höchstens um 0,5% zulegen wird. Die Eisen- und Stahlhersteller und die Goldschürfer steigerten Produktion und Absatz im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen kommt die Aluminiumindustrie nur langsam aus der Krise.

Im 1. Quartal 2014 legte die Produktion der Metallindustrie um 1,2% im Vergleich zum Vorjahr zu. Im 2. Quartal verdoppelte sich das Wachstumstempo auf 2,4%. Damit scheint 2014 eine Trendwende in Sicht. Zur Erinnerung: In den letzten vier Jahren verlangsamte sich das Wachstum und kam 2013 komplett zum Erliegen. Die Steigerungsraten betrugen 2010 rund 12,4%, 2011 rund 7,0%, 2012 rund 4,8% und 2013 zuletzt nur noch 0%.

Die prognostizierte Trendwende beruht nicht zuletzt auf den Erwartungen für das 2. Halbjahr 2014: Experten gehen von einer annähernden Wiederholung der soliden Ergebnisse in den ersten sechs Monaten aus. So führt die ungelöste Ukraine-Krise zum weiteren Ausfall von Stahl- und Eisen- Lieferungen aus dem Donbass sowohl auf dem russischen als auch auf internationalen Märkten. Hier konnten russische Stahlkocher nachrücken und ihre Positionen dadurch festigen.

Die Exportbemühungen der Metallindustrie werden zusätzlich vom weiter sinkenden Außenwert des Rubel gestützt. Zudem haben umfangreiche Modernisierungen der jüngsten Vergangenheit zu einem verbesserten Angebot an Stahlerzeugnissen aus russischer Produktion geführt. In diesem Zusammenhang hat die SMS Siemag AG einen umweltverträglichen Elektrolichtbogenofen im Stahlwerk Taganrog (TMK) installiert, der 2013 die Produktion aufnahm. TMK verarbeitet den Stahl weiter zu nahtlosen Rohren.

SMS Mevac übergab 2012 eine 320-t-Duplex-RH-TOP-Anlage zur Behandlung von Schmelzen im Nowolipezker Metallurgischen Kombinat (NLMK). Auch 2014 laufen die Russland-Geschäfte der SMS weiter, wenn auch im geringeren Umfang. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax hat das deutsche Unternehmen im April 2014 einen Auftrag von Severstal für Modernisierungsarbeiten im Eisen- und Stahlwerk Tscherepowez, dem Stammwerk des russischen Stahlkonzerns, erhalten. Der Projektwert wurde mit 2 Mrd. Rubel (etwa 40 Mio. Euro) beziffert.

Die Stahlerzeugung gehört zu den wichtigen Wachstumsstützen der Metallindustrie. Im 1. Halbjahr 2014 legte sie um 3,9% zu, darunter der Ausstoß von Profilstahl um 4,7% und von Walzblech um 3,7%. Profilstahl wird vorrangig an die heimische Bauindustrie verkauft. Für das qualitative und quantitative Angebot an Profilstahl hat sich positiv ausgewirkt, dass 2013 an verschiedenen Standorten Kapazitäten zur Erzeugung von 1,5 Mio. t in Betrieb genommen wurden. Damit können Einfuhren an Baustahl ersetzt und regionale Märkte innerhalb Russlands aus relativer Nähe bedient werden.

Das Wachstum bei der Erzeugung von Walzblechen im 1. Halbjahr 2014 wurde dank gestiegener Ausfuhren in die EU und in die USA erzielt. Die Abwertung des Rubel gegenüber dem Euro und dem US-Dollar sorgte hier für zusätzlichen Aufwind. Nach Angaben der russischen Zollbehörden exportierten die Stahlkocher im genannten Zeitraum 4 Mio. t Walzerzeugnisse, was eine Zunahme um 5,3% bedeutete. Dies war das beste Ergebnis der zurückliegenden vier Jahre.

Mit einem Produktionsplus von 3,7% schlossen die Hersteller von Stahlrohren das 1. Halbjahr 2014 ab. Insbesondere der Baustart der Erdgasleitung Sila Sibirii in Richtung VR China brachte im 2. Quartal einen Durchbruch bei den Aufträgen.

Außerdem wurden im 1. Halbjahr 2014 rund 28,7% mehr Goldbarren produziert, meldet der Föderale Dienst für Statistik Rosstat. Nach Angaben des Verbandes der Goldindustrie, Sojuz Solotopromyschlennikow, wurden im genannten Zeitraum 116,7 Tonnen Gold gefördert, was laut dieser Quelle einem Wachstum von 26,6% entsprach. Für das Gesamtjahr prognostiziert der Verband eine Steigerung um 10% auf 275 Tonnen.

Unter den Unternehmen der Goldförderung herrschte im 1. Halbjahr 2014 reges Treiben bei der Erschließung neuer Lagerstätten und Inbetriebnahme von Förderschächten. Mit der Mengensteigerung sollte der Einbruch des Goldpreises um durchschnittlich 15% in den ersten sechs Monaten 2014 kompensiert und der verstärkte Ankauf von Goldbarren seitens der Zentralbank bedient werden. So vergrößerten sich die staatlichen Goldreserven im 2. Quartal um 54 Tonnen auf 1.097,47 Tonnen, wie der World Gold Council bekanntgab. Der Export von Gold nahm im 1. Halbjahr um 2,2% auf 39,7 Tonnen zu.

Ein düsteres Bild ergab sich im 1. Halbjahr dagegen für die Aluminiumindustrie. Vor allem die Strompreise machen der Branche zu schaffen. Die Produktionskosten lagen 2013 bei etwa 2.000 US$ pro Tonne Aluminium, wohingegen sich der Weltmarktpreis um die Marke von 1.700 US$ pro Tonne bewegte. Das Unternehmen Rusal legte daher im vergangenen Jahr Kapazitäten still. Im 1. Halbjahr 2014 drosselte Rusal die Produktion weiter um 10,8% auf 1,783 Mio. Tonnen. Die Produktion wurde vor allem in Werken im europäischen Teil Russlands gekürzt. In Sibirien bezieht Rusal dagegen inzwischen günstigeren Strom aus Wasserkraftwerken. So ist der Kraftwerksbetreiber RusHydro seit dem 1.5.2014 für 65% der Stromerzeugung von der staatlichen Preisbindung befreit, ab 2016 werden es sogar 80% sein. Dies führte bereits zu günstigeren Strompreisen für Rusal. Eine Besserung der Lage in der Aluminiumindustrie, zumindest auf dem Papier, ist auf Grund des niedrigen Basiswertes aus dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum für das 4. Quartal 2014 zu erwarten.

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