Russland sucht Wege zur alternativen Energieerzeugung

[Von Ullrich Umann/gtai] – Russlands Markt für Technologien zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen  ist ausbaufähig. Wie Regierung und Experten ausführen, sei eine Steigerung der alternativen  Energieerzeugung sogar unumgänglich. Bis 2020 sollen Kapazitäten von 6 GW errichtet werden.  Bei vielen Technologien ist das Land von Einfuhren abhängig; das bietet Geschäftschancen für die  deutsche Wirtschaft. Dennoch kommt keine richtige Aufbruchsstimmung auf. (Kontaktanschriften)  Derzeit liegt der Anteil der regenerierbaren Energien an der gesamten Strom- und  Wärmeerzeugung nach Angaben des Energieministeriums bei 0,9%. Das Ministerium für Industrie  und Handel veröffentlichte im Februar 2014 eine davon abweichende Quote: Demnach entfallen  auf Windkraft, Photovoltaik, Biogas und Biomasse 0,3% an der gesamten Stromproduktion.  Wohlgemerkt blieb bei der zweiten Rechnung, im Unterschied zur ersten, die Wärmeenergie  unberücksichtigt. Aus beiden Quoten wurden zusätzlich alle Wasserkraftwerke mit einer Leistung  von mehr als 25 kW ausgenommen.

Wird die Wasserkraft vollständig eingerechnet, sieht die grüne Energiebilanz des Riesenreichs  plötzlich gar nicht mehr so schlecht aus. Bereits heute generieren ganze Kaskaden von  Wasserkraftwerken in Sibirien und im Fernen Osten 17% der Elektroenergie. Und die Kapazitäten  werden erweitert: Das Betreiberunternehmen RusHydro kündigte Ende August 2013 den Bau von  sechs Großanlagen zur Stromerzeugung und zum Aufstauen von Wasser im Amur-Becken an.  Die Projekte sind allesamt nicht neu, doch schlummerten die Dokumentationen jahrelang in den  Schubläden der Konstruktionsbüros. Das Jahrhunderthochwasser entlang des Amur-Beckens vom  Sommer 2013 zwang die Verantwortlichen zum schnellen Handeln: Mit den neuen Staubecken  sollen Katastrophen dieser Art künftig abgemildert oder gar verhindert werden. Allerdings scheint  die Finanzierung jedes einzelnen Vorhabens noch nicht komplett geklärt zu sein.

Für deutsche Technologieanbieter zur Nutzung regenerierbarer Energien kann Russland bei  nüchterner Betrachtung ein perspektivreicher Markt sein, ausgehend vom Handlungsbedarf und  dem vorhandenen Potenzial. Doch laufen die Geschäfte zäh. Potenzielle Abnehmer aus der  Energiewirtschaft und auf erneuerbare Energien spezialisierte Betreiberfirmen klagen über  mangelnde finanzielle Unterstützung seitens der Behörden, unzulängliche rechtliche Regularien  und überbordende Bürokratie beim Einholen von Genehmigungen. Hinzu kommt ein  Kompetenzwirrwarr unter den Ministerien, bei denen, zumindest theoretisch, Fördergelder  beantragt werden können.

Ein Hindernis zur Ausbreitung der alternativen Energiegewinnung stellen zusätzlich die  Erzeugerpreise für grüne Elektroenergie und die Anschaffungskosten für die entsprechende  Technologie dar. Nach Berechnungen der Marktvereinigung Sowjet Rynka muss zur Installation  von 1 kW an Erzeugerkapazität im Bereich der alternativen Energiequellen im Schnitt ein Betrag  von 100.000 Rubel (rund 2.170 Euro) aufgewendet werden. Hierbei bleiben  Wasserkraftgeneratoren über 25 kW Leistung erneut ausgenommen. Die Marktvereinigung Sowjet  Rynka, in der sich Energieerzeuger, Betreiber von Übertragungs- und Verteilernetzen und  Regionalversorger organisieren, zeichnet für das reibungslose Funktionieren der Strommärkte  verantwortlich.

Am höchsten fallen die Investitionskosten mit 135.200 Rubel bei Biogasanlagen aus und am  niedrigsten mit 55.560 Rubel bei Windkrafträdern. Zusätzlich geht Sowjet Rynka davon aus, dass  die durchschnittlichen Investitionskosten bis 2020 um 25 bis 40% steigen. Die Kosten zum Bau  eines Kohlekraftwerks liegen im Vergleich dazu niedriger – zwischen 43.000 und 47.000 Rubel  (935 bis 1021 Euro) für 1 kW installierte Leistung im europäischen Teil Russlands und bei 65.000  Rubel (1.413 Euro) im Fernen Osten.

Wie die staatliche Unterstützung für die Erzeuger grünen Stroms letztendlich ausfallen sollte, wird  derzeit viel diskutiert. Ein von der Regierung stammender Vorschlag lautet, die Netzbetreiber zur  Abnahme von Ökostrom zu verpflichten. In der Vergütung für die Anbieter grünen Stroms haben  sich die Kosten der Investition und der Stromerzeugung widerzuspiegeln, darüber hinaus die  Übertragungsverluste.

Die Wirtschaft hat diesen Vorschlag unterschiedlich aufgenommen. RusHydro, als Erzeuger  grünen Stroms, verlangt eine pauschale Einspeisungsvergütung von 50 Rubel je Kilowattstunde  (RBL/kWh). Ein solcher Preis wäre eine Alternative für Strom aus Dieselgeneratoren, der in den  abgelegenen Regionen Sibiriens und des Fernen Ostens einzig zur Verfügung steht. Erst wenn  dieser Pauschalpreis gezahlt würde, rentierten sich für RusHydro Investitionen in alternative  Erzeugertechnologien.

Der Konzern zur Stromübertragung und -verteilung, Rosseti, tritt dagegen für einen möglichst  niedrigen Abnahmepreis ein. Schließlich würde er zur Zahlung einer erhöhten Einspeisevergütung  für grünen Strom verpflichtet. Generell zeigt sich Rosseti bereit, zusammen mit der Regierung an  einem Kompromiss zu arbeiten. Vor 2015 rechnet die Fachwelt in Fragen einer landesweit  geltenden Einspeisungsvergütung jedoch mit keinem rechtsverbindlichen Entschluss.  Gemäß den aktuellen Kalkulationen hätten alle Netzbetreiber zusammen Mehrausgaben von  jährlich bis zu 60 Mrd. Rubel (rund 1,3 Mrd. Euro) zu verkraften, sollte eine verpflichtende  Einspeisungsvergütung erlassen werden und bis 2020 tatsächlich alternative Erzeugerkapazitäten  von 6 GW entstehen. Dagegen laufen nicht nur die Netzbetreiber, sondern auch die  Verbraucherverbände Sturm. Für Privathaushalte würde dies nämlich ebenfalls höhere  Energieausgaben bedeuten.

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