[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Technik zur Energieeinsparung in Industrie und Gebäuden ist in Russland ein wachsendes Geschäftsfeld. Gleich mehrere Behörden und Ministerien sind für diesen Bereich verantwortlich. Ein Förderprogramm für energiesparende Technologien speziell für die Chemieindustrie stammt beispielsweise aus dem Energieministerium. Interessenvertretungen der Wirtschaft arbeiten an eigenen Angeboten und Politikvorschlägen.
In einem Land mit riesigen Öl-, Gas- und Kohlevorkommen stößt das Thema Energieeinsparung und energieeffiziente Technologie nicht sofort und nicht überall auf Interesse. Die steigenden Energiepreise führen jedoch allmählich zu einem Bewusstseinswandel in Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. Für 2014 stellt das Energieministerium Fördergelder zur Energieeinsparung und zur Erhöhung der Energieeffizienz in Höhe von 4,9 Mrd. Rubel zur Verfügung. In einem ersten Schritt konzentriert sich diese Förderung auf die chemische Industrie mit der Begründung, dass in dieser Branche viel Energie in den Verarbeitungsprozessen verbraucht wird.
In einigen Branchen verhindern hohe Preise für elektrischen Strom und Energieträger wie Gas fallweise sogar Industrieprojekte in Russland. Der Aluminiumkonzern RUSAL musste 2013 wegen zu hoher Produktionskosten angesichts fallender Metallpreise mehrere Hütten still legen. Etwa 4.500 Arbeiter verloren ihre Anstellung. Bei der energieintensiven Aluminiumherstellung spielen Stromkosten eine entscheidende Rolle.
Weltweit belegt Russland nach den USA und der VR China den dritten Platz bei der Energieintensität. Der Energieeinsatz pro erzeugter Werteinheit liegt in der russischen Wirtschaft weit über den Vergleichswerten aus westlichen Industrieländern. Dabei geht der hohe Energieverbrauch zu fast gleichen Teilen auf die verarbeitende Industrie und auf den Gebäudebestand zurück. Hauptursachen sind mangelnde Isolation und hohe Übertragungsverluste.
Politisch wird seit Jahren gegengesteuert, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Laut Präsidialerlass vom 18.6.2013 soll der Energieverbrauch in der Wirtschaft bis 2020 um 40% sinken. Diesem Programm steht federführend aber nicht das eigentlich zuständige Energieministerium, sondern das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung vor. Es soll die Arbeit des gesamten Regierungsapparates in diesem Arbeitsfeld koordinieren, insbesondere im weiteren gesetzgeberischen Verfahren.
Doch das Vorgehen der verschiedenen Ministerien ist nur wenig einheitlich. Dies wurde erst kürzlich deutlich, als Investoren für erneuerbare Energien völlig unklar blieb, an welches Ressort sie sich um Finanzhilfen und Genehmigungen wenden können. Am Rande der Einweihung einer Biogasanlage in Belgorod tagte eigens der Ministerrat, um sich diesem Thema zu widmen und die Abstimmung zu verbessern.
Beim Thema Energieeffizienz sieht es mit dem Kompetenzwirrwarr nicht viel besser aus. Obwohl über den wirtschaftsrelevanten Ministerien sogar noch eine Arbeitsgruppe Energieeffizienz bei der Kommission für technologische Entwicklung und Modernisierung der russischen Wirtschaft thront. Diese ist direkt in der Präsidialverwaltung angesiedelt.
Das Energieministerium hat die Aufgabe, Regularien zur Energieeinsparung und zur Erhöhung der Energieeffizienz in industriellen Prozessen zu erarbeiten. Geht es nach den Vorstellungen von Energieminister Nowak, sollen Firmen künftig Zuschüsse zum Ankauf ressourcenschonender und energiesparender Technologien erhalten. Ein entsprechendes Programm stellte Vizeminister Kirill Molodzow am 1. April 2014 der Staatsduma vor in der Hoffnung, von den Abgeordneten Unterstützung für dieses Vorhaben zu erhalten. Des Weiteren will das Energieministerium Maßnahmen fördern, die eine tiefere Verarbeitung von Energieträgern zum Ziel haben.
Schon 2009 hatte das Energieministerium die ehemalige Vereinigung Rosinformressourcen in eine Behörde namens Rossijskoje Energetitscheskoje Agenstwo (Rosenergo – Russische Energieagentur) umgewandelt. Rosenergo gilt seither als eine Art Ideengeber und wacht darüber hinaus über die Einhaltung des Gesetzes 261-FZ vom 23.11.2009, das den Titel „Über Energieeinsparung und die Erhöhung der Energieeffizienz“ trägt.
Erste Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz sind in der Vergangenheit bereits realisiert worden. Der Chemieverband Sojuz Chimikow kann auf zwei konkrete Beispiele verweisen. So wird an einigen Chemiestandorten Wasserdampf zur Stromerzeugung genutzt, der bei der Herstellung von Schwefelsäure anfällt. Auch haben einige Chemiewerke betriebseigene Gaskraftwerke mit einem Nutzungsgrad von bis zu 85% eingeweiht. Folgeinvestitionen sind nach Verbandsmeinung aber notwendig.
Für den Bereich Energieeinsparung in Gebäuden hat die Association of European Businesses (AEB) in Moskau eine Marktanalyse erstellt. Demnach wird die Zahl „grüner Gebäude“ bis 2015 rasant steigen, allerdings ausgehend von einem geringen Basiswert. Gegenwärtig verfügen russlandweit nur zwölf Gebäude über das Zertifikat BREEAM, sechs sind gemäß LEED zertifiziert, fünf gemäß BREEAM In-Use und ein einziges Gebäude verfügt über die Zertifikate BREEAM und LEED.
Die Zertifikate entfallen zu 43% auf Bürogebäude und zu 31% auf spezielle Lagerhäuser. Die Experten gehen davon aus, dass sich die Nutzfläche in zertifizierten Gebäuden von derzeit 0,45 Mio. qm bis 2015 auf 1,2 Mio. qm fast verdreifacht.
Darüber hinaus hat sich in der AEB eine Struktureinheit gebildet, die in Zusammenarbeit mit Mitgliedsunternehmen an der Entwicklung eines Öko-Siegels arbeitet, unter anderem für Haushaltstechnik und Baumaterial. Die Produkte, die den Kriterien entsprechen und zertifiziert werden, können das Siegel in den Verkaufsräumen zur Schau stellen und erhalten damit einen Wettbewerbsvorteil.
Über eine aktive Arbeitsgruppe für das Thema Energieeffizienz verfügt auch die Deutsch- Russische Auslandshandelskammer. Hier tagen Vertreter deutscher und russischer Mitgliedsunternehmen regelmäßig zu diesem Thema. Neben dem Erfahrungsaustausch, der Vernetzung untereinander, der analytischen Arbeit, dem Ausarbeiten von Schlussfolgerungen und Reformvorschlägen leistet die AG auch ganz praktische Arbeit. So werden landesweit Unternehmen besichtigt und auf Möglichkeiten zur Energieeinsparung untersucht. Anschließend werden konkrete Angebote zur Beratung und Technologieausrüstung unterbreitet.
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