Von Ullrich Umann Moskau (GTAI) – Für Russland, das größte Flächenland der Welt, ist der Schienentransport immens wichtig. Dies gilt erst recht in Zeiten, in denen die Öl- und Gasindustrie immer entferntere Regionen erschließt und sibirische Kohlezechen ihre Ausfuhren steigern möchten. Seit 2015 befindet sich zudem die Agrarwirtschaft in der Exportoffensive. Für den Streckenausbau stellt der Staat 2017 über 500 Mio. Euro zur Verfügung. Damit sollen vorrangig vier strategische Projekte gefördert werden.
Die russische Staatsbahn RZD wird 2017 insgesamt 466,7 Mrd. Rubel (etwa 7,49 Mrd. Euro; 1 Euro = rund 62,28 Rubel, EZB-Wechselkurs vom 10.2.17) in Schienen, Immobilien und rollendes Material investieren. Davon stammen 361 Mrd. Rubel (5,8 Mrd. Euro) aus Eigenmitteln. Der Rest setzt sich aus staatlichen Überweisungen sowie aus Fremdmitteln zusammen, die RZD auf dem Kapitalmarkt aufnimmt. Damit finanziert RZD den Kauf von 450 Lokomotiven sowie die Wartung von 2.500 km Strecke und den Streckenausbau.
Der russische Staat bezuschusst vier Projekte zur Streckenverlegung
Der Staat beteiligt sich 2017 mit 31,578 Mrd. Rubel (510 Mio. Euro) am Streckenausbau. Das Transportministerium möchte damit vorrangig vier Projekte fördern. Strategische Bedeutung wird dabei allen Vorhaben beigemessen.
Folgende Projekte sind geplant:
– Ausbau des Transportknotens Moskau (staatlicher Zuschuss: 10,953 Mrd. Rubel/175 Mio. Euro),
– Ausbau der Nord-Süd-Trasse Kotelnikowo (Region Wolgograd) – Tichoretzkaja – Krimskaja (Region Krasnodar) (10,618 Mrd. Rubel/170 Mio. Euro),
– Bau der zweigleisigen und elektrifizierten Trasse Schurawka (Region Woronesch) – Millerowo (Region Rostow-am-Don) („Umgehungsstrecke um die Ukraine“, 9,914 Mrd. Rubel/160 Mio. Euro),
– weitere Planung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Moskau-Kazan (93 Mio. Rubel/1,5 Mio. Euro).
Für den Streckenausbau vor Ort sind die regionalen Tochtergesellschaften der russischen Bahn zuständig, auf deren Territorien die zu bauenden Strecken verlaufen. In diesem Zusammenhang wird zum Beispiel die Nord-Kaukasische Eisenbahn 27,5 Mrd. Rubel (440 Mio. Euro) investieren. Davon fließen 14 Mrd. Rubel (220 Mio. Euro) in die bessere Schienenanbindung der Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer. Dies ist notwendig, da sich zum einen der russische Außenhandel geografisch zum Teil neu ausrichtet. Zum anderen stehen vermehrt Getreide, Zucker und Rindfleisch aus dem Kubaner Gebiet zur Verfügung, die in steigenden Mengen verschifft werden sollen.
Nord-Süd-Route wird massiv ausgebaut
Die Nord-Kaukasische Eisenbahn gibt zudem 2 Mrd. Rubel (32 Mio. Euro) für die Sanierung von einer Strecke auf 82 km Länge sowie 400 Mio. Rubel (6,4 Mio. Euro) zur Fertigstellung des modernisierten Hauptbahnhofs in Rostow am Don aus. Zuständig ist die Nord-Kaukasische Eisenbahn auch für den Ausbau der als strategisch eingestuften Trasse Prochorowka-Schurawka-Millerowo.
Für den Bau verschiedener Teilstücke dieser Trasse hat die RZD-Tochter Transstroimechanisazija unter Vertrag genommen. Das Unternehmen ist eine Tochter des Konzerns Mostotrest. Transstroimechanisazija gewann eine entsprechende Ausschreibung im Wert von 4,3 Mrd. Rubel (69 Mio. Euro). Davon entfallen insgesamt 1,3 Mrd. Rubel (20 Mio. Euro) auf den Bau des Schienenbetts und von Entwässerungssystemen. Weiterhin baut Transstroimechanisazija eine zweigleisige Brücke über den Fluss Kalitwa für 3 Mrd. Rubel (49 Mio. Euro).
Zuschläge gehen ausschließlich an russische Bauunternehmen
Die komplette Trasse Prochorowka-Schurawka-Millerowo wird 56,1 Mrd. Rubel (900 Mio. Euro) kosten. Allein Transstroimechanisazija verdient daran 13 Mrd. Rubel (200 Mio. Euro). Neben den erwähnten Zuschlägen gewann der Konzern zwei weitere Ausschreibungen für 2,35 Mrd. (38 Mio. Euro) und 6,3 Mrd. Rubel (101 Mio. Euro). Andere Teilstücke verlegen unter anderem die ingenieur-technischen Truppen (Pioniertruppen) des Verteidigungsministeriums.
Die für die Region Samara zuständige RZD-Tochter Wolga-Eisenbahn plant derzeit den Bau einer Eisenbahnbrücke über den Fluss Wolga. Die Kosten werden auf 16 Mrd. Rubel (257 Mio. Euro) geschätzt, die Bauzeit auf sieben Jahre. Die Planungen sind dem Vernehmen nach zwar abgeschlossen und auch die Baugenehmigungen erteilt. Doch fehle RZD die vollständige Finanzierung.
Eisenbahnbrücke über die Wolga vor Realisierung
Angesichts der Bedeutung der Brücke für die zu erweiternde Nord-Süd-Route bezweifeln Experten nicht, dass die Finanzierung zustande kommt. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, wie betont wird, wann das Geld zur Verfügung steht. Denn schwere Züge mit einer Traglast von 6.000 t und mehr können nur mit einer solchen Brücke die Wolga überqueren.
Zu den weiteren Aufgaben von strategischer Bedeutung zählt für RZD der Streckenausbau in Sibirien und im Fernen Osten Russlands. In der östlichsten Region, im Primorski Kraj, wird in diesem Zusammenhang eine Strecke zwischen dem Hafen Wostotschny und Nachodka geplant. Dabei ist auch an eine Konzessionsvergabe gedacht. Somit sollen Ausbau und Betrieb der Strecke in private Hände gelegt werden.
Pazifikhafen Wostotschny wartet auf Schienenausbau
Von der Erhöhung der Transportkapazität im Hafen Wostotschny hängt unter anderem ab, ob der Export von Kohle aus dem Kusnezker Becken gesteigert werden kann. Den Plänen zufolge soll Wostotschny spätestens 2019 zusätzliche 20 Mio. t Schüttgut umschlagen können.
Zusätzlich investiert die Fernost-Tochter der RZD im Jahr 2017 rund 44,8 Mrd. Rubel (720 Mio. Euro). Mit dem Geld werden unter anderem 37 neue Stationen und Umgehungsstrecken in Betrieb genommen. Zu den Projekten gehört zudem die Fertigstellung der Streckenmodernisierung auf der Halbinsel Sachalin. Hier soll die Strecke auf die russische Spurbreite von 1520 mm umgestellt werden.
Ausbau von Baikal-Amur-Magistrale und Transsib bleiben Jahrhundertaufgabe
In den Ausbau der Baikal-Amur-Magistrale und der Transsib steckt RZD 94 Mrd. Rubel (1,5 Mrd. Euro). Rund 52,8 Mrd. Rubel (848 Mio. Euro) kommen hierfür aus dem Fonds für Nationalen Wohlstand. Das Verlegen eines dritten Schienenstrangs auf der elektrifizierten Teilstrecke Kosulino-Baschenowo (Transsib) kostet 5 Mrd. Rubel (80 Mio. Euro). Dieser dritte Strang soll bis 2025 aus zwei Richtungen kommend, und zwar aus Baschenowo und aus Tjumen, bis Bogdanowitsch verlängert werden.
Im hohen Norden Russlands, auf der Halbinsel Jamal, werden ebenfalls Strecken modernisiert und gebaut. Hier sollen etwa 700 km Schiene vom nagelneuen Hafen Sabetta bis zum Schienennetz in der Region Swerdlowsk verlegt werden. Auf der Strecke sollen einmal 20 Mio. t Güter jährlich bewegt werden.
Schienenanbindung des hohen Nordens rückt in greifbare Nähe
Die Kosten für die Streckenverlegung werden mit 240 Mrd. Rubel (3,85 Mrd. Euro) beziffert. Allein 60 Mrd. Rubel (963 Mio. Euro) fallen für den Bau einer Brücke über den Fluss Ob an. Involviert sind neben RZD die Erdgasindustrie sowie die Regionalverwaltungen. Auch hier ist an Konzessionsvergaben gedacht.
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