[Von Ullrich Umann/gtai] – Die russische Regierung ordnet derzeit die Kompetenzen zum Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung. Die Debatten um Förderinstrumente, grüne Tarife und Entwicklungsvorgaben halten indes seit Jahren an, ohne dass ein Schlusspunkt gesetzt werden konnte. Aktuell ist eine Diskussion um die Förderung von Bioenergie (Biogas, Biomasse) entbrannt.
Den feierlichen Besuch einer neuen Biogasanlage mit einer Kapazität von 2,4 MW des Betreibers Altenergo am Standort Belgorod nahm die russische Regierung Anfang Februar 2014 zum Anlass, die Regierungskommission für Modernisierung vor Ort gleich mit tagen zu lassen. Offensichtlich sollte mit diesem symbolischen Akt ausgebügelt werden, was die Regierung bislang vernachlässigt hat: die Förderung der Bioenergie. In der Tat hat sich die Diskussion mehr auf den Ausbau der Windkraft und Solarenergie konzentriert.
Zusätzlich sollte das Treffen ein Rundumschlag zur Neuordnung der gesamten alternativen Energiepolitik sein. Es geht um Förderprogramme, Zuständigkeiten und die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens. Der ehemalige Wirtschaftsminister und heutige Wirtschaftsberater des Präsidenten, Andrej Belousow, nutzte die Tagung sogar zur Generalkritik. So nahm er das Beispiel der neu eröffneten Biogasanlage zum Anlass, um auf die mangelnde Koordination verschiedener Ministerien bei der Förderung entsprechender Initiativen aufmerksam zu machen.
Nach seinen Worten würden Investoren von einem Ministerium zum nächsten geschickt, wenn sie eine Förderung beantragen wollen. Für Biogasanlagen fühlen sich weder das Ministerium für Industrie und Handel, das Landwirtschaftsministerium, das Ministerium für regionale Entwicklung noch das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zuständig.
Vizepremier Arkadij Dvorkovitch, der in der Regierung für staatliche Innovationspolitik verantwortlich zeichnet, machte als Antwort darauf aufmerksam, dass diesbezügliche Förderanträge an die interministerielle Arbeitsgruppe für Biotechnologie zu richten seien. Diese Arbeitsgruppe, so Dvorkovitch, würde die Evaluierung der Anträge vornehmen und dann entscheiden, welches Ressort mit der Förderung des konkreten Projekts beauftragt wird.
Die Biogasanlage in Belgorod legte neben Kompetenzstreitigkeiten bei der Investitionsförderung ein weiteres Dilemma offen: das der überdurchschnittlichen Gestehungskosten bei Ökostrom. Wie Energieminister Novak vor Ort ausführte, fallen bei der Erzeugung von 1 kWh elektrischen Stroms aus Biogas in Belgorod Kosten von 9 Rubel (knapp 0,2 Euro) an. Der durchschnittliche Einkaufspreis auf dem Strommarkt liegt dagegen zwischen 1,7 und 1,9 Ruble/kWh (0,037 und 0,041 Euro).
Die Mehrkosten müssten de facto auf den Verbraucher umgelegt werden. Dementsprechend, so Novak, ist das Interesse der Netzbetreiber am Entstehen unabhängiger grüner Erzeugerkapazitäten derzeit gering. Der Ruf nach staatlichen Zuschüssen wird zudem schnell laut. Hohe Anfangsinvestitionen und überdurchschnittliche Stromerzeugungspreise erklären, dass es im größten Flächenland der Welt erst vier Biogasanlagen gibt. Die installierten Kapazitäten erreichen damit nicht einmal 10 MW. Eine fünfte Anlage entsteht gerade in Mordowien. Bauherr ist die Biogasenergostroi, ein Joint Venture der Unternehmen GasEnergoStroi und Biopotok. Die geplante Kapazität wird mit 4,4 MW angegeben.
Das Potenzial für Bioenergie aus Abfällen der Massentierhaltung und Abwasserreinigung ist aktuellen Berechnungen nach groß. Aus den landesweit anfallenden 773 Mio. jato Rückständen lassen sich 112 Mio. t granulierter Dünger und 66 Mrd. cbm Biogas erzeugen. Dies bedeutet ein Energieäquivalent von 33 Mio. t Flüssigtreibstoff beziehungsweise 110 Mrd. kWh Elektroenergie. Aktuell entweichen 90% des in der Massentierhaltung zwangsläufig anfallenden Methans ungenutzt in die Atmosphäre.
Im Haushalt des Energieressorts findet sich nach Angaben von Minister Novak kein Geld, um Strom aus grünen Quellen zu subventionieren. Im Fall von Belgorod hat die Regierung daher auch nur einen Kompromiss vermittelt. Demnach satteln einen Teil der höheren Stromkosten die Endverbraucher und einen Teil der Netzbetreiber vor Ort. Eine rechtsverbindliche Ausstrahlung auf das gesamte Land hat dieser Kompromiss jedoch nicht.
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