russland.COMMUNITY: Nord Stream 2: Das besonnene Agieren der Bundesregierung verdient AnerkennungNord Stream Röhren-Verlegungsschiff

russland.COMMUNITY: Nord Stream 2: Das besonnene Agieren der Bundesregierung verdient Anerkennung

Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass die Vereinigten Staaten erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump das unsägliche Mittel der exterritorialen Sanktionen nutzen, um ihre wirtschaftlichen Interessen weltweit durchzusetzen. Unterschied ist lediglich, dass der amtierende US-Präsident dies ganz unverblümt ausspricht. Seit Jahrzehnten profitieren die USA massiv von der Rolle des Dollar als weltweiter Leitwährung, finanzieren sie auf diesem Wege doch auf Kosten des Rests der Welt sowohl ihr Außenhandelsdefizit als auch ihr gigantisches Haushaltsdefizit. Um ins Visier von US-Sanktionen zu gelangen, reicht es schon, Geschäfte mit unliebsamen Partnern in Dollar abzuwickeln – zahlt man anschließend keine saftigen Strafen, so droht der Ausschluss vom amerikanischen Markt.

Eine neue Stufe der Unverfrorenheit zündete der Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland Anfang des Jahres, als er den deutschen Konzernen Wintershall und Uniper in einem Brief zu verstehen gab, dass sie sich gefälligst aus dem deutsch-russischen Pipelineprojekt Nord Stream 2 zurückzuziehen hätten – andernfalls bestehe ein „erhebliches Sanktionsrisiko“.

Natürlich könnte man auf die Idee kommen, Botschafter Richard Grenell aus der Bundesrepublik auszuweisen. Jedoch wäre dies genau der falsche Schritt: Anstatt an der Eskalationsspirale zu drehen, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und die eigenen Ziele konsequent zu verfolgen. Von Nord Stream 2 sind bereits 400 von insgesamt 1200 Kilometern verlegt, rechtlich ist alles in trockenen Tüchern. Darüber hinaus hat Gazprom versichert, die Leitung im Falle eines Ausstiegs der europäischen Partner alleine fertig zu stellen – Sanktionen gegen hiesige Konzerne wären folglich wirkungslos.

Eigentlich muss man Grenell dankbar sein: Wer derart plump amerikanische Interessen vertritt, der sorgt nur dafür, dass sich auf deutscher Seite die Reihen zu Gunsten der wahrlich nicht unumstrittenen Pipeline schließen – schließlich ist es allzu offensichtlich, dass es den USA nur um Absatzmärkte für ihr Flüssiggas geht.

Mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Außenminister Heiko Maas brachten zwei Mitglieder der Bundesregierung die deutsche Position zu Nord Stream 2 unmissverständlich zum Ausdruck. So reagierte Altmaier ausgesprochen gelassen auf die amerikanischen Drohungen: „Deutschland ist ein Land, in dem Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet sind. Deshalb ist es nicht notwendig, jeden einzelnen Brief zu kommentieren. Aber: Tatsache ist, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist.“ Der Bau von Nord Stream 2 führe im wesentlichen durch internationale Gewässer, die notwendigen Genehmigungen der nationalen Anrainerstaaten lägen seit langem vor. Heiko Maas sekundiert: „Keiner wird Nord Stream 2 mehr verhindern“.

Es kann getrost davon ausgegangen werden, dass hinter den Kulissen die deutsche Seite und auch die europäischen Partner den Vereinigten Staaten klar gemacht haben, dass sie es in dieser Auseinandersetzung nicht mit einem südamerikanischen Schwellenland zu tun haben, wo man im Falle des Ungehorsams notfalls die Regierung stürzt. Schon mit ihrem Ausstieg aus dem Atom-Deal mit Iran haben die USA dazu beigetragen haben, dass Europa zunehmend eigenständig agiert. Vor nichts dürften die Amerikaner mehr Angst haben, als vor dem Niedergang des Dollars als weltweiter Leitwährung.

So passt es ins Bild, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien soeben ein unabhängiges Zahlungssystem eingeführt haben, um Iran-Sanktionen der USA zu umgehen. Zwar ist es ein weiter Weg, sich vom Dollar zu lösen, eine alternative Währung müsste über einen ausgesprochen dynamischen Finanzmarkt von großer Tiefe verfügen – doch stete Tropfen höhlen den Stein. Druck erzeugt nun einmal stets Gegendruck. Gut, dass Deutschland darauf verzichtet, sich auf das Niveau der USA zu begeben und stattdessen geräuschlos, aber konsequent das Interesse verfolgt, Erdgas von den sibirischen Quellen zur größten Volkswirtschaft Europas zu transportieren.

Zurückhaltung ist nun einmal nicht mit Schwäche zu verwechseln. Zudem besteht seitens Russlands überhaupt kein Erpressungspotential, wie gelegentlich kolportiert wird: Wenn die Russen die Lieferungen einstellten, entgingen ihnen riesige Summen – und Deutschland und Europa müssten sich Alternativen wie etwa amerikanisches Flüssiggas suchen.

[Julian Müller/russland.COMMUNITY]

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