Russland: Betätigungsfeld für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Russische Unternehmen beginnen wegen der aktuell schwachen Konjunktur zwar weniger neue Investitionsprojekte, führen aber die begonnenen fort. Die wichtigsten Abnehmerbranchen für Maschinen und Anlagen sind die Metallurgie und Metallbearbeitung, die Aufbereitung von Bergbauprodukten, die Stromwirtschaft sowie die Öl- und Gasindustrie. Vor allem Anlagen zur Gasverflüssigung werden gebraucht. Das Industrieministerium will die heimische Engineering-Kompetenz stärken.

Der Mischkonzern Kirowsky Sawod (Kirow-Werke) aus Sankt Petersburg will 150 Mio. Euro in eine Stranggussanlage und Schmelzöfen investieren. Gleichzeitig sucht der Konzern einen Joint- Venture-Partner für den Bau einer kompletten Gießerei. Bereits heute liefern die Kirow-Werke Stahl nach Deutschland, in die Schweiz, nach Spanien, Frankreich, Lettland und Ungarn.

In Deutschland übernahmen die Kirow-Werke eine Hersteller von Werkzeugmaschinen für die Belange der Automobil- und Luftfahrtindustrie, die Monforts Werkzeugmaschinen GmbH, sowie den Produzenten von überlangen Niederflurbussen, die Göppel Bus GmbH. An weiteren Übernahmen deutscher Industriebetriebe zeigt sich der russische Konzern zwecks Erweiterung seines Produktportfolios durchaus interessiert.

In Russland bieten sich die Kirow-Werke als Partner für deutsche Firmen in einer breiten Palette von Geschäftsfeldern an. Dazu zählen unter anderem Ansiedlungshilfen im Industriepark, als Tier-1- und Tier-2-Zulieferer im Fahrzeugbau, als Stahllieferant für den Bau von Windkraftanlagen und Maschinen sowie als Joint-Venture-Partner für deutsche Firmen mit Interesse an eigenen Produktionsniederlassungen in Russland. Kooperationen mit deutschen Firmen sind zudem bei der Entwicklung neuer Traktorenmodelle der Marke Kirowez denkbar.

Projekte zur Verarbeitung von Rohstoffen

Umfangreiche Gelder fließen traditionell in die Förderung von Rohstoffen und den Bergbau, darunter in die Öl- und Gasindustrie sowie die Förderung von Kohle und seit neustem auch von Metallen der Seltenen Erden. Auf den Reißbrettern der Projektierungsbüros befinden sich Werke zur Erzaufbereitung, Kapazitäten zur Gasverflüssigung, Anlagen für die Petrochemie und die Kunststofferzeugung.

Neue Kapazitäten zur Gasverflüssigung plant zum Beispiel Gazprom. So führt das Tochterunternehmen Gazprom Geologorazwedka derzeit geologische Untersuchungen in der Karasee (Halbinsel Jamal) durch. Herausgearbeitet werden die besten Standorte zum Ansetzen von 10 bis 18 Bohrungen, vorerst in den Gaslagerstätten Leningradskoje und Rusanowskoje. Beide weisen Reserven von jeweils 3 Billionen cbm Erdgas auf.

Das Gas soll anschließend am Ufer der Karasee verflüssigt und in Tankschiffe gepumpt werden. Dabei werden die natürlichen Gegebenheiten zum Bau von Beladehäfen für LNG-Tankschiffe berücksichtigt. Neben der Karasee schließt Gazprom nicht aus, nach 2019 das vorübergehend stillgelegte Projekt Stockmann in der Barentssee neu zu beleben. Dort würden neben Pipelines in Richtung Europa ebenfalls Kapazitäten zur Gasverflüssigung gebraucht.

Drei Konzerne investieren in LNG-Anlagen

Das Monopol zum LNG-Export hat Gazprom 2013 vom Gesetzgeber abgesprochen bekommen. Wettbewerber wie Novatek und der Ölgigant Rosneft betreten den Markt. Derzeit ist aber nur Gazprom in der Lage, LNG überhaupt herzustellen. Der Konzern produziert 10 Mio. jato in einer Anlage auf Sachalin. Das Gemeinschaftsprojekt Sachalin-II wird zusammen mit Shell, Mitsui & Co. und Mitsubishi Corporation betrieben. Gazprom expandiert im Fernen Osten weiter und wird ab 2018 drei Anlagen für jeweils 5 Mio. jato in Wladiwostok in Betrieb nehmen.

Novatek betritt 2016 den Markt. Dann wird das Joint Venture Yamal SPG eine LNG-Anlage hochfahren. An Yamal SPG hält Novatek 60% der Anteile. Mit jeweils 20% sind die französische Total und die chinesische CNPG beteiligt. Zunächst sollen 5,5 Mio. jato erzeugt und anschließend die Kapazitäten bis 16,5 Mio. jato ausgebaut werden.

Der Konzern Rosneft bringt bei der Erdölförderung Begleitgas in großen Mengen aus und plant nun, einen Teil davon zu verflüssigen. Auf diese Weise kann Rosneft auch ohne eigenes Gasnetz in den Export von Erdgas einsteigen. Bei der Errichtung von LNG-Anlagen geht Rosneft gemeinsam mit Exxon Mobile vor. Als mögliche Standorte wurden Sachalin oder Chabarowsk genannt. Die zu bauende Anlage soll eine Kapazität von 10 Mio. jato aufweisen.

Engineering wird gefördert

Bei der Planung von technologisch besonders anspruchsvollen Industrieanlagen ist Russland teilweise von den Dienstleistungen ausländischer Engineering-Firmen abhängig. Um Abhilfe zu schaffen, kündigte Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel, Ende Januar 2014 staatliche Fördergelder in Höhe von 8 Mrd. Rubel zur Stärkung heimischer Engineering-Zentren an. Das Geld soll über einen Zeitraum von fünf Jahren fließen. Unter anderem werden spezifische Computerprogramme für das Industrie-Engineering erstellt.

Außerdem wird in das Engineering-Zentrum für den Werkzeugmaschinenbau, OOO Stankoengineering, investiert. Stankoengineering haben die Holding für Werkzeugmaschinen, Stankoprom, und das Staatliche Engineering Zentrum Stankin erst im Januar 2014 mit Unterstützung des Maschinenbauverbandes Sojuz Maschinostroitelej gegründet. Das Staatliche Engineering Zentrum Stankin ist wiederum ein integraler Bestandteil der Moskauer Staatlichen Technologischen Universität „Stankin“. Diese kooperiert im Bereich Werkzeugmaschinenbau mit ausländischen Entwicklern und Herstellern von Hochgeschwindigkeits-Bearbeitungszentren wie dem Unternehmensverbund SAXOMASH aus Sachsen, RussSwissMasch/IBAGMASH aus der Schweiz und STANGOMASH aus Belarus.

Die Neugründung von OOO Stankoengineering stellt de facto ein Bindeglied zwischen Einrichtungen für Forschung und Entwicklung auf der einen Seite sowie potenziellen Anwendern im Werkzeugmaschinenbau auf der anderen Seite dar. Künftig soll das Zentrum den russischen Maschinenbau sowohl normativ als auch technologisch wesentlich beeinflussen.

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