Russische Vize-Premier: Vergesst die Sanktionen des Westens

Der russische Vize-Premier Dmitrij Rogosin meint, dass man in Russland „damit aufhören sollte, Interesse an den Positionen Washingtons und Brüssels hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland zu zeigen“, da sie, nach seiner Meinung“ „für immer“ bleiben würden.

Diese Auffassung vertrat er am Mittwoch auf einer Präsidiumssitzung des Staatlichen Komitees für die Arktis im Murmansker Gebiet. „Erst erreichen uns Mitteilungen, wonach die Europäische Union oder die USA  die Aufhebung der Sanktionen prüfen, dann plötzlich werden sie automatisch verlängert. Ich denke, wir sollten unser Interesse daran aufgeben, denn die Sanktionen gegen uns werden bleiben, solange Russland an seiner Stärke arbeitet“, sagte der stellvertretende Regierungschef.

Stattdessen sollte, seiner Ansicht nach, die arktische Region erschlossen werden. Um im „arktischen Kampf“ zu bestehen, seien zur Entwicklung dieser Region mit ihren klimatischen und natürlichen Bedingungen unkonventionelle Lösungen erforderlich.

Schwarze Liste bleibt in Kraft

Ebenfalls gestern war bekannt geworden, dass die 28 Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, die Sanktionen gegen 146 natürliche und 37 juristische Personen in Russland und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk um ein halbes Jahr zu bis zum September 2016 zu verlängern. Diese Liste soll auf der heutigen Sitzung des Europarats abgesegnet werden, eine Diskussion dazu ist nicht vorgesehen. Die Sanktionen sehen Einreiseverbote in die EU sowie das Einfrieren von Vermögen in den europäischen Ländern vor.

Auf der Schwarzen Liste der EU stehen u.a. der Duma-Sprecher Sergej Naryschkin, die Vorsitzende des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, die stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitrij Kosak, in der Regierung zuständig für Angelegenheiten der „neuen Föderationssubjekte“ Republik Krim und Sewastopol, und Dmitrij Rogosin, zu dessen Aufgaben im Kabinett die Führung des militärisch-industriellen Komplexes gehört und der von der Obama-Administration als einer der Drahtzieher der „Krim-Okkupation“ gilt.

Betroffen sind auch Putins Mann für den Donbass, Wladislaw Surkow, Präsidentenberater Sergej Glasjew und die Duma-Abgeordneten Sergej Shelesnjak und Sergej Newerow sowie der Sänger Josif Kobson, der sich u.a. in der humanitären Hilfe für die Ostukraine engagiert. Zu den Unternehmen, die unter die Sanktionen fallen, gehören Rosneft, Transneft und Gazprom Neft.

Die eigentlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland laufen Ende Juni aus, sofern sie nicht erneut verlängert werden. Beobachter rechnen allerdings damit, dass eine endgültige Entscheidung erst nach den Präsidentenwahlen in den USA fällt.

Sanktionen gegen Putin gefordert

Persönliche Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und weitere 28 Personen aus Russland und der Ostukraine fordern 57 Abgeordnete aus fünf Fraktionen des Europaparlaments in einem Brief an die Hohe Vertreterin der EU für Außen und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Sie begründen das mit dem nach Ansicht der Abgeordneten, ungesetzlichen Vorgehen gegen die ukrainische Militärfliegerin Nadjeshda Sawtschenko. „Wir müssen davon überzeugt sein, dass diejenigen, die für die Entführung und Inhaftierung von Nadeshda Sawtschenkos verantwortlich sind und damit internationales Recht, die Menschenrechte sowie die Minsker Abkommen verletzen, nicht in den Genuss der Vorteile kommen, die das Recht in Europa gewährleistet“, erklärte der ehemalige Ministerpräsident Belgiens Guy Verhofstadt.

Savchenko_Nadiya_Ukrainischer TV Kanal Inter CC BB 3,0

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Sawtschenko sitzt seit Juni 2014 in russischer Untersuchungshaft, weil sie der Beteiligung an der Tötung zweier russischer  Fernsehjournalisten während der Auseinandersetzung in der Ostukraine beschuldigt wird. Umstritten sind die Umstände ihrer Festnahme – während die russische Seite behauptet, Sawtschenko sei während eines ungesetzlichen Aufenthaltes auf dem Gebiet der Lugansker Volksrepublik verhaftet worden, erklärte die Navigatorin eines Militärhubschraubers, sie sei von Lugansker Aufständigen gefangen genommen und entführt worden, als sie nach einem Gefecht Verletzte aus dem Kampfgebiet bergen wollte.

Ihre Überstellung unter die Gerichtsbarkeit Russlands wird dort offiziell mit dem Hinweis auf Artikel  12 des russischen Strafgesetzbuches begründet, der die Bestrafung auch von Vergehen gegen die Interessen Russlands oder russischer Bürger außerhalb des Hoheitsgebietes der Russischen Föderation ermöglicht.

Inzwischen haben sich zahlreiche internationale, wie auch nationale Organisationen und Persönlichkeiten, wie die Parlamentarische Versammlung des Europarates, der OSZE, aber – vor wenigen Tagen erst – auch das russische PEN-Zentrum für die Freilassung Sawchenkos eingesetzt. Dessen ungeachtet, forderte der Staatswalt in der vergangenen Woche eine Verurteilung zu 23 Jahren Straflager und 100.000 Rubel Geldstrafe. Es scheint aber nicht ausgeschlossen, dass sie bereits in naher Zukunft im Rahmen eines Gefangenenaustausches freikommt.
(Hartmut Hübner/russland.ru)

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