Russische Stimmen zur Wahl LaschetsLaschet, Armin

Russische Stimmen zur Wahl Laschets

Offizielle russische Stellungnahmen zur Wahl Laschets zum CDU-Vorsitzenden und eventuellen Kanzlerkandidaten sind bisher nicht erfolgt – und waren auch nicht zu erwarten. In verschiedenen Medien wurde vornehmlich die Person Laschet und sein Werdegang in der Politik beschrieben und Politologen bewerteten, was seine  Wahl für das deutsch-russische Verhältnis bedeuten könnte.

So schreibt das Portal Medusa, seine Wahl sei für den Kreml sicher wünschenswert: „Zu Beginn der Krimkrise kritisierte Laschet den „Anti-Putin-Populismus“ in Deutschland und sprach dann mehrmals im Geiste, dass Russland trotz seines derzeitigen autoritären Regimes für die Welt notwendig sei, um viele Probleme zu lösen, und nach der Vergiftung von Alexei Nawalny lehnte er den Rückzug Deutschlands aus dem Bau der Nord Stream 2-Pipeline. … Zu dieser Zeit sprach sich Merz für ein zweijähriges Einfrieren des Projekts aus.“

Tsargrad nennt Laschet einen Realisten. Seine Politik gegenüber Russland unterscheide sich deutlich von der festgefahrenen Position des Westens, der er sicher nicht folgen könne. Da er auch aus innenpolitischen Gründen kein Muss für eine Konfrontation mit Russland sehe, wird er als CDU-Vorsitzender und vielleicht auch Bundeskanzler nach Möglichkeit versuchen, eine ganz andere Politik zu betreiben.

„Es gibt viele Konflikte, die wir hinter uns lassen müssen, ohne unsere Position aufzugeben, zum Beispiel auf der Krim. Wir können offen miteinander umgehen und trotzdem in anderen Bereichen kooperieren“, zitiert Tsargrad Lachet.

Im Kommersant rät der Stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, Andrej Klimow, davon ab, zu glauben, dass, falls Laschet Kanzler werde, spürbare Veränderungen in den russisch-deutschen Beziehungen zu erwarten seien. „Die CDU kann nicht außerhalb des Kontextes der Europäischen Volkspartei gesehen werden, zu der die christdemokratischen und konservativen Parteien in Europa gehören. Die politische Macht Deutschlands wird nicht nur von den internen Entwicklungen bestimmt, sondern auch von der Position Deutschlands in den Strukturen der Europäischen Union“, meint Klimow.

Eine Besonderheit der deutschen Politik sei die Positionierung des Landes als EU-Spitzenreiter, aufgrund derer die Deutschen „viele innenpolitische Dinge zu gemeinsamen europäischen machen und umgekehrt. … Ich würde allen ernsthaften Beobachtern empfehlen, innezuhalten und zu schauen, was sich in den nächsten sechs Monaten nach der Übernahme des CDU-Vorsitzes durch Laschet ändern wird. Selbst diejenigen, die für Nord Stream 2 sind, sind keine prorussischen, sondern prodeutsche Politiker. Sie sind sich bewusst, dass dieses Projekt Deutschland einen größeren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Vereinigten Staaten im Kampf um den europäischen und globalen Markt bietet. Wenn sie in Deutschland sagen, dass die USA kein Recht haben, extraterritoriale Sanktionen zu verhängen, meinen sie nicht, russische Interessen zu schützen, sondern deutsche Geschäftsinteressen“, erklärte Klimow.

Senator Klimow prophezeit, die Politik des künftigen Kanzlers werde von den übrigen Parteien beeinflusst, vor allem von den Sozialisten, der Alternative für Deutschland und den Grünen. „Merkel hat es aufgrund ihrer großen Erfahrung geschafft, unabhängig zu sein, damit hat aber nicht jeder Vertreter ihrer Partei das gleiche politische Gepäck. … Es wird für Laschet schwierig werden, seine eigene politische Linie zu verfolgen.“

Artiom Sokolow, Forscher am Zentrum für Europäische Studien am Institut für Internationale Studien am MGIMO, ist sich sicher, dass die Wahl von Armin Laschet die bestmögliche Wahl für die russisch-deutschen Beziehungen ist. „Im Gegensatz zu anderen Kandidaten gilt Armin Laschet nicht als scharfer Kritiker Moskaus und des Nord Stream 2-Projekts. Im Jahr 2019 war er einer der Organisatoren des deutsch-russischen Forums „Petersburger Dialog“, an dem damals die Außenminister beider Länder teilnahmen.“

Die Wahl von Armin Laschet zum CDU-Vorsitzenden sei jedoch keine Garantie für eine Verbesserung der russisch-deutschen Beziehungen in absehbarer Zeit: „Vieles wird von systemischen Faktoren abhängen, wie der Entwicklung der russisch-europäischen und deutsch-amerikanischen Beziehungen, der Kommunikation mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden und der Entwicklung des Nord Stream 2-Projekts. In Anbetracht der Stellung der CDU im politischen und parteipolitischen System Deutschlands hat der CDU-Vorsitzende einen gewissen Einfluss auf die Fragen der Innen- und Außenpolitik, der aber nicht überschätzt werden sollte“.

Laut der russischsprachigen deutschen Diplomatenzeitung germania-online.diplo erwarten Experten, dass Laschet den politischen Kurs von Angela Merkel fortsetzen wird, fragen sich jedoch, welche Position er in Bezug auf Moskau einnehmen wird. „Nach einem Versuch, den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny zu vergiften, habe sich Laschet im vergangenen Herbst gegen die insbesondere von Friedrich Merz stammende Forderung, die Nord Stream 2-Gaspipeline zu stoppen, ausgesprochen und betont, dass in der gegenwärtigen Situation eine einzige europäische Antwort erforderlich ist, in der Europa seine Position in Bezug auf Russland klar formulieren sollte“, so das Portal.

Zuvor hatte sich Laschet wiederholt für eine engere Zusammenarbeit mit Russland ausgesprochen. Insbesondere begrüßte er die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens durch Moskau. „Es gibt viele Konflikte, in denen wir vorankommen müssen, aber dennoch nicht von unserer Position zum Völkerrecht abweichen, zum Beispiel in Bezug auf die Krim. Sie können Ihre klare Meinung zu diesem Thema äußern und gleichzeitig in anderen Bereichen weiter zusammenarbeiten und einen Dialog führen“, sagte Laschet zu der Zeit und betonte, dass „Russland für viele Themen in dieser Welt benötigt wird“.

[hrsg/russland.NEWS]

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