Russische Regierung: Behörden sollen Infizierte per Smartphone verfolgen

Russische Regierung: Behörden sollen Infizierte per Smartphone verfolgen

Bereits Ende dieser Woche sollen die russischen Behörden damit beginnen, die Bewegungen aller mit dem Coronavirus infizierten Personen per Geolokalisierung zu überwachen und alle, die mit ihnen in Kontakt gekommen sind, über die Notwendigkeit einer Isolation zu warnen. Laut der Anordnung des russischen Premierministers Michail Mischustin soll die neue Plattform am 27. März ihre Arbeit aufnehmen.

Eine Anfrage bei zwei Telekommunikationsbetreibern ergab, dies sei keine Utopie: Es gibt bereits alle Möglichkeiten für eine solche Plattform. Es ist möglich, sie in kurzer Zeit zu erstellen – und höchstwahrscheinlich wird sie sogar legal sein.

Die Aufgabe des Systems besteht darin, anhand der von Betreibern erhaltenen Daten zur Geolokalisierung von Mobiltelefonen die Bewegungen von Patienten mit Coronavirus in ihrer Quarantäne zu verfolgen. Das System wird wahrscheinlich vom Gesundheitsministerium zusammen mit dem Kommunikationsministerium verwaltet – die Betreiber selbst haben keinen Zugang zu Patientendaten.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte gestern Nachmittag, dass ein solches System nicht im Widerspruch zu den Rechten der russischen Bürger stehe. In dieser Ausnahmesituation stimmt Stanislaw Selesnew, Anwalt der Agora-Menschenrechtsgruppe, ihm grundsätzlich zu. „Es ist theoretisch möglich, ein solches System aufzubauen, ohne in das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention einzugreifen. Jedoch nur, wenn der Patient seine schriftliche Zustimmung zur Überwachung seiner Bewegungen gibt. Offensichtlich wird die überwiegende Mehrheit der Menschen dies tun“, so der Anwalt. Wenn eine Person sich weigert verfolgt zu werden, ist es rechtlich unmöglich, dies ohne Gerichtsbeschluss, im Rahmen einer Untersuchung oder eines Strafverfahrens zu tun.

Es gibt aber denkbare Probleme. Zunächst stellt sich die traditionelle Frage, von wem und wie diese Daten erhoben und verarbeitet werden und wer sonst noch Zugang dazu erhält. „Wir haben keine Informationen darüber, dass es Regeln für die Verarbeitung, Speicherung und vor allem die Zerstörung dieser Informationen gibt, die internationalen Standards entsprechen“, gab Selesnew zu Bedenken. „Wenn die Zeit vergeht, kann irgendwo im Netz eine Datenbank mit Bewegungen erscheinen, die mit den Adressen und Telefonen der Bürger verknüpft sind.“

China erstellte den Nahkontakt-Detektor (CCD). Die Verwendung setzt jedoch die Installation einer Anwendung auf dem Smartphone des Benutzers voraus, die den Benutzer vor dem Kontakt mit Erkrankten warnt. Wenn der Benutzer ebenfalls gefährdet ist, wird er angewiesen, zu Hause zu bleiben und die Behörden zu informieren.

Eine andere chinesische Anwendung, der Alipay Health Code, weist dem Benutzer auf der Grundlage von Bigdata automatisch einen Farbcode zu, der bestimmt, ob er öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann (grün). Er muss sich eine Woche (gelb) oder zwei (rot) unter Quarantäne stellen. Das Programm muss de facto installiert werden, und Benutzer mit einem anderen Status als Grün dürfen die U-Bahn einfach nicht betreten. Laut der NYT werden Benutzerdaten direkt an die Polizei gesendet.

In Hongkong müssen alle Ankömmlinge eine zweiwöchige Quarantäne durchlaufen. Die Behörden kontrollieren den Aufenthaltsort von Touristen mithilfe eines Armbands, das mit einer Anwendung in einem Smartphone verbunden ist. Der Versuch, das System auszutricksen oder das Armband zu entfernen, wird mit einer Geldstrafe von mehr als 600 Euro und einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten geahndet.

In Taiwan ist ein ähnliches System in Betrieb, das jedoch die Geo-Daten des Smartphones selbst verwendet. Personen, die sich in Quarantäne befinden, haben per Twitter geschrieben, dass das Ausschalten des Telefons innerhalb einer Stunde zu einem Polizeibesuch führt. Kürzlich wurde jemand, der aus der Quarantäne in einen Nachtclub entflohen war, mit einer Geldstrafe von einer Million Taiwan-Dollar (32.000 Euro) belegt.

Israel hat eine CCD-ähnliche Anwendung HaMagen entwickelt. Das Gesundheitsministerium verspricht, dass es dem Nutzer überlassen bleibt, ob er Informationen über seine Kontakte mit Infizierten versendet oder nicht. Das Land verfügt jedoch bereits über eine öffentliche Rückverfolgung von Personen, bei denen das Coronavirus diagnostiziert wurde – diese soll jedoch hauptsächlich zur Überwachung der Quarantäne eingesetzt werden.

[hrsg/russland.NEWS]

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