Russische Jugend: Kinderlosigkeit als Norm© russland.news

Russische Jugend: Kinderlosigkeit als Norm

In der modernen russischen Gesellschaft beobachtet man einen stabilen Trend zur Kinderlosigkeit, insbesondere bei jungen Menschen. Dies ist das Fazit der Autoren des Artikels „Die Wahrnehmung der Kinderlosigkeit in der heutigen Jugend“ in dem russischen Wissenschaftsmagazin „Frauen in der russischen Gesellschaft“.

Sie führten eine Reihe von Fokusgruppen-Interviews mit Studenten der Region Iwanowo durch. Die Studie zeigte, dass Familie und Kinder nach wie vor wichtige Werte in dem jugendlichen Umfeld sind. Gleichzeitig wird die Orientierung auf freiwillige Kinderlosigkeit nicht negativ wahrgenommen. Sie wird als eine vernünftige Entscheidung angesehen, die Geburt eines Kindes aufzuschieben, bis die notwendigen finanziellen Bedingungen erfüllt sind und man sich darauf konzentrieren möchte, das Leben den eigenen persönlichen Zielen und der Selbstverwirklichung zu widmen.

Von 2016 bis 2022 ging die Geburtenrate in Russland für Erstgeborene um 21,5 Prozent und für Zweitgeborene um 32,4 Prozent zurück. Dies zeigt, dass die Tendenz zur Orientierung auf kinderarme und kinderlose Familien stabil geworden ist, glauben die Wissenschaftler. Es gibt jedoch erhebliche regionale Unterschiede, abhängig von sozialökonomischen Bedingungen, Lebensqualität, konfessioneller und ethnischer Zusammensetzung der Bevölkerung in der Region, dem Alter der Bewohner sowie der Zufriedenheit mit staatlichen Maßnahmen zur Unterstützung von Familien.

Die Abnahme der Geburtenraten in der Region Iwanowo begann im Jahr 2015. Darüber hinaus weist die Statistik der letzten Jahre auf eine Verschiebung der Geburtsrate des ersten Kindes auf das 30. Lebensjahr hin, eine Zunahme der Orientierung auf Kinderlosigkeit und kinderarmen Familien als Ergebnis der Modernisierung der Gesellschaft. Soziologen nennen wirtschaftliche und soziokulturelle Faktoren als Gründe für erzwungene Kinderlosigkeit, darunter mangelnde Partnerverfügbarkeit, schlechte Bedingungen für die Kindererziehung, begrenzten Zugang zu Reproduktionstechnologien und institutionelle Bedingungen.

Die Autoren verweisen auf ihre eigene soziologische Umfrage aus dem Jahr 2019, die zeigte, dass 1,1 Prozent der Bewohner der Region im gebärfähigen Alter positive Einstellung zur Kinderlosigkeit haben. Dabei überwogen Männer (fast dreimal so viele wie Frauen), junge Befragte im Alter von 18 bis 39 Jahren mit mittlerem Bildungsabschluss, die häufig in Städten leben. Studenten von Hochschulen beschrieben die ideale Familie oft als fröhlich, harmonisch, glücklich und aktiv. Somit bleibt eine vollständige, glückliche Familie mit Kindern einer der wichtigsten Lebenswerten der studentischen Jugend.

„Die Ergebnisse der Studie lassen darauf schließen, dass die Orientierung auf Kinderlosigkeit vorübergehend ist und sich im Laufe des Erwachsenwerdens und der Veränderung der Lebenswerte überwinden lässt und somit von außen korrigierbar ist“, schließen die Autoren des Artikels. „Die Verwaltungsorgane können die identifizierten Merkmale der Wahrnehmung der Kinderlosigkeit nutzen, um eine positive Einstellung zur Elternschaft zu fördern und Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate zu entwickeln.“

[hrsg/russland.NEWS]

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