Verbot des Wortes KRIEG steht auf juristisch wackligen Füßen© russland.NEWS

Verbot des Wortes KRIEG steht auf juristisch wackligen Füßen

Gerichte in Russland stufen jede Verwendung des Wortes „Krieg“ oder auch nur die Andeutung einer solchen Verwendung im Zusammenhang mit dem russischen Vorgehen in der Ukraine als Fälschung und „Diskreditierung der Armee“ ein. So auch während einer Verhandlung des Moskauer Bezirksgerichts Twerskoj, wie der Telegramkanal Network Freedom berichtet. Dmitrij Poluschin, ein Blogger und Journalist aus der sibirischen Stadt Krasnojarsk, hatte eine Klage gegen die Sperrung seiner Onlinezeitung KrasNews.com eingereicht.

Die Staatsanwaltschaft erklärte das Verbot der Verwendung des Wortes „Krieg“ damit, dass in Russland kein Kriegsrecht eingeführt wurde, das den Einsatz von Mobilmachung, Ausgangssperre und Beschlagnahme von Eigentum erlauben würde. Den Medien ist es daher untersagt, diesen Begriff zu verwenden, um keine Panik in der Bevölkerung auszulösen. „Die falsche Darstellung des Wesens der laufenden Militäroperation unter Verwendung des Begriffs ‚Krieg‘ ist von großer öffentlicher Bedeutung, da die Beteiligung der Russischen Föderation an umfassenden Militäroperationen ein breites Spektrum öffentlicher Interessen sowohl im sozialen als auch im wirtschaftlichen Bereich betreffen würde.“

Darüber, ob das Verbots der Verwendung des Wortes „Krieg“ rechtmäßig ist, gibt es unter russischen Juristen Zweifel. Der Völkerrechtler Grigory Vaypan erklärte gegenüber der BBC, dass das Völkerrecht die Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates verbiete. Lediglich Selbstverteidigung ist erlaubt, wenn dies dem UN-Sicherheitsrat mitgeteilt wird. Gleichzeitig beteilige sich Russland an „umfassenden militärischen Operationen“, auch ohne Kriegserklärung, so der Anwalt.

Wadim Kluwgant, Partner in der Anwaltskanzlei Pen & Paper, weist darauf hin, dass das russische Recht weder die Verwendung des Wortes „Krieg“ verbietet noch eine offizielle, allgemein verbindliche Auslegung der Unterscheidung zwischen „Krieg“ und „spezieller Militäroperation“ vorsieht, auch nicht in Bezug auf die Vorgänge zwischen Russland und der Ukraine.

Außerdem, so der Anwalt, sei es nicht notwendig, in Beiträgen und Erklärungen, auch in öffentlichen, nur offizielle, formaljuristische Terminologie aus Gesetzen, Verordnungen oder Regierungsdokumenten zu verwenden. „Es gibt auch eine alltägliche Umgangssprache, um verschiedene Ereignisse und Phänomene zu bezeichnen. Ihre Verwendung deutet an sich nicht auf eine absichtliche Diskreditierung oder Desinformation hin“, meint Kluwgant.

In einem von dem Strafrechtler Gennadi Esakow herausgegebenen Kommentar zum Strafgesetzbuch heißt es, dass es für die Einstufung als „Angriffskrieg“ nicht darauf ankommt, ob der Krieg erklärt wurde oder nicht. Die Führung eines solchen Krieges ist als unmittelbare Durchführung militärischer Handlungen zu betrachten. Für solche Straftaten können Beamte verfolgt werden, die für die Kriegserklärung und die Lösung anderer militärischer Fragen zuständig sind.

Der Begriff „Angriffskrieg“ wird im russischen Strafgesetzbuch im Einklang mit der Resolution der UN-Generalversammlung vom 14. Dezember 1974 verwendet. Darin heißt es: „Ein Angriffskrieg ist ein Verbrechen gegen den internationalen Frieden. In diesem Fall gilt als Angriffshandlung „unabhängig von einer Kriegserklärung“ eine Invasion oder ein Angriff der Streitkräfte eines Staates auf das Hoheitsgebiet eines anderen Staates, jede militärische Besetzung und Annexion, die Bombardierung oder der Einsatz von Waffen durch einen Staat gegen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates, die Entsendung von bewaffneten Banden, Gruppen, Freischärlern oder Söldnern durch einen Staat oder im Namen eines Staates, die bewaffnete Gewalttaten gegen einen anderen Staat verüben.

Der Begriff „Krieg“ und die damit verbundenen Folgen sind in einer Reihe von russischen Gesetzen enthalten:

  • Gemäß Artikel 87 der russischen Verfassung wird im Falle einer Aggression gegen die Russische Föderation oder einer unmittelbaren Bedrohung durch eine Aggression das Kriegsrecht verhängt.
  • Das Gesetz „Über die Verteidigung“ enthält den Artikel 18 „Kriegszustand“. Er wird durch föderales Gesetz für den Fall eines bewaffneten Angriffs auf die Russische Föderation sowie für den Fall erklärt, dass internationale Verträge der Russischen Föderation umgesetzt werden müssen (sofern sie Bedingungen für den Kriegseintritt vorsehen). Ab dem Zeitpunkt, an dem der Kriegszustand erklärt wird oder die Feindseligkeiten tatsächlich beginnen, beginnt der Krieg und endet erst mit der Einstellung der Feindseligkeiten.
  • Im Strafgesetzbuch gibt es im Kapitel „Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit“ den Artikel 353 „Planung, Vorbereitung, Entfesselung oder Führung eines Angriffskrieges“. Die Planung, Vorbereitung oder Entfesselung eines Angriffskrieges wird mit einer Freiheitsstrafe von sieben bis fünfzehn Jahren geahndet. Das Führen eines Angriffskrieges wird mit einer Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren geahndet.

  • [hrsg/russland.NEWS]

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