RTdeutsch und die Rechten nach der Scheidung

[von Roland Bathon] Als das deutsche Nachrichtenmagazin „Stern“ in der letzten Woche schrieb, dass Pegida-Neonazis einen Kameramann des (Zitat) „Pro-Pegida-Senders“ RTdeutsch verprügelten, bewies das Blatt nur, dass es wirklich nicht auf der Höhe der Zeit ist. Das Verhältnis des Kremlsenders zur deutschen Rechten ist bereits seit mehreren Monaten vergiftet – hauptsächlich, weil Letztere keine Kritik vertragen, auch keine aus Moskau finanzierte. Durch die körperliche Attacke ist das Verhältnis nun an einem absoluten Tiefpunkt.

Keine unkritischen Pegida-Berichte mehr

Die aktuellen Berichte von RTdeutsch zu Pegida kennt der Stern nicht – oder ignoriert sie bewusst. „Zunehmende Gewalt und Hetze demaskiert die Bewegung“ titelte RT erst letzte Woche zu den Vorgängen in Dresden. Die Rechten wiederum bleiben im Wesentlichen bei ihrem pro-Putin-Kurs – mit Ausnahme von einigen Altnazis – nehmen allerdings den deutschsprachigen Kampfsender der Staatsagentur Rossija Segonja ausdrücklich aus. Wie der rechte Demagoge Elsässer, der nach kritischer Berichterstattung in extremistischer Überschätzung seiner eigenen Bedeutung von Putin im Juli den Kopf der gesamten RT-Redaktion forderte. Ausgeblendet wird in rechten Kreisen bei Russland und dem Idol Putin ohnehin alles, was nicht ins eigene Weltbild passt.

Die eigene Schuld am rechten Image

Zum Image der Prorechten kam RTdeutsch auch durch eigene Schuld. Nach der Staubsaugermethode sammelte man 2014  für die eigene noch neue Berichterstattung auf Deutsch alles auf, was vor Ort irgendwie gegen den westlichen Mainstream gerichtet war. Während viele Linke beim russischen Staatsangebot vorsichtig waren – immerhin ist Putins „Einiges Russland“ innenpolitisch eine erzkonservative Partei – nahmen die Rechten das Angebot bereitwillig an und bevölkerten das RT-Studio in Berlin. Das machte es dem deutschen Mainstream natürlich leicht zu reagieren und RTdeutsch selbst in die rechte Ecke zu stellen, als Standardverbündeter von Neonazis bis hin zur entsprechenden Veralberung in Satiremagazinen.

Eine Bühne durch Breite

Dass man – wie Jasmin Kosubek dem o.g. Elsässer – den Rechten in Sendungen durchaus kritische Fragen stellte, ging dabei unter. Gewachsen waren die Moderatoren den rechten Demagogen, die sie sich ins Studio holten,  nicht und vor allem die große Breite der Berichterstattung über Pegida und Co machte Verteidigungsversuche der Staatsjournalisten unglaubwürdig – man bot immer wieder und über eine lange Zeit eine Bühne. Das macht auch ab und an die ARD – etwa bei „Jauch“ mit AfD-Besetzung aber eben nicht in diesem zeitlichen Anteil, dieser Intensität und ohne „Mainstream-Begleitschutz“. Selbst der WDR weiß online besser, in welchen Rahmen man rechte Parolen setzen muss, damit sie demaskiert werden und nicht verfangen können – anders als bei den manchmal ungeschickten, oft unkommentierten RT-Berichten. Bezeichnend ist, dass sich in der rechten Szene selbst ja das Bild des „Verbündeten“ RTdeutsch breit machte und man bei RT bis zum Frühjahr 2015 nicht wirklich dagegen ankämpfte. So ist es nicht übertrieben, zeitweise von einer „Zweckehe“ zu reden, die auch die staatlich-russische Seite dabei einging – ob mit oder ohne Liebe zum rechten Gedankengut. Geschieden wurde sie dann erst im Sommer mit dem oben erwähnten Pegida-kritischen Artikel, der Elsässer offensichtlich aus allen Wolken fallen ließ. Inzwischen ist rechtskritische Berichterstattung bei RTdeutsch – bis zum heutigen Tag – normal.

Applaus aus der falschen Ecke

Als Russlandanbieter online weiß auch russland.RU nur zu gut, dass man bei der Schilderung der russischen Sicht der Dinge in Deutschland den Applaus nicht nur aus der gewünschten Ecke bekommt. Denn auch in der anderen Ecke findet man erstmal alles gut, was irgendwie gegen die NATO oder EU geht. Das gilt umso mehr, wenn man wie RTdeutsch den kämpferischen Teil der russischen Staatsmedien bildet und nicht, wie etwa die „Sputniknews“ auf seriös oder „Russia beyond the headlines“ auf nett macht. Rechte lieben einfache Botschaften. Besonders vorsichtig hätte man da sein müssen, aus dieser Ecke Stimmen ins eigene Programm zu nehmen, etwa um dadurch auf Zuschauer und Marktanteile zu schielen.  Denn die, die einen aus dem Mainstream ausschließlich diskreditieren wollen, warten nur darauf, diesen billigen Spielball aufzunehmen. RTdeutsch war besonders unvorsichtig und hat die gerechte Quittung dafür bekommen. Die Glaubwürdigkeit eines Kremlmediums in der Masse der Leser in Deutschland ist ohnehin gering – das dümmste was man da noch tun kann ist der Anschein eines Rechtsbündnisses. Die verlorene Glaubwürdigkeit lässt sich da nicht so schnell wieder holen oder wie es in der Leserdiskussion einer Russland gegenüber aufgeschlossene, linken Zeitung zu  lesen war: „In einer Diskussion zu sagen ´das habe ich aber bei RT gelesen´ ist der größte Fehler den man machen kann.“ Der reinen Zuschauerzahl tut das Fehlen rechter Partner übrigens keinen Abbruch.  Denn die Abozahlen in den Sozialen Netzen steigen  im munteren Tempo und RTdeutsch ist dort mittlerweile Russlands Marktführer – trotz Beendigung jeder Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten. Sollte man die Rechten wegen Zuschauerzahlen immer wieder ins Boot gelassen haben, so war das nicht nur dumm, sondern unnötig.

Lehren für die Zukunft

Angesichts der sich nun in Deutschland (ebenso in Österreich und der Schweiz) durch die Flüchtlingskrise hochschaukelnde Stimmung wird in Mitteleuropa die Saat rechter Argumente auch in der breiten Bevölkerung auf fruchtbareren Boden fallen.  Massive Integrationsprobleme – und mindestens ebenso große Probleme durch rechte Fremdenfeindlichkeit – sind vorprogrammiert. Hier sind die russischen Medien natürlich bereits aktiv, den Finger in die vielen Wunden zu legen – unbeholfen agierende deutsche Politiker, ratlose Integrationsexperten, unzufriedene „besorgte Bürger“. Es ist ihr gutes Recht, hier über Missstände zu berichten – die deutsche Mainstreampresse in Russland tut das gleiche und das in nicht weniger scharfer und pur einseitig negativer Form. Sehr genau müssen die russischen Journalisten dabei aber aufpassen, dass sie nicht wieder ins Fahrwasser der deutschen Rechten geraten, nicht nur aus Verantwortung gegenüber ihren Vorvätern, die millionenfach Opfer der deutschen Nazis waren. Gerade als Medien eines Landes mit über 10 % islamischen Bürgern darf es zudem keine generell islamfeindliche Berichterstattung auf Kosten auch muslimischer russischer Steuerzahler geben. Das gilt auf Deutsch ebenso wie auf Russisch. Und jeder unkritische Pegida-Bericht widerspricht diesem Grundsatz.

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