Rio 2016: Whistleblowerin bangt um ihr Leben

Julia Stepanowa hatte die systematischen Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik publik gemacht und durfte trotzdem nicht nach Rio fahren. Jetzt tritt sie mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, wonach sie und ihr Mann ernsthafte Drohungen erhalten, zumeist über die sozialen Netzwerke. Das Ehepaar sei gezwungen gewesen umzuziehen, weil Hacker ihren bisherigen Aufenthaltsort offengelegt hätten.

Am Montag trat Stepanowa laut AP bei einer Videokonferenz auf und erklärte: „Wenn mir etwas passiert, müssen Sie wissen, dass das kein Unfall war. Wir versuchen, Maßnahmen zu ergreifen, um uns zu schützen, deshalb sind wir umgezogen. Aber wir verstehen: Wenn uns wirklich jemand schaden will, dann wird er das tun.“

IOC an der Seite der korrupten russischen Funktionäre“

Die 800-Meter-Läuferin lebt seit den Enthüllungen mit ihrem Mann Vitali und dem kleinen Sohn Robert an einem unbekannten Ort in den USA und trainiert nach eigenen Angaben zweimal am Tag. Bei der Videokonferenz sagte sie, sie bedauere die Enthüllungen nicht, aber es wäre besser gewesen, damit früher an die Öffentlichkeit zu treten.

Scharfe Worte fand das Ehepaar für die russische Sportführung und das IOC. Stepanowas Olympia-Suspendierung sei ein Signal an andere Athleten, „den Mund nicht aufzumachen“, denn wer Missstände offenlege, dürfe nicht an den Spielen teilnehmen. Sie hätten nie gedacht, „dass sich das IOC an die Seite der korrupten russischen Funktionäre stellt“. Mit Lügen käme man ganz offensichtlich weiter. Das IOC hätte nie versucht, die Hintergründe zu verstehen, sondern nur getan, „was ihm am meisten einbringt“.

Teil des Dopingsystems“

Der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF hatte bei Stepanowa im Januar 2013 verbotene Substanzen gefunden und sie für zwei Jahre disqualifiziert. Daraufhin legte die Mittelstreckenläuferin in einem Brief an die WADA ihre „Dopingkarriere“ offen. Sie habe „fünf Jahre lang verbotene Präparate genommen“ und sei „Teil des Systems“ gewesen, hieß es dort unter anderem.

Als Trostpflaster für den Ausschluss von den Spielen in Brasilien hatte das IOC die Stepanows als Ehrengäste nach Rio eingeladen. Die deutsche Doping-Opfer-Hilfe hat der Whistleblowerin den Anti-Doping-Preis 2016 verliehen, der ihr im Dezember überreicht werden soll.

[sb/russland.NEWS]

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