Putins Jahresbotschaft – ohne besondere Vorkommnisse

Zum 13. Mal hat Wladimir Putin heute seine alljährliche Rede als Präsident vor den versammelten Abgeordneten von Duma und Föderationsrat (und einigen sonstigen Honoratioren) gehalten. Die Ankündigung einer Steuerreform war dabei die einzige herausragende Neuigkeit.

Wer sich von Putins „Rede zur Lage der Nation“ einen (selbst-)kritischen Sachstandsbericht  oder einen programmatischen Aufruf  zu neuen  Zielen und Ideen erhofft hatte, wurde enttäuscht. Auch außenpolitisch machte Putin  in diesem Jahr keine weltbewegenden Aussagen – er kündigte zu Beginn seiner Rede allerdings auch an, dass es vorrangig um soziale, wirtschaftliche und innenpolitische Belange gehen werde. Also Business as usual. Hier ein Überblick über die wichtigsten Themen der Rede:

Steuerreform angekündigt

Putin sagte, er schlage vor, „im Lauf des nächsten Jahres detailliert und allumfassend Vorschläge zur Justierung des Steuersystems zu prüfen“. Dies solle unter Einbeziehung von Wirtschaftsverbänden erfolgen, wobei die dann beschlossenen Korrekturen des Steuergesetzes ab 2019 wirksam werden sollen. Es sollen „auf lange Zeit neue stabile Regeln für das Business“ geschaffen  werden, die die Wirtschaft stimulieren, die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen steigern und die Forderung der Gesellschaft nach größeren wirtschaftlichen Freiheiten entsprächen.

Putin unterstützte damit in letzter Zeit öffentlich gewordene Überlegungen aus Regierungskreisen, in denen eine Korrektur des seit 2014 mehr oder weniger unveränderten Steuersystems eingefordert wurde. Zur Debatte steht dabei eine Aufhebung der bisher bestehenden „flat tax“ bei der Einkommenssteuer von 13 Prozent zugunsten einer Progression unter Entlastung geringer Einkommen oder auch eine Verringerung der Sozialabgaben seitens der Arbeitgeber, kompensiert durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Meinungsfreiheit und Zensur

Im Anfangsteil seiner Rede nahm Putin die in den letzten Wochen hitzig geführte Debatte über Zensur und Gängelung der Kunst durch den Staat wie auch nicht-staatliche Moralhüter auf. Er forderte alle gesellschaftlichen Kreise auf, sich gegenseitig mit Achtung zu begegnen. Aggressive Reaktionen, erst recht wenn sie in Vandalismus oder Gesetzesverstöße ausarteten, seien nicht akzeptabel und würden vom Staat hart verfolgt, sagte Putin. Und er machte eine deutliche Aussage pro Meinungsfreiheit: „In der Kultur, in der Politik, in den Medien und dem gesellschaftlichen Leben, in Streits zu wirtschaftlichen Fragen kann es niemand verbieten, frei zu denken und offen seine Position darzulegen.“

100 Jahre russischen Revolutionen

Zu dem  im nächsten Jahr anstehenden 100-Jahr-Jubiläum der Februar- und der Oktoberrevolution von 1917 sagte Putin, nicht nur die Historiker, auch die russische Gesellschaft brauche eine objektive, ehrliche und tiefgehende Analyse dieser Ereignisse und ihrer Gründe. „Die Lehren aus der Geschichte brauchen wir vor allem für die Versöhnung und die Stärkung des sozialen, politischen und gesellschaftlichen Einklangs, wie wir ihn heute schon erzielt haben“.

Die wirtschaftliche Lage

Hinsichtlich Russlands Wirtschaftslage stellte Putin die positiven Aspekte heraus: „Mittlerweile ist die Rezession in der Realwirtschaft zu Ende, es hat sogar ein Industriewachstum eingesetzt. Während im vergangenen Jahr der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts 3,7 Prozent betrug, wird er im laufenden Jahr nur ganz gering ausfallen.“ In diesem Jahr müsse mit einem Rückgang von 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gerechnet werden, sagte Putin. Er merkte aber an, Russland könne es sich nicht leisten, auf Dauer in Bereichen des Nullwachstums auf der Stelle zu treten.

Zahlreiche Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft, die Leichtindustrie oder die Produktion von Lastwagen und Landmaschinen hätten schon jetzt gute Wachstumszahlen, betonte er. Die Agrarbranche habe von den Sanktionen profitiert – doch müsse sie sich darauf einrichten, dass die „Sanktionen nicht ewig gelten“ werden. Inzwischen würde Russland mehr durch den Export von Agrarprodukten einnehmen als durch Rüstungsgeschäfte. „Das hätten wir uns vor gar nicht so langer Zeit nie vorstellen können“ so Putin stolz.

Inflation hat ihren Schrecken verloren

Die Inflationsrate werde in diesem Jahr unter 6 Prozent bleiben – nach 12,9 Prozent im Vorjahr, erklärte der Präsident. Dies sei für Russland ein neuer Niedrigwert. Er bedeute, dass man 2017 eine Inflation von 4 Prozent anpeilen könne. Dem russischen Bankensystem sei es parallel gelungen, das (durch die westlichen Sanktionen abgeblockte) Kapitalangebot aus dem Ausland zu ersetzen.

Und wo ist die große Linie?

„In so einer Rede sind nicht die Zahlen oder der Patriotismus wichtig, sondern konkret formulierte Aufgaben. Die sind Fehlanzeige. Der Staat hat kein Ziel. Er bewegt sich mit der Strömung, der Zufall treibt ihn schon an ein Ufer“, ätzte nach der Putin-Rede der oppositionelle Ex-Duma-Abgeordnete Dmitri Gudkow. Der einzige echte Inhalt der Putin-Rede sei gewesen, dass „2018 nach den Wahlen die Steuern steigen“.

Berichte über einzelne Themen folgen.

Ein erstes Video zu Putins Rede hier.

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