Psychologie der russischen Gesellschaft: Optimisten, Frustrierte, Realisten und enttäuschte Patrioten© russland.news

Psychologie der russischen Gesellschaft: Optimisten, Frustrierte, Realisten und enttäuschte Patrioten

Wissenschaftler haben den psychologischen Zustand der russischen Gesellschaft während der sogenannten „speziellen Militäroperation“ untersucht. Timofei Nestik, Doktor der Psychologie am Institut für Psychologie der Russischen Akademie der Wissenschaften, analysierte in einem Artikel mit dem Titel „Psychologische Mechanismen des wirtschaftlichen Optimismus in Krisenzeiten“, der in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Prognosefragen“ erschien, den Einfluss von Wirtschaftskrisen auf das psychologische Wohlbefinden der Russen. Basierend auf der Analyse der Ergebnisse von drei Online-Umfragen, die im Jahr 2022 durchgeführt wurden, identifizierte er vier verschiedene Einstellungen zu Wirtschaftssanktionen.

Der erste Typ sind „Staatsoptimisten“ (28 Prozent aller Russen). Dies sind vor allem Frauen (54 Prozent) im Alter von über 45 Jahren (59 Prozent) ohne Hochschulbildung (54 Prozent), Bewohner kleiner Städte und Dörfer (48 Prozent) mit mittleren und hohen Einkommen (38 Prozent). Für Vertreter dieses Typs ist ein relativ hohes Maß an Freude und Hoffnung bezüglich der Situation im Land charakteristisch, ebenso wie Vertrauen in die föderale Regierung und die Rechtfertigung des sozialen Systems, sowie Zuversicht in die Fähigkeit, die Zukunft des Landes beeinflussen zu können. Gleichzeitig fürchten sie den Verlust kultureller Traditionen angesichts steigender Kriminalität, Terroranschlägen und des Zustroms von Migranten.

Der zweite Typ sind die „Frustrierten“ (18 Prozent). Sie sind mehrheitlich männlich (55 Prozent), haben einen höheren Bildungsabschluss (62 Prozent), sind jünger als 35 Jahre (50 Prozent), leben in Metropolen (48 Prozent) und verfügen über ein niedriges (31 Prozent) oder hohes Einkommen (28 Prozent). Sie zeichnen sich durch den höchsten Grad an Besorgnis und Depression, Angst und Niedergeschlagenheit bezüglich der Situation im Land und ein geringes Vertrauen in die Regierung aus.

Der dritte Typ sind die „besorgten Realisten“ (22 Prozent). 60 Prozent von ihnen sind Frauen unter 35 Jahren (40 Prozent) mit niedrigem (30 Prozent) und mittleren (48 Prozent) Einkommen. Sie zeichnen sich durch eine anti-elitäre Einstellung geringen sozialen Optimismus und große Zukunftssorgen aus. Sie fürchten vor allem die negativen wirtschaftlichen Folgen des Krieges und Machtmissbrauch.

Die vierte Gruppe nannte Nestik die „von Ungerechtigkeit enttäuschte Patrioten“ (32 Prozent). Es handelt sich dabei häufiger um Männer (48 Prozent) und Frauen (52 Prozent), die älter als 60 Jahre sind (36 Prozent), keine höhere Schulbildung haben (59 Prozent), in kleinen Städten und Dörfern leben (52 Prozent) und über ein niedriges (29 Prozent) oder mittleres (43 Prozent) Einkommen verfügen. Die Vertreter dieses Typs zeichnen sich durch sozialen Optimismus und Selbstvertrauen aus, lehnen jedoch politische und wirtschaftliche Eliten ab und halten tiefgreifende Veränderungen im Land für notwendig. Sie fürchten den Verlust kultureller Traditionen und den sozialen Zusammenbruch.

Timofei Nestik kommt zu dem Schluss, dass „wirtschaftlicher Optimismus unter Krisenbedingungen einerseits durch „positive Illusionen“ und die Mobilisierung persönlicher Ressourcen und andererseits durch Mechanismen gestützt wird, die eine positive Gruppenidentität schützen und angesichts einer kollektiven Bedrohung das „Sammeln um die Fahne“ (Vertrauen in Autoritäten und Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe und sozialer Optimismus) unterstützen.

[hrsg/russland.NEWS]

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