Pandora Papers: Snowden lacht, Kreml blockt und Ionow kocht

Pandora Papers: Snowden lacht, Kreml blockt und Ionow kocht

Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat sich zum Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ), das Details über Offshore-Verbindungen einer weltweiten Reihe von Politikern, Firmenvorständen, prominenten Spitzensportlern sowie Show-Stars veröffentlicht hat, erheitert geäußert.

„Das Lustige an dieser sehr ernsten Geschichte ist, dass selbst nach zwei Leaks von Offshore-Dienstleistern und Anwaltskanzleien apokalyptischen Ausmaßes diese Firmen immer noch riesige Datenbanken des Ruins anlegen, und immer noch mit einem Aufkleber mit der Aufschrift ‚Nicht durchsickern lassen‘ schützen“, schrieb Snowden auf Twitter.

Moskau ist nicht sonderlich amüsiert. Präsidentensprecher Dmitri Peskow sagte, der Kreml halte die vom ICIJ veröffentlichten Informationen über den „Reichtum des inneren Kreises Putins“ für „unbegründete Behauptungen“. „Um ehrlich zu sein, haben wir keinen versteckten Reichtum in Putins innerem Kreis gesehen. Ich weiß nicht, ob es weitere Veröffentlichungen geben wird, aber bis jetzt haben wir noch nichts Konkretes gesehen“, so Peskow gegenüber der Presse.

In einem langen Text des internationale Recherchenetzwerk ICIJ über das Verhältnis zwischen dem russischen Präsidenten und seinem TV-Berater Konstantin Ernst über einen staatlich finanzierten Privatisierungsdeal geht es dem ICIJ insgesamt um „Russlands korruptes System und die Offshore-Welt“. Durchgesickerte Dokumente enthüllten die Zusammenarbeit von Beamten mit Anwälten, Bankern und Oligarchen in Russland, Zypern und Großbritannien. Wörtlich heißt es: „Für die Russen spielt die Offshore-Welt eine besondere Rolle bei der Sicherung des Reichtums von Oligarchen, Kumpanen und Amtsträgern. Das korrupte System Wladimir Putins hat viele von ihnen reich gemacht und könnte sie ebensogut wieder arm machen.“

Starke Worte für ein internationales Projekt mit seriösem Anspruch. Fairerweise ist anzumerken, dass die ICIJ-Autoren den russischen Präsidenten aus der Schusslinie nehmen: „Putin hat sich gegen die Nutzung von Offshore-Strukturen durch russische Geschäftsleute und Politiker ausgesprochen und Gesetze zur Eindämmung dieser Praxis unterstützt.“ Nur sein enger Kreis spiele in den Dokumenten eine herausragende Rolle. Russische Staatsangehörige seien in den Pandora Papers überproportional vertreten. Die Analyse von ICIJ habe ergeben, dass „Russen hinter etwa 14 Prozent der mehr als 27.000 Unternehmen stehen, deren Eigentumsdetails durch das Leck preisgegeben werden. Unter ihnen nutzten mindestens 46 russische Oligarchen Offshore-Firmen, so das ICIJ.

Bei diesen Anschuldigungen wundert es nicht, dass Putin Beistand erfährt. Ein gewisser Alexander Ionow kündigte an, er werde an die Generalstaatsanwaltschaft appellieren, das ICIJ zu einer „unerwünschten Organisation“ zu erklären. Ionow ist ein ehemaliges Mitglied der Moskauer Kommission für öffentliche Aufsicht (PMC) und seit 2014 Mitglied des Koordinierungsrates der Anti-Maidan-Bewegung. Außerdem ist er Gründer und Leiter der Anti-Globalisierungsbewegung Russlands (ADR). Im April dieses Jahres setzte das russische Justizministerium Meduza auf die Liste der ausländischen Agenten. Es stellte sich heraus, dass Ionow einen entsprechenden Antrag beim Justizministerium gestellt hatte. Jüngst soll er  versucht  haben, das Nachrichtenportal The Bell anzuschwärzen.

Ionow behauptet, hinter den Pandora Papers stecke eine „undichte Stelle bei den US-Geheimdiensten“. Er weist darauf hin, dass die nicht kremltreue Zeitung Nowaja Gaseta mit dem ICIJ zusammenarbeitet und einer ihrer Hauptsponsoren die Open Society Foundation von George Soros ist. Er habe ein Schreiben an die Generalstaatsanwaltschaft über die Partner von ICIJ vorbereitet. Ähnlich sieht es auch Konstantin Ernst: Das ICIJ sei „keine unabhängige Ermittlungsfirma, sondern eine von den US-Geheimdiensten beauftragte Organisation“.

Laut Peskow zeige die Untersuchung auch nicht so sehr auf Russland, sondern hauptsächlich die USA, die nachweislich zum wichtigsten „Offshore- und Steuerloch“ geworden sind. Nach traditioneller Sichtweise ging es bisher um eine Ansammlung entfernter Palmeninseln. Tatsächlich haben sich Offshore-Projekte über den ganzen Planeten ausgebreitet und sind in alle Ecken vorgedrungen, stellt ICIJ fest, und in den Vereinigten Staaten vereinigte sich die das größte Offshore-System zu Steuereinsparung. Mit einer weltweit führenden Lobby, die Schwachstellen gegenüber Offshore-Unternehmen gekonnt in die Gesetzgebung verschiedener Länder einbezieht. Und einem Finanzsystem, das einer Minderheit von Reichen ermöglicht, ihr Vermögen mithilfe von intransparenten Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen vor Steuerinspektoren, Aufsichtsbehörden und der Öffentlichkeit zu verstecken.

Alex Cobham, CEO des Tax Justice Network, sagte: „Jedes Jahr   verliert die Welt 427 Milliarden US-Dollar an Steuern an Steueroasen … Die Pandora Papers bestätigen, dass unser globales Steuersystem zu einem Geldautomaten für die Reichen und Mächtigen geworden ist, seien es Drogenhändler, Pop-Idole oder genau die Politiker, denen wir unsere Steuern anvertrauten. Wir loben die ICIJ für ihre mutige und unschätzbare Arbeit.

Was die Untersuchung für die einfachen Leute bedeutet, schrieb das britische Konsortium von Wohltätigkeitsorganisationen Oxfam: „Wo sind unsere Krankenhäuser? Neue Stellen für Lehrer, Feuerwehrleute, Sozialarbeiter? Sie sind alle hier. Jedes Mal, wenn ein Politiker oder Geschäftsmann sagt, dass es kein Geld gibt, sollten sie wissen, wo sie danach suchen müssen.“

Das ICIJ hat Auszüge aus rund 11,9 Millionen Dokumenten veröffentlicht, die Einzelheiten zu den Offshore-Konten einer Reihe von Politikern weltweit enthalten. Die Sammlung enthält Angaben zu 35 aktuellen und ehemaligen Staatsoberhäuptern sowie zu 330 Beamten aus 91 Ländern. Darunter die Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew, der ukrainische Präsident Wladimir Selenski und der Oligarch Igor Kolomoisky, der tschechische Ministerpräsident Andrei Babis, König Abdullah II. von Jordanien, der Präsidenten von Montenegro Milo Djukanovic und der ehemalige Premierminister von Großbritannien Tony BlairDie Liste umfasst Dutzende von Prominenten von Julio Iglesias über Musiker Elton John, Shakira, Enrique Iglesias bis Ringo Starr und von Claudia Schiffer bis Carlo Ancelotti.

Nach den Berechnungen von Ilja Schumanow, dem Leiter der russischen Filiale von Transparency International liegt Russland bei der Anzahl der im Archiv erwähnten Personen mit 52 mit großem Abstand an erster Stelle. Brasilien liegt an zweiter Stelle mit 15, an dritter Stelle Großbritannien mit 13. Zu den in den Dokumenten erwähnten Russen gehören der Geschäftsführer von Channel One, Konstantin Ernst, sowie die Geschäftsleute Alexander Abramow und Leonid Lebedew. Desweiteren finden sich die Namen Swetlana Kriwonogich, Nikolai Egorow, Viktor Khmarin, Roman Putin, Anton Vaino, German Gref und andere.

An den Recherchen waren den Angaben zufolge mehr als 600 Journalistinnen und Journalisten von 150 Medienorganisationen aus 117 Ländern beteiligt. Zu den Partnermedien zählten unter anderem die Süddeutsche Zeitung, die Washington Post, der Guardian, der Indian Express, Le Monde und Aftenposten. Aus Russland nahm einzig Important Stories an den Untersuchungen teil.

[hrsg/russland.NEWS]

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