Washington – Eine seltsame Ansprache Obamas vor seinem Weihnachtsurlaub hinterlässt offene Fragen. Einmal mehr drückte er seinen schon fast pathologischen Unmut Russland gegenüber aus. Im nächsten Satz ging er schon fast wieder auf Entspannungskurs und räumte ein, dass Russland die US-Wahlen im November nicht beeinflusst hätte. Ja was nun?
Es war des US-Präsidenten letzter Auftritt in der Öffentlichkeit, bevor er seinen Weihnachtsurlaub in Hawaii antreten wird. Erneut betonte Obama gebetsmühlenartig, dass Russland seit längerem hinter Angriffen auf Computersysteme politischer Organisationen und Institutionen in den USA stehe. Und natürlich habe sich Russland so in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt. Am Rande des G20-Gipfels in China habe er Wladimir Putin persönlich aufgefordert, die Angriffe einzustellen. Andernfalls, so hätte er ihm gedroht, werde es sehr ernste Konsequenzen geben.
Für Obama, so bekräftigte er am vergangenen Freitag in Washington vor Medienvertretern, „ist Russland für die Angriffe auf die demokratische Partei verantwortlich.“ Gestützt werde diese Aussage von den Erkenntnissen der Geheimdienste. „Oberste Stellen“ beschuldigte er und verdeutlichte seine Auffassung, dass es wenig gebe, was in Russland ohne Präsident Wladimir Putin geschehe. Außerdem habe er den Eindruck, es sei der wirksamste Weg „direkt mit ihm zu sprechen und ihm zu sagen, dass er es abstellen soll“, wird Obama von der Nachrichtenagentur AFP zitiert.
Putin ist an allem schuld
Gedroht habe der scheidende US-Präsident Barack Obama dem russischen Präsidenten bei dieser Gelegenheit, sogar mit „ernsthaften Konsequenzen“, sollte Putin die Cyberattacken nicht unterbinden. „Und tatsächlich haben wir keine weitere Beeinflussung des Wahlprozesses festgestellt“, verkündete er mit stolz geschwängerter Brust, ganz im Stile eines großen Feldherren. Schließlich habe auch China auf seine Warnung hin seine Cyberangriffe auf die USA eingeschränkt. „Dafür gibt es Hinweise!“
„Wenn eine ausländische Regierung versuche, den Wahlkampf zu manipulieren, müssten die USA handeln“, so Obama gegenüber dem Sender National Public Radio. Und fügte barsch hinzu: „Und das werden wir – zu einer Zeit und an einem Ort unserer Wahl. Manches davon könnte offen geschehen und publik gemacht werden, manches nicht.“ Die deutsche Agentur dpa hörte da bereits schon die Kriegstrommel erklingen und wetterte eisern drauflos, dass Obama Russland „deutlich wie nie“ Vergeltung angekündigt habe.
Putins Sprecher Dmitri Peskow forderte daraufhin, die USA sollten entweder mit den Anschuldigungen aufhören oder Beweise vorlegen. Belege legte Obama nicht vor. Vielmehr kündigte er an, dies auch weiter zu behaupten und schon alleine „aus prinzipiellen Gründen“ keine Belege offenlege. Bisher hatte sich allerdings auch das FBI nicht öffentlich den Geheimdiensterkenntnissen angeschlossen. Gegen wen sich diese Drohung richten soll ist indes noch unklar, nachdem Obamas Zurückrudern, im Bezug auf Moskaus angebliche Wahlmanipulationen, ja nicht Russland meinen könne.
Waidwundes Gebelle
Für die unterlegene Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton stehe jedoch fest, dass die angeblichen Versuche Russlands als „Angriff auf die Vereinigten Staaten“ zu bewerten seien. „Das war nicht nur eine Attacke gegen mich und meinen Wahlkampf, erzählte sie der New York Times. Vielmehr habe sich Putin mit den Angriffen persönlich an ihr rächen wollen. Außerdem versuche Russland mit seinen Cyberangriffen auf Einrichtungen der US-Demokraten, die Demokratie an sich und die Sicherheit des Landes zu unterminieren.
In einem Interview sagte Barack Obama, dass er sich zum Ziel gesetzt habe, einen endgültigen Bericht des Weißen Hauses zu den Hackerangriffen noch vor Trumps Amtseinführung am 20. Januar vorzulegen. Eine Warnung für seinen designierten Nachfolger hatte Obama gleich mit parat und erwarte von ihm, dass der die Besorgnis über die Einflussnahme eines fremden Landes teile. Vor der Wahl habe er sich noch mit klaren Hinweisen zurückgehalten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er selbst hätte Einfluss auf die Wahl nehmen wollen. Somit sei es laut Obama den Geheimdiensten möglich gewesen, ohne politischen Einfluss ihre Arbeit zu machen.
Denn: „Russland kann uns nicht ändern. Es ist ein kleineres Land, es ist ein schwächeres Land. Die Wirtschaft produziert nichts, was irgendjemand kaufen möchte. Aber Russland kann uns beeinflussen, wenn wir vergessen, wer wir sind. Wenn wir uns von unseren Werten verabschieden. (…) Warum haben so viele Amerikaner Vertrauen in Putin, den ehemaligen Chef des Geheimdienstes KGB? Wie konnten wir soweit kommen?“ Und dann beschwor Obama Geister, als er verkündete „Ronald Reagan würde sich im Grabe umdrehen“.
Hillary Clinton, so sehe er es, sei nicht fair behandelt worden. Das Thema der gehackten Daten habe die Berichterstattung vor der Wahl dominiert, sagte Obama und an die Presse gewandt verteilte er noch Seitenhiebe: „Ihr habt über alles berichtet. Es war wie eine Obsession.“ Allerdings musste er auch einräumen, dass man sich fragen müsse, in welchem Zustand das eigene politische System sein müsse, wenn eine so wichtige Wahl von solchen Cyberangriffen dermaßen beeinflussbar sei. Sprach’s und verabschiedete sich gen Hawaii.
[mb/russland.RU]
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