„Nur eine Herausforderung – überleben oder sterben“: Alarmierende Covid-Zahlen in Russland© russland.NEWS

„Nur eine Herausforderung – überleben oder sterben“: Alarmierende Covid-Zahlen in Russland

„Freunde, ich möchte euch von der Katastrophe erzählen, die sich bei uns ereignet. Wir haben einen exponentiellen Anstieg von Covid 19-Infektionen. Wir haben ein Problem, weil wir nicht geimpft werden. Ich möchte all meine Follower dazu auffordern, sich sofort impfen zu lassen. Ich möchte an alle meine prominenten Freunde appellieren, die ein riesiges Publikum haben: Bitte fordert Leute auf, sich impfen zu lassen. Wir haben nur eine Herausforderung – überleben. Entweder ihr lasst euch impfen und überlebt, oder ihr lasst euch nicht impfen und erleidet schwerwiegende Folgen oder sterbt“, die Ansprache des Chefredakteurs vom russischen Esquire und populären russischen Schriftstellers Sergej Minajew auf seinem Instagram war sehr emotional.

Die Sorge von Minajew ist mehr als verständlich. Die Zahl der Corona-Patienten in Russland wächst täglich. In den vergangenen 24 Stunden ist die Zahl der Infizierten landesweit um 13.721 gestiegen, 371 Menschen sind gestorben. Wie üblich ist Moskau in dieser traurigen Statistik führend – 6.590 neue Fälle, 72 Menschen sind gestorben.

Kindern wird die Benutzung von Spielplätzen verboten, Bars und Restaurants dürfen nachts nicht arbeiten, den Universitäten der Hauptstadt wurde geraten, auf Online- Unterricht umzustellen – die Regierung von Moskau greift zu drastischen Maßnahmen. Aufgrund der sich verschlimmernden Coronavirus-Situation hat der Bürgermeister von Moskau Sergej Sobjanin die sogenannten arbeitsfreien Tage bis zum 20. Juni erklärt. Unternehmen des kontinuierlichen Kreislaufs, strategische Industrien und wesentliche Dienstleistungen werden diese Woche wie gewohnt weiterarbeiten. Aber nur unter der Bedingung, dass 30 Prozent der nicht geimpften Mitarbeiter sowie ältere und chronisch kranke Menschen in die Fernarbeit versetzt werden müssen.

Verschärfte Maßnahmen werden auch in der Region Moskau verhängt, wo am vergangenen Tag mehr als tausend neue Covid-Fälle registriert wurden. Das sind die höchsten Zahlen seit Anfang Februar 2021. Die Bewohner des Moskauer Gebiets müssen wieder Masken an öffentlichen Orten tragen, das heißt in Geschäften, Apotheken, öffentlichen Verkehrsmitteln, medizinischen Einrichtungen. Ohne Masken darf nicht einmal gearbeitet werden. Die Maßnahme betrifft nicht diejenigen, die gegen das Coronavirus geimpft wurden.

In Sankt Petersburg sind am Montag 865 Neuinfizierte festgestellt worden, somit steht die Stadt an dritter Stelle in der Corona-Statistik. Dabei finden dort einige Spiele der EM statt! Die offiziellen Daten zeigen, dass in St. Petersburg seit Beginn der Pandemie fast 15.000 Menschen an den Folgen des Coronavirus gestorben sind. Auch hier werden ab dem 17. Juni die Beschränkungen vor dem Hintergrund der sich verschlechternden epidemiologischen Situation verschärft. So dürfen gastronomische Einrichtungen vorübergehend von 2:00 bis 6:00 Uhr nicht arbeiten, die Belegung von Kinos wird auf 50 Prozent reduziert und die maximale Besucherzahl bei öffentlichen Veranstaltungen darf 3000 Personen nicht überschreiten. Seit dem 14. Juni müssen Fans in den Fan-Zonen der Fußball-Europameisterschaft Masken tragen und der Verkauf von Lebensmitteln, mit Ausnahme von Getränken ist verboten.

Die Stadtverwaltungen versuchen, die Menschen zu motivieren, sich impfen zu lassen. So verlosen die Moskauer Behörden unter denen, die sich impfen lassen, Autos und in Serpuchow, Moskauer Gebiet, kann man sogar eine Drei-Zimmer-Wohnung gewinnen. Doch auch solche Maßnahmen scheinen nicht zu greifen. Die Russen haben es immer noch nicht eilig, sich zu vakzinieren. Nach verschiedenen Schätzungen sind zehn Prozent der Menschen geimpft worden – bisher also nur etwa 12 Millionen Russen haben eine Einzeldosis des Impfstoffs erhalten, während für eine kollektive Immunität 70 Millionen geimpft werden müssen.

In einem Interview mit Radio Liberty im Mai, erklärte stellvertretender Direktor des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum Denis Wolkow dieses Verhalten der Russen so: „Zunächst einmal ist die Angst vor dem Coronavirus, die Angst, sich damit anzustecken, weg. Sie erreichte ihren Höhepunkt während der zweiten Welle der Epidemie im Herbst letzten Jahres und ist seither längst zurückgegangen: Jetzt fürchtet sich weniger als die Hälfte der Befragten – 42 Prozent – vor einer Ansteckung. Außerdem gibt es keine besonderen Einschränkungen; auch während der zweiten Welle gab es keine; und irgendwo um den Frühlingsanfang herum haben wir gesehen, dass alles viel leichter wahrgenommen wird. Ich glaube, die Menschen schenken den Statistiken über Infektionen und Todesfälle einfach keine große Aufmerksamkeit – sie sind müde, es ist alles zur Routine geworden. Laut Statistik sind heute nur 9,7 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, und Russland liegt in dieser Hinsicht weit hinter vielen Ländern zurück. Von Anfang an war nur etwa ein Drittel der Russen bereit, sich impfen zu lassen, während in anderen Ländern die Rate zwei- bis dreimal so hoch war.“

Mit der Covid-19-Pandemie ist die Bevölkerung Russlands bis Ende 2020 um mehr als 500.000 Menschen geschrumpft, wie die Zeitung RBK bereits im Januar über diese Schätzung der russischen Statistikbehörde Rosstat berichtete. Dies ist ein Rekordrückgang der Bevölkerung seit 2005. Nun hat Rosstat den Bevölkerungsrückgang nach Regionen geschätzt. Im letzten Jahr stieg sie beispielsweise in Tatarstan um das 72-fache, in St. Petersburg um das 58-fache. Das sind rekordverdächtige Zahlen für das Land. Moskau zeigte einen Rückgang von einem Anstieg von 16.200 im Jahr 2019 auf einen Rückgang von 24.600 im Jahr 2020. Im Durchschnitt ist der natürliche Bevölkerungsrückgang in Russland im Vergleich zu 2019 um das 2,2-fache gestiegen, von 317.200 auf 702.000 Menschen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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