Nord Stream 2 – Das ist kein kleiner Riss, es ist ein großes LochFOTO: Dänische Streitkräfte

Nord Stream 2 – Das ist kein kleiner Riss, es ist ein großes Loch

Europäische Beamte halten Sabotage für eine der wahrscheinlichsten Ursachen für die Schäden an den Gaspipelines des Nord Stream-Systems. Einen Tag zuvor waren drei Gaslecks an den Pipelines Nord Stream und Nord Stream 2 entdeckt worden. Obwohl keine der beiden Gas nach Europa liefert, sind die Gas-Futures für November bereits um 9 % auf 2.400 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter gestiegen. Es gibt kein Sicherheitsnetz für europäische Lieferungen, so dass nur die Möglichkeit bleibt, die Lieferungen über die Ukraine zu erhöhen oder den gestoppten polnischen Transit wieder aufzunehmen.

Der massive Druckabfall in drei von den vier Röhren der Pipelines Nord Stream 1 und 2 könnte durch Sabotage verursacht worden sein, berichtete die deutsche Zeitung Tagesspiegel unter Berufung auf eine Quelle. Die Vorfälle werden untersucht und „alles spricht dagegen“, dass die beiden Unfälle ein Zufall gewesen sein könnten.

Das schwedische Zentrum für Seismologie teilte mit, dass Messstationen in Schweden und Dänemark am Montag zwei starke Explosionen an den Pipelines registriert haben. „Die eine Explosion hatte eine Stärke von 2,3 und wurde an bis zu 30 Messstationen in Südschweden registriert. Sie können deutlich sehen, wie die Wellen von unten an die Oberfläche blubbern. Es besteht kein Zweifel, dass es eine Explosion war“, sagte ein schwedischer Seismologe. Diese Größenordnung entspricht einer Ladung von mehr als einer Tonne TNT

Laut dänischen Behörden haben die Gasblasen, die aus Nord Stream 2 austreten, auf Meereshöhe einen Durchmesser von mehr als 100 Metern. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, es sei „schwer zu glauben“, dass die Gaslecks zufällig seien. Auch der polnische Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki hält den Vorfall für ein Ergebnis von Sabotage. Der Direktor der dänischen Energieagentur will sich nicht an Spekulationen, sagte er der Zeitung DR. „Es könnte sich um einen Konstruktionsfehler handeln, es könnte sich um eine vorsätzliche Handlung handeln. Es ist natürlich besorgniserregend, dass es drei Vorfälle gleichzeitig gibt.“

Für den Kreml könne eine Sabotage von Nord Stream nicht ausgeschlossen werden. Die Situation sei „beispiellos“ und die Umstände der Lecks müssen untersucht werden. Ein norwegischer Professor für Politik- und Erdölökonomie glaubt, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, ob die Pipelines angegriffen wurden oder ob die Leckagen durch andere Vorfälle verursacht wurden.

Deutsche Sicherheitsbehörden sind an den Ermittlungen beteiligt. „Wir können uns kein Szenario vorstellen, bei dem es sich nicht um einen vorsätzlichen Anschlag handelt“, erklärte eine mit der Einschätzung der örtlichen Behörden vertraute Quelle. Sie glauben, dass der Sabotageakt von Spezialkräften wie Tauchern oder einem U-Boot durchgeführt worden sein könnte.

Dass „die Zerstörung am selben Tag gleichzeitig an den zwei Strängen der Gaspipelines stattfand, ist beispiellos“, so die Nord Stream AG. Was genau passiert ist, sei derzeit noch schwierig zu sagen, aber die Geschwindigkeit des Druckabfalls deutet darauf hin, dass dies wahrscheinlich „nicht einfach ein Leck aufgrund einer schlecht geschweißten Naht ist, sondern zum Beispiel eine Explosion“, so ein russischer Experte.

Auch der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin geht bei dem plötzlichen Druckabfall von einer gewaltsamen Störung aus. Die Pipeline sei „relativ neu und aus massivem und gutem deutschem Stahl gebaut“, so Trittin gegenüber RTL. Wenn eine solche Pipeline plötzlich schlagartig lecke, „dann muss es schon zu einer gewaltsamen Störung dieser Pipeline gekommen sein.“

Den Quellen des Tagesspiegels zufolge werden zwei Hauptvarianten für einen potentiellen Angriff in Betracht gezogen. Ersten Spekulationen zufolge könnten „ukrainische oder mit der Ukraine verbundene Kräfte“ für den Sabotageakt verantwortlich sein, denn nun sei Gazprom eine Alternative zum ukrainischen und südlichen Transit nach Europa genommen. Die zweite Version besagt, dass der Angriff von russischer Seite, aber „unter falscher Flagge“ durchgeführt wurde.

Pikant an der Angelegenheit ist, dass die Leckagen an Nord Stream am selben Tag gemeldet wurden wie die Eröffnungder Baltic Pipe-Pipeline zwischen Norwegen, Dänemark und Polen. Die Pipeline mache Polen völlig unabhängig von russischem Gas. Ob die Eröffnung und das Leck zusammenhängen, ist nicht bekannt.

Ein Dozent der norwegischer Marineakademie glaubt, dass es sich bei den Lecks um russische Sabotage handelt, schreibt die Zeitung E24. „Ich denke, es ist Russland, das die Versorgung ohne Ankündigung unterbrechen will.“ Auch ein ehemaliger Mitarbeiter des norwegischen Ölministeriums ist der Ansicht, dass „nur Russland für die Sprengung der Nordstreams in Frage kommt. Die Rohre haben eigentlich keinen Wert mehr für Russland“. Der Anschlag sei eine „Warnung an Europa und Norwegen, sich in der Ukraine zurückzuhalten. Sonst blubbert auch bald eine Pipeline zwischen Norwegen und Europa“.

Der ehemalige polnische Außenminister Radek Sikorski veröffentlichte auf Twitter ein Foto von der Unfallstelle. „Danke USA“, heißt es in der Beitragsbeschreibung. Der Abgeordnete erinnerte an die Worte von US-Präsident Joe Biden, der am 7. Februar sagte, Washington werde „Nord Stream 2 ein Ende bereiten“, wenn die russische Armee die Grenze zur Ukraine überquere.

„Ist das eine offizielle Erklärung über einen Terroranschlag?“ – Schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa  in ihrem Telegram-Kanal und kommentierte die Aussage von Radek Sikorsky.

Der polnische Abgeordnete sagte auch, dass alle baltischen Staaten „seit 20 Jahren gegen den Bau von Nord Stream 2 sind“. „Jetzt liegt Metallschrott im Wert von 20 Milliarden Dollar auf dem Meeresgrund“, so Sikorski. Der ehemalige Chef des polnischen Außenministeriums glaubt, dass die Schäden an der Nord Stream „den Spielraum von Wladimir Putin einengen“. Wenn der russische Präsident die Gaslieferungen nach Europa wieder aufnehmen wolle, müsse er mit den Ländern verhandeln, die die Bratstvo- und Jamal-Gaspipelines kontrollieren, sagte er.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat gestern zu später Stunde auf den Tweet von Sikorski reagiert. „Das ist jetzt eine Riesensache!“, kommentierte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten in dem sozialen Netzwerk Truth Social – „a really big deal“.

Das deutsche Wirtschaftsministerium hatte gestern in einer Stellungnahme erklärt, es lägen keine Daten darüber vor, was den Druckabfall an der Nord Stream 2-Pipeline verursacht habe und wo genau dies geschah. Man stehe mit der Bundesnetzagentur und den betroffenen Behörden im Austausch, um den Sachverhalt aufzuklären.

Die Vorfälle mit dem Druckabfall in beiden Strängen der Gaspipeline Nord Stream ereigneten sich, am 26. Septembergegen drei Uhr morgens und gegen 17:00 Uhr Moskauer Zeit, in dänischen Gewässern in der Nähe von Bornholm. Um die Leckzone herum wurde von der dänische Seeschifffahrtsbehörde eine Sicherheitszone mit einem Radius von fünf Seemeilen eingerichtet.

Wer die Folgen des zufälligen oder geplanten Unglücks beseitigen wird, ist unklar, da die Nord Stream 2 AG unter US-Sanktionen steht und sich in einem Insolvenzverfahren befindet. Gazprom ließ eine Anfrage der russischen Zeitung Kommersant unbeantwortet, ob das Unternehmen bereit ist, sich mit der Beseitigung der Folgen von Unfällen und der Wiederherstellung von Gasleitungen zu befassen.

Der Zeitrahmen für die „Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der Gastransportinfrastruktur ist noch nicht abschätzbar“, so die Nord Stream AG. Analysten zufolge könne die Reparatur, wenn man ähnliche Fälle in Betracht zieht, bis zu mehreren Jahren dauern.

Nord Stream 2 wurde im Herbst 2021 gebaut, hat aber nie den Betrieb aufgenommen. Nachdem Moskau die Donbass-Republiken anerkannt hatte, beschloss Deutschland, die Zertifizierung der Gaspipeline einzustellen. Die zweite Pipeline wurde nach Beginn des …. in der Ukraine weiter betrieben, aber das Volumen der Gaslieferungen durch sie wurde zunächst reduziert und dann aufgrund von Störungen eingestellt.

Die Gaspreise in Europa haben mit einem Anstieg reagiert, obwohl die beiden Pipelines nicht in Betrieb waren. Die November-Gas-Futures am niederländischen TTF-Hub stiegen bis 15:40 Uhr Moskauer Zeit um 9% auf 189,45 € pro 1MWh (2.400 $ pro 1.000 Kubikmeter), der Preis mit Abrechnung „morgen“ stieg um 9,47% auf 185 € pro 1MWh (2,35 $ pro 1.000 Kubikmeter).

[hrsg/russland.NEWS]

Video des dänischen Verteidigungsministeriums. Aufnahme Hubschraubergeschwader dänische Streitkräfte.

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