Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Russisches Leben – 1. Abreise von Kopenhagen

Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Russisches Leben – 1. Abreise von Kopenhagen

Aus: Russisches Leben in geschichtlicher, kirchlicher, gesellschaftlicher und staatlicher Beziehung. Nebst Reisebildern aus Russland während des ersten Erscheinens der Cholera.

Autor: Simon, Johann Philipp (?-?),

Erscheinungsjahr: 1855 Themenbereiche Politik, Gesellschaft, Wirtschaft  Russland Enthaltene Themen: Russland, Russen, russische Geschichte, Kopenhagen, Reisebericht, Freundschaft, Freund, Tod, Glauben, Religion, Christentum

Die Vermählung des damaligen Kronprinzen und jetzigen Königs von Dänemark, Friedrichs VII., versetzte die Bewohner der Residenz am Sunde in die freudigste Bewegung. Seit dieser Ort zur Stadt erhoben ist, seit 600 Jahren, entfaltete Kopenhagen wohl schwerlich solchen Aufwand, wie damals. Der Kammerherr von B. hatte mir die Gelegenheit verschafft, um den außerordentlichen Luxus des dänischen Hofes, sowohl während der Vorbereitung dieses Festes, als auch am Tage der Vermählung selbst ganz in der Nähe zu sehen und bewundern zu können; ja, vor tausend Andern war ich in den Stand gesetzt, an diesem allgemeinen Jubel ganz besonderen Anteil zu nehmen.

Ich war nie ein Misston im Chore irgend einer Freude oder eines allgemeinen Glückes; gern war ich immer froh neben und unter den Fröhlichen und Glücklichen; nur diesmal war es anders. Der Tod meines teuersten Freundes, der einige Tage vorher erfolgt war, hatte mich in die tiefste Betrübnis versetzt. Vergebens suchte der edle Herr von B. mich zu trösten und zu erheitern, indem er mich mitnahm in die Nähe, wo der glänzende Akt der Vermählung des Fürstenpaares vor sich ging; vergeblich war. Alles, was er anwandte, mich zu ermuntern: denn mir war überall, als lastete das Weh der ganzen Welt auf mir. Ach, wer je einen wahren Freund besessen, der weiß, was für ein Verlust es ist, ihn durch den Tod zu verlieren! „Mein Freund! mein liebster, bester Freund!“ so schreibt man oft in Briefen, so sagt man oft zu denen, die einem nicht einmal eine kleine Probe der Freundschaft bestanden und entehrt so das hohe, heilige Wort. Millionen kommen und verschwinden wieder von dem Schauplatze dieser Welt, ohne dass Einer von ihnen des höchsten Glückes im Leben, der Treue eines wahren Freundes teilhaftig geworden.

Früh gewöhnt an so mancherlei Leiden und an die Vergänglichkeit aller Güter dieser Welt, lernte ich auch frühzeitig Entsagung und den Blick richten auf das, was kein Tod uns entreißen kann und so würde ich mich, wie in alles Unvermeidliche, auch in das frühe Hinscheiden meines teuren Freundes, in den ewig unerforschlichen Ratschluss Gottes mit frommer Ergebung gefügt und den großen Verlust als ein Mann ertragen haben, hätten mich nicht bei der Betrachtung über das Leben und den Tod dieses tugendhaften Mannes giftige Zweifel ohnmächtig niedergedrückt. Ach, wie schwer ist es, ein wahrer Christ zu sein! Wenn der Tod, dieser große und schreckliche Abstand vom Leben, uns das Liebste und Teuerste auf Erden entreißt, da tritt ja das sicherste Kennzeichen eines wahrhaft christlichen Gemütes vor uns selbst und vor den Augen. Anderer klar zu Tage: es ist die demütige Ergebung in den Willen Gottes, der feste Glaube an die Versicherung des Heilands, dass der Tod nur ein Schlaf, ein Heimgang zum Vater ist und jene himmlische Ruhe, die nur in der Seele des Gläubigen wohnt und von keiner Trübsal dieser Erde gestört werden kann.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Russisches-Leben-1-Abreise-von-Kopenhagen

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