Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Die heutige Stadt Baku und die Naphtha-Industrie in ihrer Umgegend

Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Die heutige Stadt Baku und die Naphtha-Industrie in ihrer Umgegend

Aus: Russische Revue. Monatsschrift für die Kunde Russlands. Band X

Autor: Von W. Fabritius.,

Erscheinungsjahr: 1877

Denjenigen Lesern der Russischen Revue, die mit meiner Ansicht über die hohe Bedeutung, welche die Stadt Baku in Folge ihrer Lage für das Russische Reich notwendig in einer nahen Zukunft erhalten muss, übereinstimmen, werden einige nähere Mitteilungen über den gegenwärtigen Zustand der Stadt, die Naphtha-Industrie der Umgegend und den bekannten Feuertempel nicht unwillkommen sein. Bei dem fühlbaren Mangel an Monographien über interessante Punkte des russischen Reichs darf ich vielleicht sogar hoffen durch diese Skizze eine Lücke in dieser Literatur auszufüllen.

Wenn man, von Petrowsk oder Astrachan kommend, die südlichste Spitze der Halbinsel Apscheron umschifft hat, so erblickt man bald darauf die Stadt Baku in der Tiefe der Bucht. Ist das Wetter günstig, so bietet sich vom Meere aus dem Auge ein prächtiges Panorama. Die Stadt erhebt sich amphitheatralisch an den ziemlich steil ansteigenden Hügelketten des Ufers, und macht sich durch ihre weißgetünchten Häuser schon auf sehr weite Entfernungen hin bemerkbar. Zur Linken sieht man, getrennt von der Stadt, auf der Halbinsel Bailow eine russische Kirche, umgeben von Kasernen und Wohngebäuden. Es ist die Station der Kaspischen Marine. Zur rechten Hand ziehen sich im weiten Bogen dem Ufer entlang die rauchenden Schlote der Petroleumfabriken hin, ein ungewohnter Anblick in einer asiatischen Stadt. Weiter nach Links ruht das Auge mit Wohlgefallen auf einem isolierten, pittoresken, zweigipfligen Berge, bakinskije Uschi genannt, während man weiter zur Rechten die sanft-gewellte Silhouette der Apscheron’schen Halbinsel vor sich hat.

Höhere Berge schließen das Bild im Hintergrunde ab, während das smaragdgrüne Meer mit einer gelegentlichen Staffage von vorübereilenden Dampf- und Segelschiffen den Vordergrund bildet.

Der Wechsel der Jahreszeiten hat auf den landschaftlichen Charakter dieses Bildes fast keinen Einfluss, weil den umgebenden Höhen so gut wie jede Vegetation fehlt. Dem Nordländer sind solche kahle, sonnverbrannte Berge etwas Neues und sie machen auf ihn zuerst einen traurigen Eindruck. Indessen bieten doch die, durch die Luftperspektive bedingten, sanften Modulationen der Farben und der Beleuchtung dem Auge einigen Ersatz, und an Mangel der Vegetation muss sich der Reisende im Orient gewöhnen. Dieser ist hier durchgängig die Regel — eine üppige Vegetation Ausnahme.

Das Dampfschiff fährt an den wunderlich geformten und gefärbten Inseln Wulff und Nargin vorüber und legt endlich an der geräumigen Landungsbrücke der Gesellschaft „Kaukasus und Merkur“ an.

Dem Reisenden, welcher noch nie im Orient war, bietet die Stadt von hier aus einen eigentümlichen Anblick. Es befindet sich vor dem ältesten zentralen Teile derselben: vorne ein breiter neuer Quai, von neuen stattlichen in halb orientalischem Style gehaltenen Häusern umgeben, und dahinter das, sich terrassenförmig erhebende Gewirr der Häuser der tatarischen Bevölkerung, überragt von einigen Minaretten und, hoch oben vom alten Chanen-Schloss. Vor Allem aber prägt sich dem Gedächtnis ein großer, in der Nähe des Ufers stehender Turm, der Mägdeturm, ein.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Die-heutige-Stadt-Baku-und-die-Naphtha-Industrie-in-ihrer-Umgegend

COMMENTS