Moldawien: Situation Präsident contra Regierung spitzt sich zu

Ende letzten Jahres kündigte die die Regierung bildende Demokratische Partei (DP) Moldawiens die Ernennung von fünf neuen Ministern und zwei stellvertretenden Premierministern an.

Laut moldawischer Verfassung ist die Ernennung bzw. Entlassung der Minister Sache des moldawischen Präsidenten.

Präsident Dodon stimmte der Entlassung der alten Minister zu, weigerte sich jedoch die vorgeschlagenen neuen Minister zu ernennen, da einige Kandidaten, wie er sagte einen „zweifelhaften Ruf“ haben. Nach dem Gesetz hat der Präsident das Recht, eingereichte Kandidaten zweimal abzulehnen.

Darauf wandte sich eine Gruppe von Abgeordneten der DP an das Verfassungsgericht. Das Verfassungsgericht entschied, dass entweder der Premierminister oder der Parlamentspräsident den Präsidenten vorübergehend ersetzen darf, um neue Kabinettsmitglieder zu ernennen.

Wie der Pressedienst am Dienstag berichtet, wird der Parlamentspräsident, Andrian Kandu, anstelle von Präsident Igor Dodon die Dekrete über die Ernennung neuer Regierungsmitglieder unterzeichnen.

Präsident Dodon hält das Urteil des Verfassungsgerichts für illegal.

„Der Gerichtshof hat erneut seinen Ruf als gehorsames politisches Instrument bestätigt, aber nicht als Verfassungsorgan. Es ist ein beschämender und bedauernswerter Sturz für den Staat, der behauptet, demokratisch zu sein“, schrieb Dodon auf seiner Facebook-Seite und schwört, dass er nicht aufgibt und „die kompromittierten Minister“ nicht billigen werde.

Hintergrund

In Moldawien regiert seit 2009 eine Koalition pro-europäischer Parteien. Die Koalitionspräsidenten versprachen, keine Mühe zu scheuen, um die Republik Moldau in die Europäische Union zu führen. In ihrer Regierungszeit rutschte das Land jedoch in eine tiefe Wirtschaftskrise, sie wurde von Korruption und politischen Skandalen begleitet. Im Herbst 2015 brachen Massenproteste im Land aus, als die Regierung das Verschwinden von einer Milliarde Euro aus dem Bankensystem gestand. Unter dem Druck dieser Proteste stürzten zwei Regierungen und der ehemalige Premierminister Vlad Filat, der Vorsitzende der Liberal-Demokratischen Partei, die den Kern der Regierungskoalition bildete, wurde verhaftet und wegen Korruption verurteilt.

Moldawien liegt laut dem „Corruption Perceptions Index“, in dem 176 Länder aus allen Kontinenten aufgelistet sind, auf dem 128. Platz (zum Vergleich: Deutschland Platz 10).

Eine neue Koalition wurde von zwei anderen Mitgliedern der ehemaligen Koalition, den Demokratischen und Liberalen Parteien, und einer Reihe von Parlamentariern aus den Oppositionsparteien gebildet. Später wurde eine Reihe von hochrangigen Mitgliedern der Liberalen Partei, darunter der Minister für Verkehr Iurie Chirinciuc und Chisinaus Bürgermeister Dorin Chirtoaca, der Ghimpus Neffe ist, wegen Verdacht der Korruption verhaftet.

Die letzten Meinungsumfragen zeigen, dass mehr als 80% der Moldauer kein Vertrauen in die Regierung haben und die Zahl derer, die die Politik der engeren Beziehungen zur Europäischen Union unterstützen, ist seit 2010 von 70 auf 48 Prozent gesunken, trotz der Visa-Freiheit in die EU, während die Zahl derjenigen, die eine Integration in die Eurasische Wirtschaftsunion wünschen, auf 54 Prozent gestiegen ist.

Diese Stimmungen beeinflussten schon die Präsidentschaftswahlen im November 2016, die von Igor Dodon, dem Führer der Oppositionspartei der Sozialisten, gewonnen wurden. Er befürwortet eine engere Integration in die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU). Laut Meinungsumfragen sind mehr als 52% der Befragten bereit, für die Partei der Sozialisten zu stimmen, die damit die Mehrheit im Parlament hätte. Die Demokratische und die Liberale Partei, die die jetzige prowestliche Regierung bilden, würden aller Voraussicht nach nicht einmal die Sechsprozenthürde überspringen, wie Umfragen zeigen.

Die Enttäuschung der Bevölkerung über die Beziehung des Landes zur EU ist groß, da die wirtschaftlichen Erwartungen nicht eingetroffen sind. Einzig die Visafreiheit in die EU-Länder wird geschätzt, da sie den Moldawiern die Möglichkeit bietet (schwarz) in der EU zu arbeiten.

Laut einer Studie des World Economic Forum aus dem Jahr 2015 ist Moldau das Land mit der korruptesten Justiz der Welt. Zugleich wandern einer UN-Studie zufolge täglich 106 Menschen aus der Republik Moldau aus, um sich in einem anderen Land niederzulassen. Wenn dieser Emigrationstrend anhält, wäre die Republik Moldau bis 2100 laut der UN-Studie das Land der Erde mit dem dramatischsten Bevölkerungsrückgang.

[Hanns-Martin Wietek/russland.NEWS]

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