Mit Haute Cuisine gegen Hass: Sternekoch Alexander Wulf bleibt russischer Küche treu© TROYKA Team

Mit Haute Cuisine gegen Hass: Sternekoch Alexander Wulf bleibt russischer Küche treu

„Russische Küche mochte ich schon immer. Meine Mutter und meine Oma kochen eben Russisch, und ich verbinde die russische Küche mit meiner Kindheit“, sagt der im sibirischen Krasnojarsk geborene Sternekoch Alexander Wulf. Erst vor einigen Wochen erhielt er einen ersten Michelin-Stern.

Sein Gourmet Restaurant TROYKA im nordrhein-westfälischen Erkelenz bietet seinen Gästen auf russischer Tradition basierende Haute Cuisine. Russische Gerichte sind gar nicht so schwer und deftig wie mein allgemein meint, ist der passionierte Koch überzeugt. „Ich habe zum Beispiel herausgefunden, dass die Tradition der Menüfolge gar nicht französisch, sondern ursprünglich russisch war. „In Russland hat man in reichen Häusern der oberen Gesellschaftsschicht bis zu 24 Gängen serviert“.

In seiner Speisekarte kombiniert Alexander Russisch mit Französisch, oder sogar Russisch und Asiatisch. „Ich nehme den klassische Borsch auseinander und setze ihn neu zusammen, und jedes Mal schmeckt die Suppe anders. Und meine Gäste sagen, sowas haben sie noch nie gegessen. Darauf kommt es bei uns auch an – wir experimentieren und spielen auch mit Namen, so heißt zum Beispiel ein Gericht bei uns „Stör Moscow Mule“, als Anspielung auf den populären Cocktail. Dabei kommt der Kaviar aus Frankreich und der Stör aus Italien, schmunzelt Alexander. Vor dem schicksalhaften 24. Februar haben sie Maulbeeren, Sanddorn, getrockneten Fisch, Zedernkerne und einige Weinsorten aus Russland bezogen. Jetzt ist das nicht mehr möglich.

Das Publikum im TROYKA ist gemischt – Russen, Deutsche, Ukrainer gehen ein und aus. „Meine ukrainischen Freunde haben mich noch nie gefragt, wo ich herkomme oder wie ich zu dem stehe, was gerade in der Ukraine passiert“, erzählt der Chefkoch. Denn seine Position ist eindeutig: Es ist eine Tragödie. Doch scheinbar nicht alle gönnen einem russischen Restaurant und seinem Chef Erfolg. Nach dem Einmarsch der russischen Truppen bekam er Hassbotschaften. „Blut ukrainischer Kinder klebe an meinen Händen, ich wäre ein Kriegstreiber und mein Laden sei eine Schande“, Alexander schüttelt den Kopf. „Was wollen sie von mir, ich habe nicht einmal den russischen Pass, und habe natürlich auch nie Putin gewählt“. Von seinen 12 Mitarbeitern ist keiner Russe. „Wir repräsentieren die russische Küche und nicht die russische Regierung“. Man läuft auch nicht herum und fragt Amerikaner, wie sie zu Trump stehen, ansonsten würde man nicht bei McDonalds essen gehen. „Ich frage meinen türkischen Freund, bei dem ich Shisha rauche, auch nicht, wie er zu Erdogan steht“.

Als Alexander Wulf öffentlich über Anfeindungen sprach, kam über Instagram, Facebook und per Mail eine Welle der Unterstützung. „Wir schaffen es leider nicht, allen zu antworten, aber wir sind sehr dankbar dafür“, sagt er. Er hat offen und klar Position bezogen, auch weil seine russischen Landsleute ihn darum gebeten haben. Es kann nicht sein, dass Russen auf Grund ihrer Herkunft diskriminiert werden. „Ich muss das nicht machen, aber ich will die Menschen in Schutz nehmen. Hätte ich den russischen Pass, würde ich fünfmal aufpassen, was ich sage. Aber wenn sich keiner äußert, und alle sich klein machen und ducken, ist es auch gefährlich und es etabliert sich ein Feindbild“. Am schlimmsten findet er, dass sich das scheußliche Wort „Scheiß Russe“ Kinder mit russischen Wurzeln in den Schulen anhören müssen. Dass viele Lehrer damit überfordert sind, kann er verstehen. „Unverzeihlich wäre, wenn man darüber nicht sprechen könnte“.

Was auch passiert, Alexander Wulf steht dazu, russische Küche zu machen und die russische Tradition der Gastfreundlichkeit zu pflegen. Allerdings nach dem die Ereignisse eskalierten, gab es schon Überlegungen, das Konzept seines Restaurants zu ändern. „Wenn ich nur wirtschaftlich denken würde, würde ich jetzt ein französisches Restaurant aufmachen. Französische Küche kann ich sowieso am besten. Aber meine Jungs haben mich dabei gestärkt weiterzumachen. Vor allem Ronny, mein deutscher Geschäftspartner, war der größte Verteidiger der russischen Küche“, schmunzelt Alexander.  „Und ich bin sehr glücklich darüber. Und auch froh, dass wir in die Offensive gegangen sind und uns klar positioniert haben“, sagt er und schaut auf die Uhr. Es ist 17.30 Uhr am Freitag, und der Küchenchef muss ran. In 30 Minuten kommen die ersten Gäste, die sich auf exzellente russische Spezialitäten freuen, das Restaurant ist ausgebucht, und es muss alles absolut perfekt sein. Wie jeden Abend.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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