Merkels Mob in Kiew

In der ukrainischen Hauptstadt köpfen Regierungsgegner eine Lenin-Statue. Das nächste Mal sei der Präsident ihres Landes dran, skandiert der Mob. Von Deutschland bekommen die Kiewer Bilderstürmer Applaus.

Mit einem „Marsch der Million“ wollten die Gegner des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch am Wochenende an die „Orange Revolution“ des Jahres 2004 anknüpfen. Zahlmäßig wurde das Ziel verfehlt: Auf den Maidan-Platz im Zentrum von Kiew waren Beobachtern zufolge vielleicht Hunderttausend gekommen. Der Großteil der deutschen Medien gibt dennoch die von der Opposition behaupteten Angaben von 500.000 Demonstranten wider. Natürlich protestieren die immer „friedlich“, glaubt man den Berichten. Immer wieder auf allen Kanälen: Boxweltmeister Witali Klitschko, der nächster Präsident der Ukraine werden möchte – und dafür jetzt offiziell von Bundeskanzlerin Angela Merkel Unterstützung erhält.

Immer wieder auf allen Kanälen totgeschwiegen: Unterstützen läßt sich der in den deutschen Medien beliebte Hüne auch von der faschistischen „Swoboda“-Partei. Deren Schlägertruppe namens „Selbstverteidigung“ hat in den vergangenen Tagen unabhängige Gewerkschafter und linke Aktivisten verprügelt. Am Sonntag musste am Rande des „Millionen-Marsches“ in Kiew „ein prominenter Russe dran glauben“. So vermeldete der Nachrichtensender n-tv die Zerstörung einer 3,50 Meter großen Statue. Maskierte Unbekannte hatten dicke Stahlseile um eine Granitstatue des einstigen sowjetischen Staatschefs Lenin geworfen und das Denkmal zu Fall gebracht. Schreie wie „Weg mit dem Henker des ukrainischen Volkes“ seien rund um die gestürzte Statue zu hören gewesen, heißt es über die antirussische Stimmungsmache.

„Zufällig“ waren Kamerateams beim Bildersturm zugegen, „zufällig“ hatten „aufgebrauchte“ EU-Fans schwere Hämmer dabei, um den Russen zu zerlegen. Einer der „Handwerker“ trug einen Parka aus Bundeswehrbeständen mit Schwarz-Rot-Gold-Aufnäher am Ärmel. Die Bilder liefen in den Hauptnachrichtensendungen der BRD – über die Kulturzerstörung wurde wohlwollend berichtet wie auch sonst alle Protestformen in der Ukraine Sympathie finden die hierzulande die Polizei auf den Plan rufen.

Man muss Lenin nicht mögen, aber muss man die Schandtat eines aufgehetzten Mobs wirklich schönreden? Laut Internetportal „Euronews“ skandierten Regierungsgegner beim Lenin-Köpfen, „Janukowitsch, du bist als Nächster dran“. Man sollte Klitschkos Mannen ernst nehmen.

Die Gewaltszenen aus Kiew erinnern an den Sommer 1999 im Kosovo. Die Nato hatte Jugoslawien 78 Tage und Nächte lang bombardiert. Am Ende waren Belgrads Truppen zum Abzug aus der Provinz gezwungen. Die „westliche Wertegemeinschaft“ schickte zehntausende Soldaten in ihr neues Protektorat, mit ihr kam die albanisch-nationalistische „Kosovo-Befreiungsarmee“ UCK. Die feierte ihren „Sieg“ über die verhaßten „Besatzer“. In der Provinzhauptstadt Pristina holten Vandalen die schweren Bronze-Statuen serbischer Nationaldichter von ihren Sockeln. Unter begeistertem Applaus einer aufgeputschen „Danke Nato, Danke Nato“ skandierenden Menge stürzten die übergroße Büste von Vuk Karadzic und das Abbild des montenegrinischen Dichterfürsten und Geistlichen Njegos zu Boden. „Zufällig“ waren auch damals schwere Hämmer zum Zerlegen griffbereit.

Das Schleifen der serbischen Statuen war der harmlose Anfang einer Massenflucht: Noch in der Nacht flohen 300 Serben aus ihrer Stadt. Roma-Siedlungen wurden angezündet, Serben terrorisiert, Juden vertrieben. Am Ende sollten es mehr 200.000 sein, die im von der „westlichen Wertegemeinschaft“ befreiten Kosovo ihre Heimat auf Dauer verloren hatten.

Der albanische Furor wurde belohnt. Das Kosovo hat sich inzwischen einseitig für „unabhängig“ erklärt. Der Großteil der EU-Mitgliedsländer – allen voran Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich – erkannte die Sezession an und stellte Pristina als „potentieller Beitrittskandidat“ in Aussicht, irgendwann selbst Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Für letzteres streiten Klitschkos Partei „Schlag“ und „Swobodas“ Schläger.

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