Ullrich Umann, Moskau (gtai) – Die Absatzmöglichkeiten für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau in Russland trüben sich 2015 weiter ein. Damit setzt sich die Abwärtsspirale fort, die 2014, teilweise schon 2013 begonnen hat. Maschinenkunden melden zwar einen ungebrochen hohen Bedarf an.
Aus diversen Gründen können sie aber weniger in Deutschland ordern. Trotzdem bleiben deutsche Lieferungen in verschiedenen Sparten weitgehend alternativlos – Geschäftschancen bestehen daher weiterhin.
Marktentwicklung/-bedarf
Russland ist der weltweit siebtgrößte Absatzmarkt für Maschinen und Anlagen. Unter den wichtigsten Zielländern für deutsche Ausfuhren in dieser Sparte lag Russland noch 2013 auf dem vierten Platz.
Mit den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen des Jahres 2015 dürfte sich aber einiges zum Schlechteren wenden, zumindest vorübergehend. Auf der einen Seite haben die EUSanktionen die Liefermöglichkeiten des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus eingeschränkt, insbesondere bei Werkzeugmaschinen. Zudem sind die Refinanzierungsmöglichkeiten für die russische Bankenwirtschaft auf dem europäischen Kapitalmarkt beeinträchtigt, wodurch Kredite knapp und teuer wurden.
Auf der anderen Seite verringerten sinkende Ölpreise und damit wegbrechende Exporteinnahmen die Verfügbarkeit von Devisen. Dagegen hat sich der Wechselkurs des Rubels im Frühjahr 2015 im Vergleich zum Jahresende 2014 etwas erholt, was sich auch auf die Einfuhrpreise deutscher Maschinenbauprodukte auswirkt. Die Praxis zeigt jedoch, dass russische Maschinenkunden weiterhin Schwierigkeiten bei der Finanzierung haben.
Die Föderale Regierung in Moskau möchte aus Gründen der nationalen Sicherheit die Maschinennachfrage künftig aus alternativen Quellen befriedigen: Erstens sollen Sortimentserweiterungen in der heimischen Industrie Importe ersetzen. Zweitens sollen Geschäfte dort, wo ein Einfuhrbedarf fortbesteht, vorzugsweise mit Unternehmen aus Ländern abgeschlossen werden, die sich den Sanktionen der EU und der USA nicht angeschlossen haben.
Die verstärkten wirtschaftlichen Beziehungen zur VR China werden deutlich aufgezeigt. Die Anzahl der chinesisch-russischen Projekte steigt, unter anderem in der Bergbau- und Bahntechnik, in der Automobilsparte, aber auch im Maschinen- und Anlagenbau. Neben der VR China genießen weitere Maschinenbau-Länder die erhöhte Aufmerksamkeit Moskaus, darunter Korea (Rep.), Taiwan, aber auch die Schweiz. Eine spürbar stärkere Verzahnung erfolgt ebenfalls mit dem Maschinenbau in Belarus, unter anderem im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), die seit Jahresbeginn 2015 besteht.
Für deutsche Maschinenbauer verschärft sich die Wettbewerbssituation. Dennoch bleiben Geschäftschancen bestehen, wenn auch das Liefervolumen insgesamt abnimmt. Für eine Reihe von Maschinensparten sind deutsche Lieferungen weitgehend alternativlos. Dazu gehören unter anderen Ausrüstungen für die Öl- und Gasindustrie, Fluid- und Kontrolltechnik, Prozess- und Steuertechnik für verschiedenste Anwendungen, darunter für die chemische, petrochemische und Kunststoffindustrie und gleich mehrere Arten von Werkzeugmaschinen.
Bei einigen Maschinenarten steigt der Absatz sogar: Mit dem 2014 angekündigten Bestreben Russlands nach Autarkie bei der Erzeugung von Agrargütern und Lebensmitteln ist zum Beispiel die Nachfrage nach Landwirtschaftstechnik, Nahrungsmittel- sowie Verpackungsmaschinen gestiegen. Dazu gehören unter anderem Anlagen zur Verarbeitung von Milch und Fleisch. Gleiches gilt für die Kühl-, Transport- und Lagertechnik. Dies ist notwendig, um bislang lückenhafte Lieferketten vom Landwirt bis hin zum Verbraucher zu schließen.
Produktion/Branchenstruktur
Die Produktion von Maschinen und Ausrüstungen ist 2014 in Russland auf Vorjahresbasis um 7,8% eingebrochen. Damit zeigte der Maschinenbau das schlechteste Ergebnis von allen Industriebranchen. Vor allem der Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen um 2,5% hatte sich negativ auf die Nachfrage nach Maschinenbauerzeugnissen ausgewirkt.
Im Jahr 2015 wird sich die Konjunktur für den Maschinenbau weiter eintrüben. Allein im April ist die verarbeitende Industrie auf vergleichbarer Vorjahresbasis um 7,2% gesunken, nach einem Minus von 1,9% im März. Die Vorhersagen für die Bruttoanlageinvestitionen von -13,7% für das Gesamtjahr lassen für den Maschinenabsatz weiterhin nichts Gutes ahnen.
Das zuständige Industrie- und Handelsministerium setzt auf eine neue Industriepolitik. Fördermittel werden nicht mehr in die Breite gestreut, sondern auf strategisch wichtige Bereiche konzentriert – der Maschinen-, insbesondere der Werkzeugmaschinenbau, gehört dazu.
Ohne hochproduktive Werkzeugmaschinen aus Deutschland wird eine grundlegende Modernisierung des russischen Maschinenbaus nicht lückenlos zu bewerkstelligen sein. Zudem geht das Ministerium für Industrie und Handel davon aus, dass es mindestens fünf bis sieben Jahre dauert, bis Russland sein eigenes Maschinenbau-Portfolio einigermaßen zufriedenstellend ausgeweitet haben wird.
In diesem Zusammenhang wird ein Bedarf an Importmaschinen bis 2020 im Wert von 615 Mrd. Rubel (Rbl, 11,16 Mrd. Euro, 1 Euro = etwa 55,12 Rbl, Stand 20.5.15) angemeldet. Dabei sind deutsche Maschinen aufgrund ihrer Alleinstellungsmerkmale nicht ohne Weiteres durch Produkte aus asiatischer Fertigung ersetzbar.
Sollten sich deutsche Maschinenbauer zu Greenfield-Investitionen entschließen, um für öffentliche Beschaffungsmaßnahmen als inländischer Hersteller zugelassen zu werden, stoßen sie aktuell auf günstige Bedingungen. Es gibt eigentlich keine Region, die sich nicht um ansiedlungswillige Unternehmen bemüht. Problematisch bleibt aber die mangelnde Verfügbarkeit von Facharbeitern und Zulieferbetrieben.
Als erster deutscher Hersteller von Werkzeugmaschinen hat sich DMG Mori Seiki in Uljanowsk niedergelassen und firmiert dort fortan als Ulyanovsk Machine Tools OOO. Die offizielle Werkseröffnung soll im September 2015 stattfinden. Nach Unternehmensangaben wurden von 2011 bis 2015 etwa 100 Mio. Euro in das neue Werk investiert. In Serie sollen dort die Maschinentypen ecoTurn 310, ecoMill 635 und ecoMill 1035 gehen.
Außenhandel
Trotz des Rückgangs der deutschen Maschinen- und Anlagenexporte 2014 um 17,0%, nach einem ersten Rückgang um 3,5% im Jahr zuvor, treffen Hersteller ausgewählter Maschinenarten aus Deutschland auf Geschäftsmöglichkeiten: So haben sich 2014 die Einfuhren unter anderem folgender Maschinenarten aus Deutschland – gegen den Trend – erhöht:
Spanende und abtragende Werkzeugmaschinen (+6,8%), Bearbeitungszentren/Mehrwege- und Transfermaschinen (+42,9%), Verzahn- und Zahnfertigbearbeitungsmaschinen (+58,8%), Schleif-, Hon-, Läpp- und Poliermaschinen (+17,1%), andere spanende Metallbearbeitungsmaschinen/ einschließlich Bearbeitungseinheiten auf Schlitten (+343,8%) Pressen (+54,2%), Teile für Werkzeugmaschinen (+0,9%), Teile für spanende und abtragende Werkzeugmaschinen (+17,2%), Hütten- und Walzwerkseinrichtungen (+40,3%), Materialprüfmaschinen (+0,3%) und Auswuchtmaschinen (+73,2%) (Aufzählungen nicht vollständig).
Starke bis sehr starke Rückgänge waren jedoch bei anderen Maschinenarten zu verzeichnen, darunter: Drahtbe- und -verarbeitungsmaschinen (-79,7%), Scheren, Lochstanzen und Ausklinkmaschinen (-72,6%), Nichtelektrische Industrieöfen (-64,7%), Prüfstände (-39,9%) (Aufzählungen nicht vollständig).
Speziell bremsen 2015 folgende Sachverhalte die deutschen Maschinenlieferungen: Sanktionen der EU und der USA, teure und schwer erhältliche Kredite in Russland (fehlende Refinanzierung russischer Banken auf den internationalen Kapitalmärkten), Haushaltsengpässe auf allen Verwaltungsebenen, nationale Lieferbindungen bei öffentlichen Ausschreibungen und die Bevorzugung von Firmen aus politisch neutralen Lieferländern.
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