Herr Isvolskiy, kann man eigentlich das Russische Haus mit dem Goethe-Institut vergleichen?
Ganz genau. Wenn der Vertrag des Goethe-Instituts mit Russland seine Rechte und Pflichten festschreibt, so ist es mit unserer Einrichtung genauso. Und wir werden auf die gleiche Weise finanziert wie das Goethe-Institut – nämlich aus dem Staatshaushalt.
Das Russische Haus gibt es seit über 30 Jahren!
Ja, 1984 wurde das Haus eröffnet; damals hieß es noch „Haus der sowjetischen Wissenschaft und Kultur“. Aber im Prinzip sind unsere Aufgaben dieselben geblieben, obwohl wir zuvor in der DDR tätig waren: die Förderung und Popularisierung der russischen Sprache sowie kulturelle und wissenschaftliche Interaktion zwischen unseren Ländern. Auch 37 Jahre später bauen wir also immer noch kulturelle Brücken zwischen Russland und Deutschland.
Wie genau tragen Sie zur Popularisierung der russischen Sprache bei?
Wir bieten natürlich Russischkurse an, und wir haben auch ein College, in dem Schulfächer auf Russisch unterrichtet werden. Mit anderen Worten: Wir sind, wie auch das Goethe-Institut, eine Lernplattform. Zweimal im Jahr veranstalten wir Prüfungen, bei denen Erwachsene und Schüler Zertifikate des Puschkin-Instituts für Russisch bekommen können.
Die Einstellung zu Russland heute ist, gelinde gesagt, nicht besonders positiv. Wie wirkt sich dies auf Ihre Tätigkeit aus?
Eigentlich ganz und gar nicht. Wir spüren keine negativen Auswirkungen auf den kulturellen Bereich der Zusammenarbeit. Die Besucher, sowohl Russen als auch Deutsche, kommen immer noch gerne zu uns. Zu den Besuchern gehören Menschen, die ein gutes Gefühl für unser Land haben, aber auch solche, die wenig darüber wissen und mehr erfahren wollen.
Aber grundsätzlich ist das Interesse an der russischen Sprache in Deutschland rückläufig.
Da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Bundesländern. Vor einigen Jahren wollte die Universität Leipzig zum Beispiel ihren Fachbereich Russische Sprache schließen, aber soweit ich weiß, gibt es ihn immer noch. Natürlich sind wir uns bewusst, dass wir nicht an der Spitze der Interessenskala stehen. Aber es ist gerade unsere Aufgabe, Russisch zu popularisieren. Aus diesem Grund organisieren wir Veranstaltungen für Russischlehrer. Im November werden wir zum Beispiel die traditionelle Woche der russischen Sprache veranstalten, die Russischdozenten und Lehrer aus ganz Deutschland und sogar aus anderen europäischen Ländern zusammenbringen wird. Wir spüren also keinen Rückgang des Interesses, im Gegenteil. Natürlich hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Wir haben allerdings ein Online-Format angeboten und dadurch auch die Geographie unserer Russischlernenden erweitert. Jetzt kommen nicht nur Berliner oder Menschen aus Brandenburg zu uns.
Kooperieren Sie auch mit der Stadt Berlin?
Im Jahr 2017 haben wir eine Kooperationsvereinbarung mit der Senatsverwaltung für Bildung und Familie unterzeichnet. Immerhin gibt es in Berlin zwei städtische (also nicht private) Schulen, die Russisch unterrichten. Dieses Dokument wurde unterzeichnet, um die Lehrer dieser Schulen zu unterstützen, damit sie ihre Qualifikationen bei uns verbessern können. Übrigens planen wir, ähnliche Vereinbarungen mit anderen Städten und Bundesländern zu unterzeichnen. Wir verhandeln derzeit mit dem Land Brandenburg.
Erzählen Sie uns von den interessantesten Projekten im Russischen Haus.
Wenn die Pandemie nicht wäre, würde ich wahrscheinlich mehrere Stunden lang über unsere Projekte und Veranstaltungen sprechen. Vor der Krise hatten wir bis zu 30 Veranstaltungen pro Monat, also praktisch jeden Tag. Unter Einhaltung aller Pandemievorschriften beginnen wir nun langsam mit der Umsetzung unseres Kulturprogramms. Das erste, das eröffnet wurde, war unser Kino, das übrigens mit der neuesten Technik ausgestattet war. Wir eröffnen also eine Woche mit Verfilmungen von Fjodor Dostojewskijs Erzählung „Weiße Nächte“. Denn 2021 ist das Dostojewski-Jahr in Deutschland. Es werden nicht nur russische Filme gezeigt, sondern auch Filme aus Indien oder den USA. In dieser Woche eröffnen wir außerdem zwei Ausstellungen mit Grafiken aus Russland und den USA, ebenfalls zum Thema Dostojewskij, dessen 200. Geburtstag wir gedenken. Bis jetzt läuft bei uns auch eine Ausstellung über Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltraum. Für das nächste Jahr planen wir eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Peter und Katharina – Russland und Deutschland“. Schließlich war Peter der Große oft in Deutschland, und Katharina die Zweite ist bekanntlich Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst.
Bereiten Sie auch etwas für Weihnachten und das Neujahrsfest vor?
Wir halten normalerweise große Weihnachtsfeste für Kinder, die bei uns Jolka-Feste heißen (zu Deutsch Weihnachtsbaumfest). Diese Tradition ist fast genau so alt wie das Russische Haus selbst. Das Museum Europäischer Kulturen hat in einer Ausstellung, die dem Thema Weihnachten gewidmet ist, speziell über unsere Jolka-Feste berichtet. Leider konnten wir im letzten Jahr wegen der Pandemie keine Künstler aus Russland einladen. Wir haben uns jedoch entschlossen, aus dieser Situation das Beste zu machen – wir haben einen schönen Weihnachtsbaum direkt auf der Friedrichstraße aufgestellt, die vorläufig zur Fußgängerzone erklärt wurde. Das erregte viel Aufmerksamkeit bei den Berlinern. Wir hoffen, dass wir auch die Aufführungen des Balletts „Der Nussknacker“ zusammen mit der Staatlichen Ballettschule Berlin durchführen werden. Wussten Sie übrigens, dass die Tradition des Weihnachtsbaums aus Deutschland, genauer gesagt aus Potsdam, nach Russland gebracht wurde? Prinzessin Charlotte von Preußen, die den späteren Zaren Nikolaus I. heiratete, stellte 1817 in St. Petersburg erstmals einen solchen Baum auf. Dann verbreitete sich die Tradition, aber selbst in Puschkins Kindheit gab es zu Weihnachten noch keinen Tannenbaum. Soweit zum Thema Kulturbrücken zwischen Russland und Deutschland.
Daria Boll-Palievskaya
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