„Kümmert euch selbst darum!“: Hohe russische Staatsbeamtin greift Wähler verbal anNatalia Komarowa - © Council.gov.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=74320969

„Kümmert euch selbst darum!“: Hohe russische Staatsbeamtin greift Wähler verbal an

„Soll ich etwa Paläste für streunende Tiere bauen und dann alles instandhalten? Habt ihr noch nicht genug? Es tut mir leid, wenn ich hart bin, aber ehrlich gesagt, ich habe es satt! All diese Fragen. Ist es mein Hund, habe ich ihn etwa weggeworfen? Ihr seid das. Ihr habt ihn weggeworfen! Jetzt kümmert euch doch selbst darum!“

Mit diesen Worten reagierte die Gouverneurin von Jugra (das ist ein Kreis in Westsibirien), Natalia Komarowa von der Kreml-Partei „Einiges Russland“, bei einem Treffen mit Einwohnern der Stadt Njagan auf Beschwerden darüber, dass es in der Stadt kein Entkommen vor den riesigen Rudeln streunender Hunde gibt.  Eine Anwohnerin sagte, dass die städtischen Dienste ihre Anfragen bezüglich eines streunenden Hundes ignoriert hätten. Komarowa bombardierte sie mit Kritik.

Streunende Hunde sind in Russland ein großes Problem. Im April dieses Jahres wurde in Saratow eine zwölfjährige Schülerin von einem streunenden Hund angegriffen. Zuvor hatte ein Rudel streunender Hunde ein Kind in Orenburg zu Tode gebissen. In Russland wurde ein sogenanntes ESIW-Programm verabschiedet: Einfangen, Sterilisieren, Impfen und wieder auf der Straße aussetzen. Das geltende Gesetz erlaubt die Tötung nur, wenn das Tier schwer leidet. Doch die Debatte über dieses Programm lassen nicht nach; in vielen Teilen des Landes funktioniert es offensichtlich nicht. Im April 2023 wurde in der Staatsduma ein Gesetzentwurf eingebracht, der es den regionalen Behörden erlauben würde, selbst zu entscheiden, was mit streunenden Tieren zu geschehen hat.

Die Antwort von Gouverneurin Komarowa löste einen Sturm der Entrüstung unter den Russen aus. So schrieb ein Nutzer des russischen sozialen Netzwerkes VK:

„Das war eine elegante Antwort für alle Parteimitglieder der Partei Eigenes Russland: Nehmt sie zu Herzen.

– Diebe rauben Wohnungen aus? Ihr seid es, die stehlen! Fangt bei Euch selbst an!

– Alte Menschen haben niedrige Renten? Ich bezahle sie? Das kommt von euren Steuern! Verdient mehr!

– Kindersterblichkeit? Bringe ich sie um? Fangt bei Euch selbst an!

– Arbeitslosigkeit? Ihr seid doch derjenigen, der keine Arbeit haben, ich aber schon. Fangt bei Euch selbst an.

– Kein Krebszentrum? Bin ich etwa diejenige, die allen einen Tumor verpasst? Das liegt an eueren Genen und am Palmöl. Fangt bei Euch selbst an!“

Bereits im Januar 2023 war Komarowa in die Schlagzeilen geraten. Während einer Sitzung, bei der sie dachte, das Mikrofon sei ausgeschaltet, spielte sie auf Korruption an, als sie die Gründe für die ständigen Verzögerungen beim Bau von Einrichtungen in der Region, darunter ein Krankenhaus in der Stadt Nischnewartowsk, erläuterte.

Die bekannte Journalistin Xenia Sobtschak kommentierte auf ihrem YouTube-Kanal das Kommunikationsniveau der Gouverneurin: Sie spreche mit den Menschen in „bester sowjetischen Tradition“. Natalia Komarowa scheint die lange Liste russischer Beamter fortzusetzen, die zunehmend gegenüber ihren eigenen Wählern Respektlosigkeit demonstrieren. Darüber hat russland.NEWS bereits mehrfach berichtet. So bezeichnete die Pressechefin des Gouverneurs der Region Irkutsk Menschen vor einigen Jahren als „Vieh und Gesindel“; die Chefin des Dezernats für Jugendpolitik des Swerdlowsker Gebiets beschwerte sich, dass die Finanzierung von Jugendprojekten den Staat sehr viel kosten würde, mit den an die Betroffenen gerichteten Worten: „Der Staat schuldet euch gar nichts“.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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