Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Russlands Wohnungsbau wird 2015 stagnieren. Öffentliche Vorhaben sollen den drastischen Rückgang privater Bauinvestitionen zumindest teilweise auffangen. Dies schließt Apelle oder gar Vorschriften ein, auf dem Bau Produkte mit dem Label „Made in Russia“ zu bevorzugen. Ein generelles Importverbot für Baumaschinen und Baumaterialien ist jedoch nicht geplant. Deshalb bestehen für deutsche Unternehmen weiterhin Lieferchancen.
Der Wert der Bauinvestitionen ist 2014 auf Vorjahresbasis um 4,5% auf knapp 6 Billionen Rubel (etwa 118 Mrd. Euro, 1 Euro = 50,5 Rubel, Jahresdurchschnittskurs für 2014) gesunken. Dies geht aus den Zahlen des Föderalen Statistikdienstes Rosstat hervor. Durch die Fertigstellung der Bauten für die Olympischen Winterspiele in Sotchi fielen die Bauinvestitionen Vergleich zum Vorjahr geringer aus. Hinzu kamen die Eintrübung der allgemeinen Wirtschaftslage infolge der Ukraine-Krise und das weitgehende Ausbleiben von Auslandsinvestitionen.
Für 2015 ist von weiteren Einbrüchen der Baukonjunktur auszugehen, wegen der finanziellen Schwäche der öffentlichen Hand. Bei Bauvorhaben von strategischer Bedeutung wird die föderale Regierung versuchen, das Tempo und den Finanzierungsumfang weitgehend aufrecht zu erhalten. Dazu gehören unter anderem der Weltraumbahnhof Wostotschny im Gebiet Amur und die Vorbereitungsarbeiten für die Fußball-WM 2018, auch wenn für letztere „Optimierungen“ (sprich: Kürzungen) angekündigt wurden.
Das Bauministerium schlägt vor, zur Kostendämpfung den Einkauf von Baustoffen, Baumaterial und Bautechnik für alle WM-Objekte zu zentralisieren. Dadurch könnten Mengenrabatte besser durchgesetzt werden und Synergien entstehen. Doch zeichnet für die WM-Vorbereitung nicht allein das Bau- sondern auch das Sportministerium verantwortlich.
Nationale Umweltstandards für Sportobjekte
Inzwischen wurden für den Bau der WM-Stadien eigene nationale Umweltstandards verabschiedet und dem Vernehmen nach durch die FIFA bestätigt. Projektanten können daher nicht mehr die Standards LEED und BREEAM zugrunde legen. Die neuen russischen Standards orientieren sich an den Schlussfolgerungen, die beim Bau der Objekte für die Olympischen Winterspiele in Sotschi gemacht wurden. Projektierungsbüros und Baukonzerne mit Olympiaerfahrungen besitzen somit einen Wissensvorsprung.
Die Umweltstandards haben unmittelbare Auswirkung auf die für den Sportstättenbau zu verwendenden Materialien und Ausrüstungen. Die Ökostandards regeln unter anderem die höchstmöglichen Umweltbelastungen während der Bauphase, Obergrenzen für den Wasser- und Stromverbrauch sowie Maßnahmen zur Wasserreinhaltung und Müllentsorgung. Auch Standards für die Klima- und Belüftungstechnik wurden erlassen.
Fußball-WM 2018 fällt weniger aufwändig aus
Am 6.4.2015 informierte die Regierung die Öffentlichkeit über einen Erlass zur Kostendämpfung bei den WM-Vorbereitungen. Es sollen 27 Mrd. Rubel (0,45 Mrd. Euro, 1 Euro = 60,55 Rubel, Stand: 7.4.15) eingespart und so die Gesamtausgaben für die WM auf 637 Mrd. Rubel (10,52 Mrd. Euro) gedrückt werden. Davon werden aus dem Föderalhaushalt 336 Mrd. Rubel (5,55 Mrd. Euro) beigesteuert.
Dem Rotstift fällt der Bau von 25 Hotels zum Opfer. Allein 14 Hotels werden in Wolgograd, Kaliningrad, Rostow-am-Don, Saransk und Nischni Nowgorod wegfallen. Andere Hotels werden von um einen Stern herab gestuft, um den Bau weniger aufwändig zu gestalten.
Die Moskauer Stadtregierung will ihrerseits die Fertigstellung des Zentralstadions Luschniki von 2017 auf 2016 vorziehen, um dadurch Zinszahlungen einzusparen. Andere WM-Stadien werden weniger pompös ausgestaltet. In Rostow am Don soll der Bauwert von 20 Mrd. auf 17 Mrd. Rubel gedrückt werden.
Private Investoren warten ab
Aber nicht nur die öffentliche Hand, auch private Investoren treten 2015 kürzer. Gemäß einer Befragung, die der Föderale Statistikdienst Ende 2014 unter 22.000 Unternehmen aller Art durchgeführt hat, wurde die nachlassende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen als die größte betriebswirtschaftliche Herausforderung bezeichnet. Dies gaben 63% der Handelsfirmen, 49% der Industriebetriebe und 44% der Bauunternehmen an.
Investoren aus dem Ausland werden im Hochbau besonders rar. Interesse bekunden aber Staats- und Investitionsfonds aus der Golfregion und Unternehmen sowie Finanzinstitute aus der VR China. Sie engagieren sich in der Regel bei öffentlich-privaten Projekten (PPP), bei denen die öffentliche Hand für die Rückzahlung der getätigten Investition und für die Auslastung des zu bauenden Objektes bürgt.
Auslandskapital interessiert an Public Private Partnerships
So führt die Stadtregierung von Moskau Verhandlungen mit dem chinesischen Unternehmen CRCC und dem China International Fund. Konkret geht es dabei um den U-Bahnbau im geplanten Stadtviertel „Neues Moskau“, das durch eine Verdoppelung des Stadtgebiets im Südwesten entstehen wird. Zusätzlich soll sich die chinesische Dalian Wanda Group für die Umgestaltung des ehemaligen Automobilwerks ZIL in einen Wohn-, Kultur- und Geschäftsbezirk interessieren. Fonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten verhandeln dem Vernehmen nach über eine Beteiligung am Bau des zentralen Autobahnrings ZKAD um Moskau herum.
Bau von Gewerbeimmobilien rückläufig
Der Bau von Gewerbeimmobilien ist 2015 rückläufig, berichten die Experten von Knight Frank Research. Bereits laufende Vorhaben, beispielsweise zum Bau von Einkaufszentren, werden zwar fortgeführt. Doch sind Baustarts für neue Zentren nur noch in geringer Zahl zu erwarten. Projektentwickler und andere Investoren werden ihre ursprünglich angekündigten Pläne zum Bau von Handelsflächen 2015 um 30 bis 60% nach unten korrigieren. Statt der ursprünglich geplanten 2,6 Mio. qm Handelsfläche werden nur zwischen 1,0 Mio. und 1,8 Mio. qm übergeben. Alle restlichen Projekte liegen auf Eis.
Einzelhandelsketten expandieren in die Regionen
Eine Ausnahme bildet der Bau von Lagerflächen und von Super-/Hypermärkten in mittelgroßen und kleinen Städten. In diese Regionen rücken inzwischen landesweit operierende Einzel- und Großhandelsketten (teils mit ausländischen Kapitalanteilen) vor.
Zwar leidet der Einzelhandel generell unter Umsatzrückgängen und den sinkenden Realeinkommen der Bevölkerung. Doch verdrängen große Einzelhandelsketten über Expansion in die Fläche dortige Kleinhändler. Praktisch werden Marktanteile bei Einzelhandelsdienstleistungen zum Nachteil kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) und zu Gunsten von Handelskonzernen umverteilt. Für die Bauwirtschaft bringt das für eine bestimmte Zeit Aufträge zur Durchführung von Modernisierungsarbeiten und zum Bau großflächiger Super- und Hypermärkte.
Wohnungsbau erhält schwache Impulse
Vom Großprojekt „Neues Moskau“ gehen positive Impulse für den Wohnungsbau aus. Zu den Positivfaktoren gehören auch die leichte Senkung des Leitzinses von 18 auf 14% (Stand: 16.03.2015), staatliche Zinssubventionen für Hypothekarkredite (Effektivzins: 12%) sowie die Befreiung von der Mehrwert- und Gewinnsteuer beim Bau sozialer Objekte. Generell bleiben die Zinsen aber auch mit diesen Maßnahmen recht hoch.
Deshalb wird der Wohnungsbau 2015 stagnieren. Die Etalon Group, einer der wichtigsten Projektentwickler in Sankt Petersburg, kündigte an, dass sie mit 500.000 qm neuer Wohnfläche in den Großräumen Moskau und Sankt Petersburg 2015 einen Mengeneinbruch im Vergleich zum Vorjahr um 13% zu verkraften hat. Hier wirken sich der Nachfragerückgang und die sinkende Kaufkraft der Bevölkerung aus.
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