„Kollektive Schlamperei“ oder wie kleine Fehler zur Medienkeule mutieren

Wir berichteten am 7. April in dem Artikel ‚Blitzantwort mit Raketen‘ über die völkerrechtswidrige Bombardierung einer syrischen Luftwaffenbasis durch US-Raketen. Dabei bezogen wir uns auf Aussagen des namhaften Nahostexperten Michael Lüders, Präsident der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft als Nachfolger des 2014 verstorbenen Peter Scholl-Latour.

Aus der ZDF-Sendung Lanz zitierten wir seine Aussage, dass das bei dem Giftgasangriff vom 4. April in der Nähe der der syrischen Stadt Chan Scheichun benutzte Gas aller Wahrscheinlichkeit nicht von Assad stamme, sondern von selbst ernannten syrischen „Rebellen” – höchstwahrscheinlich von der Nusra-Front.

Lüders kritisierte in diesem Zusammenhang die deutschen Medien scharf, weil sie nicht über die Hintergründe des Giftgas-Skandals berichteten, sondern stets die Aufrechterhaltung des Feindbilds Assad bedienten. Wegen einer seiner Aussagen steht Lüders nun selbst in der Kritik. Gegen deren Auswüchse wehrt er sich mit einer Pressemitteilung auf der Webseite der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft.

In besagter Talkshow versagte Lüders die präzise Erinnerung und er verwechselte einen Namen. Eine bewusste Täuschung? In dem Zusammenhang kann das seiner Botschaft „allen Parteien zuzutrauen“ nichts hinzufügen. Für diesen Irrtum hat sich Lüders entschuldigt. Weiter räumt er im Rückblick selbstkritisch ein, dass er in der Sendung „Markus Lanz“ vom 5. April 2017 bei der Beurteilung, ob der Giftgasanschlag von Ghouta bei Damaskus im August 2013 ein „Angriff unter falscher Flagge“ war, statt von einer „gewissen Wahrscheinlichkeit“ von einer „sehr hohen Wahrscheinlichkeit“ gesprochen habe.

Ein kleiner Fehler und eine unpräzise Formulierung – das war’s, was man dem renommierten Experten nachweisen und ankreiden könnte. Doch auf dieser Basis erwuchs eine „pauschale Diffamierung“. Die Bildzeitung bezichtigte den „Fake News Verbreiter“ der „Lüge“, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sah in den Äußerungen „totalen Unsinn“, Anne Will stellt ihn fesch als Politik- und Wirtschaftsberater sowie nicht-neutralen Nahost-Experten vor und die Welt munter draufloslabernder Assad-Apologet.

Mit Unterstützung des ARD-Faktenfinder schaffte die Bildzeitung den Sprung zu Putin. Im Kreml habe sich „der große Manipulator Putin die Hände“ gerieben, nachdem Lüders „von Russland verbreiteten Fake News eine Bühne“ bei Lanz geboten habe. So schnell wird man als Direktor der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft in die „fünfte Kolonne“ Moskaus entsorgt. Sowohl in seinem Buch als auch bei seinen Auftritten betont er stets, „dass Assad ein brutaler Verbrecher ist, der Teile seines Volkes mit extremer Grausamkeit bekämpft“.

Die Meldung, dass Lüders bei Lanz „Unsinn“ geredet habe, verbreitete sich schnell in deutschen Medien weit. Allerdings kam es hierbei gleich auf verschiedenen Seiten zu Missverständnissen und Ungenauigkeiten. Stefan Winterbauer sieht im journalistischen Fachmagazin meedia.de drei Mächte am Werk, die dieses Unwesen im deutschen Medienbetrieb ermöglichen:

„Wie so oft steckt dahinter wohl keine konzertierte Kampagne sondern eine ungute Mixtur aus Missverständnissen und Herdentrieb. Die Ergebnisse solch kollektiver Schlamperei sind von außen betrachtet denen einer Kampagne dann nicht unähnlich“, analysiert Winterbauer.

Wer den denkwürdigen Auftritt des Chefredakteurs der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, am 10. April in der Talkshow ‚Hart aber Fair’ gesehen hat, weiß dass hier kein Journalist agiert, dessen ureigenste Aufgabe in der unvoreingenommenen Vermittlung von Informationen besteht, sondern vielmehr der Propagandist einer transatlantischen Kriegspartei seine politischen Ansichten verbreitet – ein Schreihals im Kampf mit seinen Widersachern um die Deutungshoheit.

Immer noch nicht ist geklärt, ob vielleicht doch das Assad-Regime für die Giftgasangriffe verantwortlich ist. Auch Lüders weiß das nicht. Haben die USA den Giftgaseinsatz benutzt, um sich wieder als Mitspieler im Syrien-Konflikt zu etablieren? Cui bono? Assad bestimmt nicht. Seinen Widersachern lieferte er damit einen Casus Belli.

[hub/russland.NEWS]

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