Kissinger über Gefahr des Dritten Weltkrieges

Kissinger über Gefahr des Dritten Weltkrieges

Der frühere US-Minister Henry Kissinger, bald 100 Jahre alt, schrieb einen Artikel für die britische Wochenzeitung TheSpectator, in dem er erörtert, wie er den zukünftigen Frieden zwischen Russland und der Ukraine sieht. In seiner Analyse „Wie man einen weiteren Weltkrieg vermeiden kann“ mahnt er beginnend mit Ersten Weltkrieg („eine Art kultureller Selbstmord, der die Bedeutung Europas zerstörte“) über den „Strafvertrag von Versailles (der sich als weitaus brüchiger erwies als die Struktur, die er ersetzte“) alle Beteiligten, „auf den bereits vollzogenen strategischen Veränderungen aufzubauen und sie in eine neue Struktur zu integrieren, um Frieden auf dem Verhandlungswege zu erreichen“.

 Als wichtigste Punkte kann man zusammenfassen:

1️. Der Friedensprozess muss die Ukraine an die Nato binden, Neutralität macht keinen Sinn mehr

 2️. Bis zum 24. Februar sollte eine Waffenstillstandslinie entlang der Grenzen eingerichtet werden.

3️. Russland wird seine Eroberungen aufgeben, nicht aber die Gebiete, die es vor dem 24. Februar kontrolliert hat, einschließlich der Krim. Über dieses Gebiet könnte nach dem Waffenstillstand verhandelt werden.

4️. Wenn die Vorkriegsgrenze zwischen der Ukraine und Russland weder durch Feindseligkeiten noch durch Verhandlungen erreicht werden kann, kann man sich auf den Grundsatz der Selbstbestimmung berufen und international kontrollierte Volksabstimmungen über besonders zersplitterte Gebiete durchführen, die im Laufe der Jahrhunderte wiederholt den Besitzer gewechselt haben.

5️. Der Friedensprozess sollte zwei Ziele verfolgen: die Wiederherstellung der Freiheit der Ukraine und die Festlegung einer neuen internationalen Struktur, insbesondere für Mittel- und Osteuropa. Letztendlich sollte Russland seinen Platz in dieser Ordnung finden.

6️. Russland hat mehr als ein halbes Jahrtausend lang entscheidend zum globalen Gleichgewicht und zur Machtbalance beigetragen, seine historische Rolle sollte nicht geschmälert werden. Der Zusammenbruch Russlands oder die Zerstörung seiner Fähigkeit, eine strategische Außenpolitik zu betreiben, ist inakzeptabel.

Der Artikel von Kissinger endet mit dem Satz: „Der Weg der Diplomatie mag schwierig und frustrierend erscheinen. Aber es braucht sowohl eine Vision als auch Mut, sie zu verfolgen.

Für den russischen Journalisten Pawel Prjannikow ist es kein Zufall, dass Kissinger diese Formulierung am Ende stehen lässt: „Es ist offensichtlich, dass die herrschenden Kreise aller beteiligten Parteien weder die Vision noch den Mut haben, den sinnlosen Brudermord zu beenden und sich an den Verhandlungstisch zu setzen.“

Die wichtigste Einstellung des „einflussreichen amerikanischen Fuchses Kissinger“ sei aber, dass „die USA Russland wieder ‚geeint und unteilbar‘ zurücklassen müssen. Selbst wenn Russland verliert. Wie schon 1991, als sie Russland leicht in 20 oder 30 Staaten hätten zerlegen können“, so Prjannikow.

Ihm zufolge dürften Kissingers Thesen einem großen Teil der herrschenden Klasse in Russland gefallen. „Das Land hat in der Geschichte viele Kriege verloren und dabei die Grundlagen des Establishments beibehalten, daran ist nichts falsch, versucht Kissinger, unseren Vorgesetzten diese Botschaft zu vermitteln. Auch wenn die unbedarfte Propaganda in Russland unterstellt, dass die USA angeblich den Zerfall Russlands wollen. Nein, ein kollabiertes Russland würde das Gleichgewicht der Kräfte in Nordeurasien zu sehr stören, das braucht Amerika nicht.“

Der Berater des ukrainischen Präsidenten Michail Podoljak reagierte auf den Friedensvorschlag von Kissinger: „Das Rezept, das der Ex-Außenminister fordert, aber nicht laut auszusprechen wagt, ist einfach: Den Angreifer zu besänftigen, indem ein Teil des Territoriums der Ukraine geopfert und Garantien für Nichtangriffe auf andere Staaten Osteuropas erhalten werden“, so Podoljak.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow sagte , dass der Kreml die Ideen von Herrn Kissinger mit Interesse studieren werde.

Im Mai hatte Henry Kissinger in einer Rede in Davos die Ukraine aufgefordert, den Versuch, die russischen Truppen zu besiegen, einzustellen und zu den Verhandlungen zurückzukehren.

[hrsg/russland.NEWS]

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