Der russische Gesundheitsminister Michail Muraschko forderte seine Landsleute auf, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, denn „das Auf-gut-Glück-Prinzip wird in dieser Situation nicht funktionieren“. Der Aufruf des Ministers zur Impfung kommt nicht von ungefähr. Obwohl die Massenimpfung in Russland bereits Mitte Januar vorigen Jahres begonnen hat und gleich mehrere Impfstoffe (Sputnik V, Sputnik Light, EpivacCorona, CoviVac) zur Verfügung stehen, haben es die Russen nicht eilig, sich impfen zu lassen.
Der Minister teilte mit, dass sein Ressort oft nach der Möglichkeit einer dritten Welle von Covid-19 gefragt wird, halte aber solche Fragen für absurd. „Wir brauchen nicht zu warten, wir müssen vorbeugen“, so Muraschko. Statt „triviale und irrelevante“ Fragen zu stellen, sollte man sich impfen lassen, sagte er.
Laut einer Umfrage des Portals SuperJob.ru wollen 42 Prozent der Russen auf gar keinen Fall gegen Coronavirus geimpft werden, unter Menschen im Alter von 35 bis 44 Jahren sind das 46 Prozent. 20 Prozent der Russen sind bereit, sich nur dann impfen zu lassen, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, ins Ausland zu reisen, während 26 Prozent der Bürger unter 34 Jahren eine solche Position einnehmen. Lediglich 18 Prozent der Russen haben vor, in jedem Fall ein Vakzin zu bekommen (bei den 45-Jährigen und älteren Personen ist das fast jeder vierte). Die Befragung zeigte auch, dass russische Männer eher als Frauen die Bereitschaft haben, für die Zwecke einer Auslandsreise geimpft zu werden).
Wie erklärt sich diese Skepsis der Russen gegenüber dem Impfstoff? „Wir sind es gewohnt, viele Jahre lang von der Sowjetmacht belogen zu werden, so dass wir alle offiziellen Aussagen mit Skepsis betrachten. Es gibt kein Vertrauen in das, was die Behörden behaupten. Deshalb haben viele Menschen eine abwartende Haltung eingenommen“, erklärt Marina, eine Rentnerin. „Meine älteste Tochter und mein Schwiegersohn wollten sich impfen lassen und beschlossen, zuerst einen Antikörpertest zu machen. Und es stellte sich heraus, dass sie und er mehr als 100 Einheiten hatten. Sie müssen also Covid ohne Symptome gehabt haben. Ich werde warten, bis die Datscha-Saison vorbei ist und dann werde ich mich vielleicht impfen lassen“.
Ein weiterer Grund wird von vielen Politikwissenschaftlern und Ärzten als inkonsequente Politik gegenüber dem Covid bezeichnet. Auf der einen Seite werden die Menschen zum Impfen aufgefordert, auf der anderen Seite werden die restriktiven Maßnahmen langsam aber sicher zurückgenommen, und einige Medien sprechen sogar davon, dass Covid in Russland fast besiegt ist. Gleichzeitig wurden allein in Moskau an einem Tag insgesamt 1.117 Personen mit dem Coronavirus ins Krankenhaus eingeliefert.
Das Vertrauen in die Impfung wächst jedoch. Laut einer im September 2020 durchgeführten Umfrage des Portals rabota.ru waren 20 Prozent der Russen unentschlossen, ob sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. Danach war nur ein Viertel der Befragten bereit, sich impfen zu lassen, wenn dies vom Gesundheitsministerium genehmigt würde, während 16 Prozent sich impfen lassen würden, wenn sie am Arbeitsplatz dazu gezwungen würden.
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]
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