Moskau. Zu den maßgeblichen Treibern des Dopings zählen ebenfalls korrumpierte internationale Pharmakonzerne, die fünfmal so viel Anabolika und EPO herstellen, wie aus therapeutischen Zwecken eigentlich notwendig wäre. Dieses ebenfalls auf der gesamten internationalen Sportbühne,
So geriet etwa der US-Biotechkonzern Amgen, dem es 1989 erstmals gelungen war EPO zur Behandlung von Blutarmut bei Krebs-und Nierenpatienten synthetisch herzustellen, ins Dopingzwielicht – Amgen setzte mit dem Präparat innerhalb eines Jahres sechs Milliarden Dollar um. Ärztlich verordnet wurden allerdings nur Ampullen im Wert von 1,5 Millionen Dollar. Laut einer aktuellen Studie des belgischen Senats werden etwa 80 Prozent der jährlichen Produktion von EPO und 84 Prozent der Wachstumshormone weltweit illegal im Sport abgesetzt.
Die Sportler werden in eine Abhängigkeit gezwungen
Die wichtigsten Konsequenzen aus dem internationalen Beziehungsgeflecht zwischen Spitzensport, Publikum, Wirtschaft und Politik lassen sich wie folgt resümieren: Die Siegesorientierung ist durch die dem Sport von außen verfügbar gemachten Ressourcen geradezu angetrieben worden.
Viele Gelder fließen in die Vereine und Landesverbände. Hauptamtliche Trainer finden eine Anstellung und werden vertraglich auf die Erfolge ihrer Schützlinge gebunden. Aus Amateuren sind längst Vollzeit-Profis geworden die sich selbst in jenen Disziplinen mit ihrer Gesundheit hinzugeben haben in denen wenig Geld fließt.
So geraten die Sportler durch den immer weiter eskalierenden Erfolgsdruck in eine Situation, in der sich die starke Nachfrage nach hochkarätigen Leistungen durch Publikum, Politik und Wirtschaft nicht mehr mit den begrenzten körperlichen und psychischen Möglichkeiten in Einklang bringen lässt.
Der Standpunkt vom Radprofi Alexandre Vinokourov belegt dieses „Es ist halt unser Beruf, Gesundheitsfragen sind unsere eigene Angelegenheit. Wir sind von den Sponsoren, vom Geld, von Rekorden abhängig“.
Alte Traditionen zählen einfach nicht mehr
Die inneren Kontrollmechanismen die der Sport in Gestalt von Fairplay-Orientierungen traditionell ausgebildet hat geraten immer mehr unter Druck. Die noch unter den Bedingungen einer geringen gesellschaftlichen Bedeutung des Leistungssports entstandene Sportmoral verflüchtigt sich in zunehmender Weise. Legale Innovationen wie Technik, Taktik und Training werden nicht länger als alleinige Motoren für die Steigerung sportlicher Leistungen angesehen. Ungewollt aber unvermeidlich wird ein heimliches Experimentieren in den Grau- und Verbotszonen der Leistungsförderung überall in der Welt des Sports angeregt.
Dopingmöglichkeiten werden von den Sportlern nicht mehr gemäß Fairness-Normen verworfen, sondern unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten abgewogen und gegebenenfalls klammheimlich ergriffen. Doping ist somit eine vorgeprägte und rationale Wahlhandlung. Sozial als legitim angesehene Ziele wie sportliche Erfolge und Siege werden mit illegitimen Mitteln verfolgt. Die oftmals enormen aber zumeist mit zeitlicher Verzögerung eintretenden gesundheitlichen Risiken werden entweder verdrängt oder zähneknirschend in Kauf genommen.
Ursachen für Doping sind nicht rein Russland typisch
Bis hierher sollte klar geworden sein, dass eine personenfixierte und lediglich auf Kontrolle und Bestrafung setzende Auseinandersetzung mit der Dopingproblematik vollkommen an der Sache vorbeigeht. Die Ursachen sind auf der Ebene internationaler komplexer gesellschaftlicher Konstellationen angesiedelt.
Entscheidend ist, dass auch diejenigen Akteure, von denen der Erfolgsdruck ausgeht, diesen nicht einfach abstellen können. Auch sie handeln nicht aus freien Stücken und regen nicht mutwillig zu Normverstößen an, sondern unterliegen ihrerseits strukturellen Zwängen. Letztlich handelt jeder Akteur aus seiner Sicht völlig rational – internationale Wirtschaftsunternehmen wollen mit dem Spitzensport werben und Produkte verkaufen, staatliche Instanzen wollen Nähe zum Sportpublikum herstellen, Politiker auf dem ganzen Globus sind darauf aus die eigene Wählbarkeit zu steigern und das Publikum will an spannenden Sportereignissen teilhaben. Das Resultat des Zusammenwirkens all dieser nachvollziehbaren und legitimen Interessen ist die Antwort auf die Frage: Warum Doping. Und dieses ist kein Phänomen des russischen Sports allein sondern geschieht täglich überall auf der Welt.
Welche Rolle spielt Russland im Dopinghandel?
Den größten Drahtziehern im schmutzigen Sportgeschäft, nämlich den weltweiten Dopingnetzwerken, ging Sandro Donati Italiens renommiertester Dopingbekämpfer, im Auftrag der WADA auf die Spur. Seine Erkenntnisse: Die Dealer von Heroin und Wachstumshormonen sind in den meisten Fällen dieselben. Die wesentlichsten Routen des weltweiten Dopinghandels decken sich mit jenen des Drogenhandels.
Der größte Player im Schwarzmarkt ist die „Russenmafia“. 20 Prozent des globalen Umsatzes laufen von Russland und Ex-UdSSR-Ländern nach Westeuropa, Nordamerika und in den Mittleren Osten. Und die Situation in Russland lässt auch Vermutungen zu, dass hier das Organisierte Verbrechen mitmischt.
Nikolai Durmanow hält den Kampf gegen das Doping für verloren, zumal vor dem Hintergrund der seiner Meinung nach katastrophalen Entwicklung in Russland, er sagte dazu: „Tausende arbeitslose Chemiker, ein unregulierter Arzneimittel-Markt und unzählige Talente, die mit dem Sport ihrem elenden Leben entfliehen möchten, bei uns sind alle Voraussetzungen gegeben, um alles nur noch schlimmer zu machen. Russland könnte in Sachen Doping für Europa das werden, was Kolumbien in Sachen Kokain für die USA ist“.
Weiterhin betonte er: “Gemäß den geltenden Regeln kommt heute sowohl der Arzt als auch der Trainer, dem es einfällt, seine Zöglinge mit anabolischen Präparaten „nachzudüngen“ gleich hinter Gittern. Gemäß dem Artikel 234 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation werden viele anabole Steroide solchen Drogen wie Kokain, Heroin und Marihuana gleichgestellt“. Da kann man nur hoffen, dass dieses auch umgesetzt wird und die Dopingsünder und die dafür Verantwortlichen hinter Gittern kommen.
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