IN DER RUSSISCHEN BAUBRANCHE DOMINIEREN EINHEIMISCHE UNTERNEHMEN

Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Die russische Baubranche ist fest in der Hand einheimischer Unternehmen. Ausländische Planer und Architekten können jedoch bei repräsentativen Bauten zum Zuge kommen, wenn großer Wert auf Qualität gelegt wird. Auch wenn bei der Realisierung von Bauvorhaben besonderes Know-how erforderlich ist, bestehen Chancen für ausländische Unternehmen. Konkrete Marktchancen für deutsche Anbieter sind nur zu erwarten, wenn diese als Subauftragnehmer auftreten.

Russlands öffentlicher Wohnungsbau wird vor allem durch große Holdings betrieben, sowohl in der Planung als auch in der Durchführung. Wie die Statistik zeigt, gehen regelmäßig die gleichen Holdings aus öffentlichen Ausschreibungen als Gewinner hervor, auf welche Art und Weise auch immer.

Europäische Unternehmen will die russische Regierung an der weiteren Wirtschaftsentwicklung beziehungsweise an öffentlich finanzierten Projekten nur noch dann teilnehmen lassen, wenn es keine geeigneten Anbieter aus einem der Mitgliedsländer der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) gibt. Der Weg für westliche Anbieter in technisch anspruchsvolle Bauvorhaben bleibt dadurch aber im Prinzip offen.

Die Vergabe von Planungsaufträgen in der russischen Bauwirtschaft durchläuft inhaltliche Modetrends bezüglich der Architektur, teilweise auch der zu verwendenden Materialien und der Bautechnologie. Stellten zu Anfang der 1990er Jahre Planer und Architekten in den Augen der Auftraggeber einen Kostenfaktor dar, den es zu minimieren galt, wurden nur wenige Jahre später unter hohem finanziellen Aufwand international renommierte Büros beauftragt, westliche Architektur in die Stadtbilder zu integrieren.

Inzwischen sind Präferenzen zu Gunsten russischer Planer und Architekten zu beobachten, die in den vergangenen Jahren internationale Erfahrungen sammeln konnten. Zudem ist vor Ort eine neue Generation von Projektanten mit frischen Ideen herangewachsen. Gleichzeitig besteht die öffentliche Hand als Auftraggeber für soziale Bauvorhaben auf der Verwendung standardisierter Gebäudetypen. Damit sollen Planungskosten und Bauzeiten verringert werden.

Teilweise liegt die Bevorzugung heimischer Fachleute aber einfach auch am zuweilen eigentümlichen Geschmack lokaler Bauherren, mit dem örtliche Planer, Architekten und Projektsteuerer eventuell etwas besser zurechtkommen.

Ausländische Planer und Architekten bekommen in der Regel Aufträge für Projekte in besonders repräsentativen Bereichen, einschließlich Innenarchitektur. Hier werden Materialien der gehobenen Preisklasse nachgefragt und es wird Wert auf Qualität gelegt. Für die Sanierung von Plattensiedlungen, bei der deutsche Architekten ihre Erfahrungen aus der Heimat einbringen könnten, scheint es dagegen weniger Chancen zu geben. In diesem Bereich spielen erstklassige Beziehungen zu den Wohnungs- und Stadtverwaltungen die ausschlaggebende Rolle, sowie die sich erst etablierenden neuen Normen, die der Reihe EN angelehnt sind.

Russische Bauunternehmen dominieren den Markt

Bei der Realisierung von Bauvorhaben entfällt der Löwenanteil auf russische Unternehmen. Ihnen kommt dabei ihr seit Jahren gepflegtes Beziehungsnetz zu den Auftraggebern, insbesondere aus der öffentlichen Verwaltung, zugute, aber auch das breite Spektrum an Referenzen, auf das sie in der Regel verweisen können. Ausnahmen gelten bei technisch schwer zu bewerkstelligenden Projekten, die große Erfahrungen und besonderes Know-how erfordern. Oder ein ausländischer Investor beauftragt Unternehmen, die er aus seinem Heimatland kennt oder von dort eigens mitbringt.

Unter allen ausländischen Baufirmen haben türkische Auftragnehmer mit die stärksten Positionen auf dem russischen Markt besetzt. Einen Zuwachs an Aufträgen verzeichnen inzwischen auch chinesische Baufirmen.

Die meisten ausländischen Firmen aus dem Baubereich sind nicht direkt in der Bauausführung angesiedelt, sondern arbeiten im Vorfeld bei der Projektierung und Planung sowie bei der Lieferung von Technologien, Maschinen, Materialien und Baustoffen. Konkrete Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen sind nur als Subauftragnehmer und auch nur dann zu erwarten, wenn es sich um ein Bauvorhaben mit einer besonderen Zweckbestimmung (besondere Exklusivität oder erhöhte Umweltstandards) oder um feststehende Fertigstellungsfristen handelt, die unbedingt eingehalten werden müssen. Dazu gehören Infrastrukturmaßnahmen zur Vorbereitung der Fußball-WM 2018.

Zumindest in Moskau soll jedoch kein generelles Importverbot für Baumaschinen und Baustoffe gelten. Dies betonte der stellvertretende Bürgermeister und Verantwortliche für das Baugeschehen in Moskau, Marat Chusnullin. Deshalb können hier fallweise deutsche Lieferanten zum Zuge kommen.

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