Hintergrund: Alexej Nawalnij

Der russische Oppositionelle Alexej Nawalnij wurde heute im sog. Yves-Rocher-Prozess zu einer Bewährungsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Sein Bruder Oleg erhielt das gleiche Strafmaß, allerdings ohne Bewährung. Er wurde noch im Sitzungssaal verhaftet. Außerdem müssen die Brüder eine Geldstrafe von über 4 Mio Rubel (rd. 60.000 Euro) zahlen.

Wie die Nachrichtenagentur TASS meldete, beschränkte sich die Urteilsverkündung am Dienstag um 9 Uhr Ortszeit auf die Verlesung des Strafmaßes und der Auflistung der relevanten Paragraphen. Die eigentlich für den 15. Januar angesetzte Urteilsverkündung war gestern kurzfristig auf den vorletzten Tag des Jahres vorgezogen worden. Kreml-Kritiker vermuteten dahinter den Versuch, den Demonstrations-Vorbereitungen der Opposition zuvorzukommen.

Der Prozess gegen die Brüder Nawalnij war im Dezember 2012 durch eine Anzeige des damaligen Russland-Chefs des französischen Kosmetikkonzerns Yves Rocher, Bruno Lepru, in Gang gekommen. Dabei ging es um Versandgeschäfte, die Yves Rocher 2008-2011 über die von den Nawalnij-Brüdern kontrollierte russische Firma Glawpodpiska abwickelte.

Offshorefirma auf Zypern

Im Jahr zuvor, 2007, hatten die Brüder als Benefiziare die zypriotische Offshore-Gesellschaft Alortag Management Limited gegründet. Im Mai 2008 wurde dann die Moskauer Firma Glawnoje Podnisnoje Agenstwo (Glawpodpiska) registriert — eine Tochter der Alortag Management.

Zu jener Zeit war Oleg Nawalnij Abteilungsleiter bei der für Versandgeschäfte zuständigen Tochtergesellschaft der Russischen Post. In dieser Funktion wusste er, dass das in der Stadt Jaroslawl gelegene Verteilzentrum der Post überlastet war und unter Verzögerungen litt. Einer der größten Postkunden zu jener Zeit war Yves Rocher. Für Yves Rocher ist Russland auch heute nach Frankreich der zweitgrößte Markt.

Kurz nach Gründung der Glawpodpiska schlug Oleg Nawalnij der russischen Yves-Rocher-Konzerntochter vor, den Versand nicht mehr über die Russische Post, sondern über die neue Gesellschaft abzuwickeln. Im August 2008 wurde der Vertrag unterschrieben.

Einen ähnlich gearteten Vertrag unterschrieb Glawpodpiska im gleichen Jahr noch mit der russischen Firma MPK, die damals unter anderem den Rechnungsversand der russischen Telekom erledigte.

Da Glavpodpiska keine eigenen Fahrzeuge besaß, wurde der eigentliche Transport von einer Drittfirma namens Awtosaga durchgeführt. Dabei betrugen die realen Kosten knapp zwei Drittel dessen, was Yves Rocher und MPK an Glawpodpiska zahlten. So überwies Yves Rocher in den Jahren 2008-2011 an Glawpodpiska insgesamt 55 Mio Rubel. Rund 35 Mio davon gingen an den Subunternehmer Avtosaga. Die Differenz — 19,8 Millionen (seinerzeit rund 500.000 Euro) — überwies Glawpodpiska für angebliche Warenlieferungen, Dienstleistungen und Mietzahlungen an die Gesellschaft Kobjakowsker Korbflechter-Fabrik — ein Unternehmen, dass den Nawalnij-Brüdern und ihren Eltern gehört.

Die Vorgänge werden von den Angeklagten im Kern nicht bestritten. Die beiden Brüder sehen sich allerdings über die Maßen und vor allem ungerecht inkriminiert.

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