„Hauptsache gesund“ – was die Russen über ihren Präsidenten wissen wollen?@ russland.NEWS

„Hauptsache gesund“ – was die Russen über ihren Präsidenten wissen wollen?

Die meisten Russen, siebzig Prozent, glauben, dass das Privatleben und die Familie des russischen Präsidenten Wladimir Putin die Öffentlichkeit nichts angeht, wie aus einer Umfrage des Lewada-Zentrums hervorgeht. Nur 25 Prozent der Befragten gaben an, dass die Menschen darüber Bescheid wissen sollten.

Allerdings sind 55 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Menschen über den Gesundheitszustand des Präsidenten Bescheid wissen sollten. Nur 39 Prozent der Russen sagen, dass die Öffentlichkeit nichts über den Gesundheitszustand des Präsidenten wissen muss. Vor gut sieben Jahren im August 2013, als in den Umfragen die Bewertungen der Regierung wie jetzt sanken, wollten noch 60 Prozent der Russen etwas über die Gesundheit des Präsidenten wissen. Doch im März 2015, auf dem Höhepunkt der Krim-Euphorie, ging dieser Wunsch stark zurück und fiel auf 39 Prozent.

Der Politikwissenschaftler Alexei Makarkin vermutet, die Russen machen sich über die Gesundheit ihres Präsidenten nur sorgen, wenn „die Situation im Land kompliziert ist und weniger populäre Entscheidungen getroffen werden“. Dann beginnen die Leute zu denken: Können wir das durchziehen? Und wie steht es um die Gesundheit des Präsidenten? Kann er noch die richtigen Entscheidungen treffen? „Viele Russen erinnern sich noch an die Zeiten von Leonid Breschnew und Boris Jelzin, als deren Gesundheit ihre Entscheidungsfindung beeinflusste. Wenn Entscheidungen getroffen werden, die bei der Mehrheit gut ankommen, wie die Rückholung der Krim, denken die Menschen nicht an die Gesundheit des Präsidenten. Sie gehen dann davon aus, dass es ihm gut geht und alles in Ordnung ist.“

„Ich würde diesen Fragen keine große Bedeutung beimessen“, kommentierte der Präsident   der Petersburger Politikstiftung Michail Winogradow. Besonders nach den Erfahrungen mit Jelzin und der Positionierung Putins als kraftstrotzender Gesundheitsapostel sei es logisch, dass die Menschen, größeres Interesse am Thema Gesundheit zeigen. Zumal sich Gerüchte häufen, Putin plane seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen.

„So einmütig die Befragten sagen, dass es notwendig ist, über die Gesundheit des Präsidenten Bescheid zu wissen, da er arbeiten und Entscheidungen treffen muss, so besteht Einstimmigkeit in Bezug auf das Privatleben, da die Mehrheit meint, dass es besser ist, sich da rauszuhalten. Er hat Recht darauf und man sollte nicht in sein Privatleben eindringen“, so

der stellvertretende Direktor des Lewada-Zentrums Denis Wolkow. Makarkin erinnert daran, dass es „seit Stalins Zeiten nicht mehr üblich ist, zu wissen was in den Familien von Politikern vor sich geht“.  

Investigativ arbeitende Journalisten halten sich nicht an diese Etikette. Kürzlich veröffentlichten die russischen Internetportale Projekt und Important Stories Untersuchungen über Putins inneren Kreis und Verwandte. Dabei geriet der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Sibur Kirill Schamalow ins Visier der Journalisten. Im Jahr 2013 soll er als damaliger Ehemann der Präsidententochter Ekaterina Tichonowa, also als „der Schwiegersohn des Präsidenten“, Aktien des Unternehmens unter Wert gekauft haben, was Schamalow umgehend bestritt.

Nun meinen zwei Investigativ-Journalisten von Projekt herausgefunden zu haben, dass Putin eine uneheliche Tochter mit seiner ehemaligen Haushälterin Svetlana Krivonogikh habe. Deren Tochter Elizabeta Wladimirowna ist inzwischen 17 Jahre alt. Bekannt ist, dass der russische Präsident bis 2014 mit Ljudmila Alexandrwona Otscheretnaja verheiratet war und mit ihr zwei Töchter hat. Aus dem Kreml kam bisher nur die Aussage, man habe noch nie von einer dritten Tochter Putins gehört. Kremlsprecher Dmitri Peskow wurde am Montag während einer Pressekonferenz auf die in letzter Zeit vielen Medienberichte über Putins Gesundheit, sein Privatleben und seine Töchter angesprochen. „Ob Präsident Putin nicht der vielen Gerüchte überdrüssig sei und deswegen den Schleier der Geheimhaltung über einige Aspekte seines Lebens lüften werde“, fragte ein Journalist. „Nun, sehen Sie, es gibt keinen Schleier der Geheimhaltung, Jeder weiß genau, wo der Präsident lebt und arbeitet. Und, hat er Töchter? Ja, er hat Töchter. Wer sie sind – ja, das möchte er lieber nicht an die Öffentlichkeit lassen. Warum, das hat er selbst wiederholt erklärt. Er ist in dieser Position ziemlich konsequent“, so Peskow.

Neugierig scheinen die Russen aber doch zu sein. Der Bericht in der Wochenzeitung Sobesednik über eine von der russischen Marine eskortierte Yacht von „Putins Freundin“ Swetlana war dem russischen Rating-Portal Mediametrics zufolge der seit einem Monat meistgelesene Beitrag im russischen Blätterwald.  

Die Soziologen wollten auch wissen, was die Russen den Präsidenten fragen würden, wenn sie die Gelegenheit hätten, ihm eine Frage zu stellen? Fast ein Viertel der Russen (24 Prozent) gab an, dass sie nach der Armut im Land fragen würden, den kleinen Gehältern und Renten, Nichtzahlung von Leistungen und dem niedrigen Lebensstandard. Jeweils acht Prozent der Russen würden fragen, wann in Russland wieder Ordnung herrschen wird und wann die Behörden sich an die Menschen erinnern werden. Hohe Preise, medizinische und lokale Probleme hätten sechs Prozent der Befragten interessiert und jeweils fünf Prozent würden Putin nach dem Ende seiner Amtszeit fragen und warum es Korruption gibt, für die Oligarchen nicht eingesperrt werden.  

„Fragen zu Armut und Einkommensniveau stehen für die Russen immer an erster Stelle – die Menschen müssen von etwas leben und ihre Familien ernähren. Selbst in den wohlhabendsten Jahren standen diese Fragen an erster Stelle. Selbst jetzt, wenn alle von der Pandemie reden, bleibt das Thema der niedrigen Einkommen im Vordergrund“, betont Makarkin.

Wolkow vom Lewada-Zentrum sieht das ähnlich: „Das Hauptthema, das die Menschen interessiert, sind niedrige Löhne, hohe Preise, Armut, also alles, was mit dem Lebensstandard zu tun hat“.

[hrsg/russland.NEWS]

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