Gleichgültig bis negativ – wie stehen Russen zu den jüngsten Protesten?Moskau 2020 © russland.NEWS

Gleichgültig bis negativ – wie stehen Russen zu den jüngsten Protesten?

Am 23. und 31. Januar kam es in vielen russischen Städten zu Protesten im Zusammenhang mit der Verhaftung von Alexei Nawalny. Wie denken die Russen darüber, und wissen sie überhaupt davon? Diesen Fragen ging das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum in seiner neuesten Umfrage nach.

Es stellte sich heraus, dass die große Mehrheit der Menschen über die jüngsten Proteste informiert ist, und zwar 80 Prozent. Das sei der höchste Bekanntheitsgrad der Proteste in den letzten Jahren, so die Soziologen. So wussten nur 63 Prozent von den Moskauer Kundgebungen im Jahre 2019.

Vor allem junge Leute, Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren, verfolgten die Geschehnisse (27 Prozent). Befragte, die die Aktivitäten des Präsidenten missbilligen, interessierten sich für die Proteste mehr (dreißig Prozent) als seine Unterstützer (sechzehn Prozent).

Bedeuten solche Zahlen, dass die Menschen in Russland die Demonstranten unterstützen? Laut der Umfrage hat mehr als ein Drittel der Befragten eine negative Einstellung zu Demonstrationen (39 Prozent) oder steht ihnen völlig gleichgültig gegenüber (37 Prozent). Nur 22 Prozent der Befragten haben eine positive Einstellung zu den Demonstranten. Interessanterweise hatten 47 Prozent der Menschen positiv über Proteste in Chabarowsk im Sommer 2020 gedacht, während nur sechzehn Prozent eine negative Einstellung hatten.

Auch hier haben eher junge Menschen eine deutlich bessere Einstellung zu den Demonstranten als andere Altersgruppen: 38 Prozent hatten eine positive Einstellung, während 22 Prozent negativ eingestellt sind. Befragte über 55 Jahre haben die schlechteste Meinung gegenüber Protestierenden (mehr als die Hälfte negativ). Dabei haben Nutzer von sozialen Netzwerken (31 Prozent Zustimmung) und Telegramkanälen (51 Prozent) die beste Einstellung zu Demonstranten, während Fernsehzuschauer Demonstrationen eher ablehnen (48 Prozent).

Als Hauptmotiv für die Teilnahme an den Protesten sehen die Befragten die allgemeine Unzufriedenheit mit der Lage in Russland (43 Prozent der Befragten sagen dies). Aber fast ein Drittel (28 Prozent) glaubt, dass Demonstranten zu den Kundgebungen gehen, weil sie dafür bezahlt werden. Dies ist eine der höchsten Werte der letzten Jahre. Nur neunzehn Prozent gaben an, dass die Motivation, auf die Straße zu gehen, die Empörung über die Korruptionsvorwürfe aus dem Film „Ein Palast für Putin“ war. Weitere sechzehn Prozent sagten, dass die Demonstranten über die Verhaftung von Alexei Nawalny empört waren.

Gleichzeitig glauben viele, dass mit einer weiteren Zunahme der Protestaktivitäten zu rechnen sei (43 Prozent). Diese Zahl hat das Niveau von 1998 erreicht, als die wirtschaftliche und politische Situation in Russland mehr als instabil war. 45 Prozent glauben, dass nicht nur wirtschaftliche, sondern auch neue politische Proteste durchaus möglich sind. Gleichzeitig ist die Zahl derer, die bereit sind, an Protesten teilzunehmen, gering: Nur siebzehn Prozent würden zu Protesten mit wirtschaftlichen Forderungen und fünfzehn Prozent zu politischen Protesten gehen.

[hrsg/russland.NEWS]

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