Geschichte der Beziehungen zwischen Russland und den Taliban

Geschichte der Beziehungen zwischen Russland und den Taliban

Wie sich die Beziehungen zwischen Moskau und der in Russland verbotenen Terrorbewegung Taliban von der Flugzeugentführung über die Erklärung eines „Heiligen Krieges“ bis hin zu Besuchen und Verhandlungen entwickelten:

Der erste aufsehenerregende Zwischenfall in den Beziehungen zwischen Russland und den Taliban ereignete sich noch vor der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Am 3. August 1995 wurde eine Iljuschin-76 der kasanischen Fluggesellschaft Aerostan, die 30 Tonnen Munition für die afghanische Regierung transportierte, von einem Kampfjet der Taliban zur Landung in Kandahar gezwungen. Die siebenköpfige russische Besatzung wurde gefangen genommen und mehr als ein Jahr lang festgehalten, bis ihnen am 16. August 1996 die Flucht gelang.

Im September 1996 besetzten die Taliban Kabul, riefen das Islamische Emirat Afghanistan aus und blieben bis 2001 an der Macht. Russland erkannte das Taliban-Regime nicht an, das nur von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate unterstützt wurde.

Nach der Schließung der russischen Botschaft in Kabul und der Evakuierung ihres Personals verblieb nur noch das russische Generalkonsulat in Mazar-i-Sharif. Im Mai 1997, als sich die Frontlinien näherten, schloss Moskau seine letzte diplomatische Vertretung in Afghanistan.

Im Juli 1998 näherten sich die Taliban den Grenzen der GUS und drohten Usbekistan und Tadschikistan mit „schwerwiegenden Konsequenzen“, sollten sie versuchen, der besiegten Armee von General Rashid Dostum zu helfen. Russland verstärkte an den südlichen Grenzen der GUS den Grenzschutz. Präsident Boris Jelzin sagte über die Taliban: „Wir werden sie zurückhalten“.

Die Heroinproduktion in Afghanistan stieg nach dem Machtantritt der Taliban im Jahr 1996 von 2.248 Tonnen auf den damaligen Rekordwert von 4.565 Tonnen im Jahr 1999. Auf Afghanistan entfielen 79 Prozent der weltweiten Heroinproduktion, von der ein Großteil für Russland bestimmt war. Erst im Juli 2000 verboten die Taliban den Mohnanbau. Infolgedessen ging die Opiumproduktion in Afghanistan vorübergehend um 94 Prozent zurück.

Im August 1999 kam es an der tadschikischen Grenze zu Kämpfen mit den Taliban. Gleichzeitig drangen Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistans unter der Schirmherrschaft der Taliban in Kirgisistan ein.

Im Januar 2000 erkannten die Taliban die Unabhängigkeit der nicht anerkannten Republik Itschkeria in Tschetschenien an und kündigten die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Regierung von Aslan Maschadow an. Nach Angaben des russischen Geheimdienstes erklärten sich die tschetschenischen Kämpfer bereit, ein Lager in der Nähe von Mazar-i-Sharif an der Grenze zu Usbekistan einzurichten und der tschetschenischen Exilregierung möglicherweise Zuflucht zu gewähren.

Im Februar 2000 riefen die Taliban die muslimische Welt dazu auf, Russland den Heiligen Krieg zu erklären, um es zu zwingen, seine Anti-Terror-Operation in Tschetschenien zu beenden. „Die islamischen Länder müssen den Gläubigen erlauben, sich am Dschihad in Tschetschenien zu beteiligen. Wenn wir uns heute nicht für Tschetschenien einsetzen, wird den Muslimen in einem anderen Land oder einer anderen Region morgen das gleiche Schicksal widerfahren“, so die Zeitung Scharia. Im März 2000 nahm das Taliban-Radio „Stimme der Scharia“ den Sendebetrieb in russischer Sprache auf.

Ebenfalls im März 2000 kündigte der russische Außenminister Igor Iwanow an, dass Moskau bereit sei, notfalls tschetschenische Terroristenlager in Afghanistan zu bombardieren. Daraufhin warnten die Taliban, dass Usbekistan und Tadschikistan die volle Verantwortung für mögliche russische Angriffe auf afghanisches Territorium tragen würden.

Am 14. Februar 2003 erklärte der Oberste Gerichtshof Russlands die Taliban zu einer terroristischen Organisation und verbot ihre Aktivitäten in Russland. Trotzdem kamen Vertreter des politischen Flügels der Taliban mehrmals zu Gesprächen nach Moskau. Dennoch sind Vertreter des politischen Flügels der Taliban mehrmals zu Gesprächen nach Moskau gereist. Im Jahr 2018 sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow: „Wir haben nie verheimlicht, dass wir Kontakte zu den Taliban haben, sie sind Teil der afghanischen Gesellschaft. Das letzte Mal besuchte eine Taliban-Delegation Moskau im Juli 2021.

Der russische Botschafter in Afghanistan, Dmitri Schirnow, traf sich gestern mit Vertretern der in Russland immer noch verbotenen Taliban. abgehalten. Sie   „bestätigten die Sicherheitsgarantien“ der russischen Botschaft, so Schirnow.

Der russische Sondergesandte für Afghanistan Schamir Kabulow sagte jüngst, die Taliban können erst nach einer Resolution des UN-Sicherheitsrates von der Liste der terroristischen Organisationen gestrichen werden.

Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow will nicht ausschließen, dass sich die Taliban und der IS verständigten, wodurch die Gefahr für Russland und seine Verbündeten wachse. Russland versorgt Tadschikistan und Usbekistan mit Rüstungsgütern und beteiligt sich an Manövern mit den Streitkräften beider Länder nahe deren Grenzen zu Afghanistan. Tadschikistan, wo Moskau einen größten Militärstützpunkt unterhält, hat eine über tausend Kilometer lange Grenze zu Afghanistan.

Lange hatte Moskau den westlichen Einsatz gegen die Taliban unterstützt und bis zur Verschlechterung der Beziehungen in den vergangenen Jahren den Amerikanern erlaubt, russischen Luftraum für die Truppenversorgung zu nutzen.

Russland hatte Anfang der neunziger Jahre ein eigens Terrorproblem im Nordkaukasus. Nach der Invasion der Sowjetunion in den achtziger Jahren waren mehr als 15.000 russische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen.

[hrsg/russland.NEWS]

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