G20 – Frankreich nähert sich Russland weiter an

[von Dr. Christian Wipperfürth] Beide Länder gehören zu den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats, sodass ihre Beziehungen von globaler Bedeutung sind. Sie haben vor wenigen Wochen begonnen, ein neues Kapitel ihrer Beziehungen aufzuschlagen. Und das setzt sich auch aktuell fort.

Der französische Präsident Macron lud bereits unmittelbar nach seiner Wahl überraschend Präsident Putin Ende Mai nach Frankreich ein. Macron sandte bemerkenswerte Signale aus: Frankreich näherte sich in der Syrienfrage Russland deutlich an, scherte in Bezug auf das Verweigerung der Kooperation in Sicherheitsfragen mit Moskau aus der EU-Linie aus und trat nun aktiv mit Deutschland dafür ein, die USA bei der Lösung der Ukrainefrage weiterhin eher außen vor zu halten. Das vermeintliche Eingreifen Russlands in den französischen Präsidentschaftswahlkampf, das wochenlang hohe Wellen geschlagen hatte, war praktisch kein Thema mehr. (Zu Details s. hier)

Waren die neuen Töne aus Paris lediglich taktischer Natur? Hatte Macron vielleicht vor allem die kurz bevorstehenden Parlamentswahlen im Blick? In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen (Ende April 2017) hatten Kandidaten von rechts (Marine Le Pen, Francois Fillon) und links (Jean-Luc Melenchon), die sich offen und recht nachdrücklich für kooperativere Beziehungen mit Russland aussprachen, über 60 % der Stimmen erhalten. Macron war im Vorfeld sehr wichtiger Wahlen also gut beraten, sich Moskau gegenüber kooperationsbereit zu zeigen.

Im Vorfeld des G20-Gipfels wurde jedoch deutlich, dass die Annäherung Frankreichs an Russland nicht nur taktischer, sondern grundsätzlicher Natur ist.

Am 20. Juni schoss ein US-Kampfflugzeug über Syrien erstmals eine syrische Militärmaschine ab. Das war eine dramatische Eskalation des Konflikts. Der russische Außenminister Lawrow verlangte, dass alle militärischen Handlungen in Syrien mit der Regierung in Damaskus abgesprochen werden müssten. Das russische Verteidigungsministerium kündigte gar an, Flugzeuge und Drohnen der US-geführten Streitkräfte zukünftig möglicherweise als Ziele zu betrachten. Australien zog daraufhin seine Einheiten aus Syrien ab.

Macron gab am 21. Juni, also einen Tag später, acht europäischen Zeitungen ein Interview. Der syrische Präsident Assad sei „kein Feind Frankreichs“. Das französische Staatsoberhaupt erklärte weiter: „Ich habe einen neuen Blick auf die Situation. Ich erkläre nicht, dass Assads Rücktritt eine Voraussetzung für alles ist, denn niemand hat mir einen legitimen Nachfolger gezeigt. Meine Linie ist klar: An erster Stelle steht der entschiedene Kampf gegen alle Terrorgruppen. Diese sind unsere Feinde. Wir brauchen eine allseitige Zusammenarbeit, um sie auszurotten (!), vor allem mit Russland.“ – Vor allem mit Russland, nicht mit den USA?

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hatte bereits einen Tag vor dem Interview Macrons seinem russischen Amtskollegen in Moskau einen Besuch abgestattet. Le Drian erklärte: „Vielleicht hat es an Vertrauen gemangelt, um den anderen besser zu verstehen. Nach den heutigen Treffen können wir im Geist des Vertrauens weiter arbeiten.“

Am 6. Juli trafen der französische und der russische Außenminister bereits wieder zusammen, diesmal in Paris (s. das obige Foto). Beide Länder haben zwar weiterhin unterschiedliche Positionen, wer für die Giftgastoten von Anfang April in Syrien verantwortlich ist. Sie waren sich aber darin einig, jeglichen Giftgaseinsatz zu verurteilen und bekräftigten, gemeinsam gegen den Terror vorgehen zu wollen.

Frankreich und Russland stellen seit einigen Wochen ihre Differenzen, die durchaus bleiben, zunehmend zurück. Sie arbeiten stattdessen bei zentralen Gefahren für die Sicherheit, den Frieden und die Stabilität (Terror, Syrien, Ukraine) stärker zusammen. Kein schlechtes Vorbild für Deutschland.

 

Quelle des Fotos:
https://www.flickr.com/photos/mfarussia/albums/72157683200789013, Link von der Internetseite des russischen Außenministeriums

COMMENTS