Warschau/Moskau. Alle Nichtfußball-Fans müssen jetzt stark sein – von heute bis zum 01. Juli schaut die Fußballwelt auf Polen und die Ukraine und ist im Bann der EURO 2012. Wir möchten Ihnen hier noch ein paar Fakten mit auf dem Weg geben, worauf Sie ab heute um 20:45 Uhr (MEZ) achten sollten, wenn Sie das Spiel der Sbornaja gegen Tschechien und das gesamte Turnier verfolgen.
Statistisch sieht es folgend aus: Russland nahm bisher vier Mal an einer EM-Endrunde teil. Die ehemalige Sowjetunion brachte es auf sechs Teilnahmen. Aus dieser Zeit resultiert auch der größte Erfolg – die UdSSR wurde 1960 Fußball-Europameister. Für Russland steht bisher der Halbfinaleinzug bei der letzten EM 2008 in Österreich und der Schweiz als beste Leistung.
Vielen Fachleuten und Fans fallen zuerst Namen wie Arschawin, Pawljutschenko oder Pogrebnjak ein, wenn sie an die russische Fußballnationalmannschaft denken. Dieses hat auch seine Berechtigung, der heimliche Star ist aber Roman Schirokow.
Bereits 2008 bescheinigte der heutige Chefcoach Dick Advocaat, der damals mit Zenit St. Petersburg Meister und UEFA-Cup-Sieger wurde, seinem damaligen Spieler eine große Zukunft: „Eines Tages kann Roman der beste Verteidiger Russlands werden“, so Advocaat damals. Schirokow wollte aber kein Verteidiger werden, er sah seine Zukunft im Mittelfeld.
Dieses hat er in der Zwischenzeit auch geschafft. Zusammen mit Sirjanow und Denissow bildet er eine interessante Achse bei der EM. Er ist aber nicht nur Organisator und Taktgeber, sondern auch Torschütze. Mit fünf Treffern in dieser Champions-League-Saison stellte er den russischen Rekord ein. Auch Italien bekam bei der 0:3-Niederlage seine Durchschlagskraft zu spüren, Schirokow erzielte zwei Tore. Also – achten Sie sehr auf die Ideen und den Wirkungskreis von Roman Schirokow.
Natürlich ist der Kapitän Andrej Arschawin das Herz der Mannschaft und der verlängerte Arm von Dick Advocaat. Die „FAZ“ bezeichnete ihm kürzlich als „modischen Faulpelz“. Dieses ist nicht einmal so weit hergeholt – Arschawin wurde schon oft als „launische Diva“ und als das ewige Talent hingestellt. Und mit Mode hat Arschawin wirklich etwas zu tun: Er besitzt ein Diplom in Modedesign. Er wollte als einziger Mann im Studium viele Studentinnen kennenlernen, gab er einmal schmunzelnd zu.
Nach seiner letzten verkorksten Saison bei Arsenal London, brach er Mitte Februar seine Zelte an der Themse ab und kehrte zurück nach St. Petersburg – auf Leihbasis. Bei Zenit fand Arschawin schnell wieder zu alter Größe zurück und wurde mit Zenit auch russischer Fußball-Meister. In der Nationalmannschaft wartet man aber noch vergeblich auf den „alten“ Arschawin. In den letzten dreieinhalb Jahren schoss er für die Sbornaja nur zwei Tore.
Ein Augenmerk sollten Sie auch unbedingt auf Alan Dsagojew haben. Der jetzt 21-Jährige wurde in den letzten Jahren als russisches Wunderkind hochgespielt. Sehr früh wurde er mit Lob überhäuft und ihm wurde eine goldene Zukunft vorausgesagt. Er wurde einfach zu jung verehrt, wie es schon oft in der Sport-Szene geschehen ist. Angeblich waren auch europäische Spitzenvereine wie Real Madrid und Juventus Turin an ihm interessiert.
In den Folgejahren konnte Dsagojew aber die Erwartungen nur selten erfüllen. Bei ZSKA Moskau musste er um seinen Stammplatz zittern und sollte nach einem Konflikt mit dem Trainer sogar verkauft werden. Auch in der Nationalmannschaft wuchs die Kritik, vor allem an seinem Defensivverhalten. Sein Talent bleibt jedoch unbestritten. Vielleicht geht sein Stern in Polen und der Ukraine endlich auf. Deshalb sollte auch er im Fokus stehen.
Ganz egal, wie die EM für Russland ausgeht – die Zukunft vom Chefcoach Dick Advocaat ist bereits besiegelt. Er verlässt die Sbornaja nach dem Turnier und geht zurück in seine Heimat, nach Eindhoven. Der Grund sind Unstimmigkeiten mit dem russischen Fußball-Verband. Trotzdem sagte er vor der EM im Mai: „Ich bin mir sicher, dass mein Wechsel die Vorbereitungen auf die EM nicht beeinflussen werden. Wir werden alles geben, um eine gute Leistung abzuliefern.“ Wir werden schauen.
Die Sbornaja hat jetzt aber ein ganz anderes Problem – mit dem klaren Erfolg über Italien sind die Erwartungen der Fans in Russland enorm gestiegen. Dieses entspricht auch ihrer Mentalität. Gar vom Geheimfavoriten ist die Rede. Alles, sehr zum Ärgernis von Advocaat: „Wir sollten realistisch bleiben, es war nur ein Testspiel. Auch wenn es eine Tracht Prügel für Italien war, macht uns das nicht zum EM-Favoriten.“ Understatement oder Realität? Wir werden sehen.
Die Vorrunde sollte für das russische Team aber trotz allem keine große Hürde darstellen. Nur Co-Gastgeber Polen könnte in der Gruppenphase zum Stolperstein werden, es kommen aber die beiden Gruppenersten weiter. Im Viertelfinale würde dann allerdings eine weitaus schwierigere Aufgabe warten – Deutschland oder die Niederlande, oder doch Portugal? Der Ball ist rund und wir werden schauen.
Allen Fans wünschen wir eine spannende und interessante EURO 2012 und natürlich der Sbornaja eine Verbesserung ihres letzten EM- Ergebnisses!
Russland – Tschechien: Freitag 20:45 (MEZ) in Breslau
Voraussichtliche Aufstellungen:
Russland: Malafejew 16 – Anjukow 2, Beresuzki 12, Ignaschewitsch 4, Schirkow 5, Sirjanow 8, Schirokow 6, Denissow 7 – Dsagojew 17, Arschawin 10, Kerschakow 11
Tschechien: Cech 1 – Gebre Selassie 2, Sivok 6, Kadlec 3, Limbersky 8 -Plasil13, Jiracek 19 – Rezek 9, Rosicky 10 – Pilar 14 – Baros 15
Schiedsrichter: Webb (ENG)
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