Furore in den Medien – Gattin von Putins Pressesprecher tanzt „Holocaust on Ice“

[Von Susanne Brammerloh] – Die Promi-Show „Eiszeit“ im Ersten Kanal hat mit einer auf einem KZ-Film basierenden Tanznummer eine Riesendiskussion losgetreten, schreibt das Petersburger Stadtportal Fontanka.ru. Darf man den Holocaust aufs Eis bringen? Ist das „Kunst“, und wenn ja – wie weit darf Kunst gehen? Pikant an der Sache – die Darstellerin ist die Gattin von Dmitri Peskow, dem Stellvertretenden Leiter der Präsidentenverwaltung und Pressesprecher Putins.

Tatjana Nawka, ihres Zeichens Eiskunstlauf-Olympiasiegerin, und ihr Partner, der Schauspieler Andrej Burkowski, betraten die Bühne in gestreifter Häftlingsrobe mit gelbem Davidstern. Ihre gefühlsbetonte Vorführung basierte auf dem Lied „Das Leben ist schön“ aus dem gleichnamigen italienischen Film von 1997, der mit lyrischem Humor das Schicksal einer Familie in einem deutschen KZ in Italien thematisiert und drei Oscars gewann.

Die Jury ist begeistert, Peskow ist stolz

Das Publikum im Saal reagierte mit donnerndem Applaus auf die ungewöhnliche Darstellung, die Jury ließ sich nicht lumpen und teilte höchste Noten aus – jeweils eine „6.0“ für künstlerische Ausführung und Technik. Jury-Mitglied Karen Schachnasarow, ein bekannter russischer Filmregisseur, bescheinigte den Tänzern: „Den beiden ist es gelungen, den Geist, das Wesen dieses hervorragenden Films wiederzugeben.“

AP-Korrespondentin Natalia Wassiljewa ließ auf Twitter verlauten: „Ich habe Dmitri Peskow nach dem Tanz von Tatjana Nawka gefragt. Er hat geantwortet: ,Ich bin stolz auf meine Frau – das ist alles, was ich sagen kann.’“

Beleidigend und unangebracht?

Soweit, so gut – in den sozialen Netzwerken hagelte es – wie soll´s auch anders sein –zum Teil heftige Kritik. „Nawka hat allen gezeigt, wie fröhlich die Häftlinge in den faschistischen Konzentrationslagern ihre Freizeit verbrachten. Wer damit einverstanden ist, ist ein Geschichtsfälscher“, schrieb zum Beispiel ein User namens Durevestnik. In anderen Posts tauchten Worte wie „beleidigend“, „ekelerregend“, „fehl am Platze“ und „geistlos“ auf.

Der amerikanische Komiker Michael Ian Black drückte seine Zweifel vorsichtiger aus: „Vielleicht ist es einfach unangebracht, so etwas (die Epoche von Auschwitz) aufs Eis zu bringen.“ Die israelische Zeitung „Haaretz“ betont die Ambivalenz, das Thema in Vergnügungssendungen zu thematisieren: „Holocaust on Ice: Die Frau von Putins Berater ruft mit ihrem Eiskunstlauf in KZ-Robe Kontroversen hervor.“

Eiskunstlaufen ist eine Kunst

Interessant ist die vorsichtige Reaktion des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von St. Petersburg, Mark Grubarg: „Die Wahl des Themas ist nicht verboten. Ein Kunstwerk wird danach bewertet, (…) ob es die Menschen bewegt. Ich kann diese Nummer nicht als großes, bedeutendes Werk einschätzen. (…) Ist es gelungen, dem Publikum die Tragik zu vermitteln? Das ist fraglich. Aber jetzt suchen viele nach Dissonanzen, die nicht konzeptionell sind.“

Oxana Kasakowa, Eiskunstlauf-Olympiasiegerin von 1998, ist dagegen voll auf der Seite der Darsteller: „Die Nummer hat viele zum Weinen gebracht. Das Thema wurde nicht mit Komik präsentiert. Eiskunstlaufen ist eine Kunst. Mit dem Tanz können wir Emotionen, Probleme und Ängste wiedergeben.“

[Susanne Brammerloh/russland.NEWS]

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