Für Elias Metschnikow dem Artikel „Das beste System der Welt“ von Moritz Aisslinger entnommen

Für Elias Metschnikow dem Artikel „Das beste System der Welt“ von Moritz Aisslinger entnommen

Manchmal muss die Begeisterung raus, auch wenn sie nicht eigener Feder entspringt. Der Artikel „Gute Besserung“ von Moritz Aisslinger ist jedoch so hervorragend, dass wir das ZEIT-Dossier aufgreifen und aus seinem Beginn ausführlich zitieren – den Teil, der dem russischen Wissenschaftler Elias Metschnikow gewidmet ist. Der wesentlich ausführlichere Text (nur mit Abo lesbar) beschreibt „eine Reise ins Innere des menschlichen Körpers“ – unter dem Motto „Wie unser Immunsystem Tag für Tag auf uns aufpasst“.

Metschnikows wissenschaftliche Leistungen als Begründer der modernen Immunologie, erster Gerontologe, Erfinder der probiotischen Ernährung, Embryologe, Syphilis-Forscher und als Autor populärphilosophischer Schriften sind vielfältig. Aisslinger gibt Einblicke in die Person des russischen Ausnahmetalents:

Elias Metschnikow hatte lange Zeit wenig Glück im Leben. Er landete 1845 in einer Welt, die für einen wie ihn nur die Rolle des Außenseiters vorgesehen hatte. Er war zu empfindsam und zu nervös und viel zu schlau, um nicht aufzufallen. Er interessierte sich mehr für Rundwürmer als für seine Mitmenschen, deshalb wurde er Zoologe. Seine Kollegen an der Universität von St. Petersburg mochten ihn nicht, sein Gehalt war mickrig, sein Labor lag, kärglich eingerichtet, in einem unbeheizten Museum, seine wenigen Freunde, zu denen der Anarchist Michail Bakunin gehörte, waren Sonderlinge wie er, und seine erste Frau war aufgrund einer Tuberkulose schon bei der Hochzeit so geschwächt, dass man sie auf einem Sessel zum Altar tragen musste. Als sie vier Jahre später, 1873, ihrem Leiden erlag, hatte auch Metschnikow genug. Er wollte allem ein Ende setzen.

Aus den Restbeständen seiner Frau schluckte er eine Überdosis Morphium und wartete. Plötzlich begann sein Körper, sich gegen das Gift zu wehren. Metschnikow musste würgen und spucken, so lange, bis alles wieder draußen war. Er probierte es ein weiteres Mal: Nach einem heißen Bad übergoss er sich mit eiskaltem Wasser und lief nass hinaus in die Kälte, wohl in der Absicht, sich eine Lungenentzündung einzufangen. Wieder blieb er im Leben. Beim dritten Versuch, so steht es in der von seiner zweiten Frau Olga herausgegebenen Biografie über ihn, injizierte er sich das Blut eines Patienten, der an Rückfallfieber litt. Doch selbst gegen diese brutalste Attacke schaffte es sein Körper, sich zu verteidigen.

Nachdem es in Russland zu Pogromen gegen Juden gekommen war, floh Metschnikow, dessen Mutter jüdische Wurzeln hatte, 1882 mit seiner Familie nach Sizilien. „Einmal begab sich die ganze Familie in den Zirkus, um irgendwelche erstaunlich dressierten Affen anzusehen“, beschrieb Metschnikow später den Moment, der als Beginn der modernen Immunologie angesehen werden kann.

Der Zirkus interessierte Metschnikow nicht, er blieb lieber im Haus zurück, allein mit seinem Mikroskop. Darunter hatte er eine Seestern-Larve platziert. Die Larve war durchsichtig, und so konnte er beobachten, wie sich unter ihrer Haut Zellen bewegten. „Mir kam sogleich ein neuer Gedanke.“ Metschnikow lief in den Garten und brach von einem Rosenbusch einen Stachel ab. Den Stachel pikste er von oben durch die Haut des Seesterns. Am nächsten Tag sah er unter seinem Mikroskop, wie die Zellen des Seesterns zu dem Stachel gewandert waren und ihn umstellt hatten. Sie versuchten, sich gegen den Fremdkörper zur Wehr zu setzen.

Metschnikow nannte die Zellen Phagozyten, Fresszellen, und den Vorgang Phagozytose. Durch den Stachel war die Haut, die oberste Verteidigungslinie des Körpers, durchbrochen worden und zum Einfallstor für Keime und andere Mikroorganismen geworden. Verletzungen und Krankheiten, erkannte Metschnikow, können einen Kampf entfesseln zwischen „Mikroben von außen und den beweglichen Zellen des Organismus selbst“. Eine Entzündung.

Sein Experiment zeigte der Welt, dass Organismen, Seestern-Larve wie Mensch, Immunzellen besitzen, und diese Immunzellen haben die Aufgabe, den Körper zu schützen. Jene inneren Hüter waren es, die auch ihn, Metschnikow, vor dem Tod bewahrt hatten.

Noch im 19. Jahrhundert galt Fieber als eine Krankheit. Ärzte schnitten Patienten die Adern auf, um das Gift des Fiebers ausströmen zu lassen. In Zeitungen warben Hersteller für Mittel, die Fieber heilen sollten. Erst nach Metschnikows Entdeckung begannen die Menschen zu verstehen, dass Fieber keine Krankheit ist, sondern ein Symptom für den Abwehrkampf des Körpers. 1908 erhielt er zusammen mit dem Deutschen Paul Ehrlich den Medizinnobelpreis.

Allen, die mehr über ihr Immunsystem wissen wollen, empfiehlt Autor Moritz Aisslinger diese Bücher als „besonders hilfreich“:

[hrsg/russland.NEWS]

COMMENTS