Frohe Weihnachten!

Frohe Weihnachten!

Heute feiert Russland Weihnachten. Die russisch-orthodoxe Kirche behielt 1917 den Julianischen Kalender als ein Akt der geistlichen Opposition zur kommunistischen Macht, die sich zum Ziel setzte, das alte Regime und damit die Kirche zu zerstören. Heute leben russische, serbische, georgische orthodoxe Kirchen und das Patriarchat von Jerusalem nach dem Julianischen Kalender. Die Differenz zwischen den beiden Kalendern beträgt 13 Tage.

Der 6. Januar ist der letzte Tag des mehrtägigen Fastens, der am 28. November beginnt und wie die Große Fastenzeit 40 Tage dauert. Am Heiligabend (Сочельник – Sotschelnik) wird am strengsten gefastet: Man darf bis zum Erscheinen des ersten Sterns nichts essen. Am Heiligabend, dem 6. Januar, hielten sein Heiliger Patriarch von Moskau und ganz Russland Kirill in der Kathedrale von Christus dem Erlöser eine Liturgie ab.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut WZIOM im Jahr 2019 beabsichtigen drei Viertel der Russen, das orthodoxe Weihnachtsfest zu feiern, am häufigsten unter den Befragten im Alter von 45 bis 59 und über 60 Jahren (jeweils 76 Prozent). Unter den orthodoxen Christen planten 86 Prozent, Weihnachten zu feiern, 36 Prozent unter den Anhängern anderer Konfessionen und 40 Prozent unter den Nicht-Gläubigen.

Weihnachten wird in Russland in erster Linie als Familienfest gesehen: Drei Viertel derjenigen, die orthodoxe Weihnachten feiern, verbringen es zu Hause, mit Familie und Freunden, und haben Besuch (73 Prozent). Nur jeder Viertel beabsichtigen in die Kirche zum Gottesdienst zu gehen.

Der wichtigste Gottesdienst beginnt in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar. Wie es in der vorweihnachtlichen Zeit in Russland vor der Machtergreifung der Bolschewiken zuging, hat am besten der Schriftsteller Iwan Schmeljow beschrieben: „Drei Tage vor Weihnachten ragte auf den Märkten und Plätzen – ein Wald von Tannen. (…) Das Volk bummelt und sucht sich seine Christbäumchen aus. (…) Allenthalben lodern Holzfeuer, an denen sich die Leute aufwärmen. Der Qualm steigt säulenförmig gen Himmel. In Samowaren brodelt der Sbitjen. Das ist ein heißes Getränk, besser noch als Tee. Mit Honig und Ingwer – duftet wunderbar und schmeckt süß. Ein Glas voll kostet eine Kopeke. Man bietet gefrorene Kalatschen und Sbitjenj an – das dicke, geschliffene Glas verbrennt dir fast die Finger. (…) Am Heiligen Abend durfte man bis zum Aufleuchten der Sterne nichts essen. Man kochte Kutja aus Weizen, mit Honig gemengt; das ist ein Absud aus Dörrpflaumen, Birnen und getrockneten Pfirsichen … Diese Speise stellte man auf Heu unter die Ikonen, gleichsam als eine Gabe für Christus“.

„Singt ihr auch Weihnachtslieder zuhause?“, fragen uns oft deutsche Bekannte. Doch diese Tradition ist in Russland unbekannt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nach der Machtergreifung der Bolschewiken 1917 waren alle religiösen Riten und Bräuche aus dem Leben der Menschen verdrängt. Erst 1935 wurde es wieder erlaubt, Tannenbäume aufzustellen und zu schmücken, allerdings nicht zu Weihnachten, sondern zum Neujahrfest.

Der Weihnachtsstern wurde durch den kommunistischen roten Stern ersetzt. Nach und nach hat man viele Weihnachtsrituale auf dieses Fest übertragen, so werden zum Beispiel russische Kinder zu Silvester beschert und man feiert im Kreis der Familie. Durch die Verlegung von Weihnachtsbräuchen auf den Neujahrstag konnten sie am Leben erhalten werden. Doch auch schon vor der Revolution sang man keine Weihnachtslider zuhause. Denn Weihnachten in Russland war schon immer in erster Linie ein religiöses und kein volkstümliches Fest. Natürlich gehören zu Weihnachtsgottesdiensten wunderschöne Weihnachtsgesänge. Doch diese kirchlichen Gesänge hat man nie in die häusliche Tradition übertragen. Volkstümlich und richtig feierlich wurde es in Russland nicht vor Weihnachten, wie man es in Westeuropa kennt, sondern zu oder unmittelbar nach Weihnachten. Da beginnen Swjatki, die „heiligen Tage„, die mit dem Fest der Taufe des Herrn nach dem russisch-orthodoxen Kalender am 19. (6.) Januar (Dreikönigsfest in der katholischen Tradition) enden. Swjatki war das längste und beliebteste Fest des Jahres, eine fröhliche unbeschwerte Zeit für Jung und Alt. Die traditionellen Swjatki Bräuche – Orakel, sich verkleidend (wie man es in Deutschland zu Karneval kennt) und von Haus zu Haus singend zu gehen und Geschenke dafür zu bekommen (Süßigkeiten, Pirogen oder Geld) – sind in vielen Werken der russischen klassischen Literatur beschrieben. Doch leider konnte diese schöne Tradition die Sowjetzeiten nicht überleben. Und so sind die Swjatki-Lieder (russische Weihnachtslieder) in Vergessenheit geraten. Erst seit einigen Jahren wird die Tradition des Swjatki-Feierns in Russland wiederbelebt und gefördert. So kann man allein in Moskau in diesem Jahr bis zum 12. Januar im Rahmen des Festivals „Winterreise zum Weihnachtsfest“ an mehr als 40 Orten verschiedene Festlichkeiten besuchen. Die Gäste der Veranstaltung können Weihnachtsbäume und wunderschöne Lichtinstallationen, Ballett auf Eis, Theateraufführungen und Aufführungen berühmter Künstler bewundern.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

 

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