Flüchtlingsströme aus dem Donbass

Flüchtlinge im Donbass gibt es nach vielen übereinstimmenden Berichten eine Menge. Laut Westmedien und Kiewer Regierung geht es „häufig“ in die Westukraine, laut russischen Medien nach Russland. Zahlen gibt es selten, aber wagen wir mal eine Übersicht, hin sich die flüchtenden Ostukrainer wirklich wenden.

Herkunft und Größe der Flüchtlingswelle

Wie so oft, finden sich konkrete Zahlen am besten vor Ort. Die Onlinepresse in Donezk berichtet über augestorbene Geschäftstraßen und viele geschlossene Läden.Die Slawjansker Zeitung Slavgorod meldet gestern, dass etwa 40 % der Bewohner der Stadt diese verlassen hätten, das wären über 40.000. Weitere große Flüchtlingsmengen gibt es aus den umkämpften Städten Donezk, Kramatorsk oder Lugansk. Vor allem ein Angriff auf die Trinkwasserversorgung hat zu einem Flüchtlingsschub geführt. Mit einer insgesamten Flüchtlingsmenge durch die Ukraine-Krise von 100.000 Menschen greift man momentan wohl leider nicht mehr zu hoch.

Flüchtlinge auf die Krim und innerhalb der Ostukraine

Aber wo sind die Leute hin? Eine Zahl nennt die regierungsunabhängige Onlinezeitung Politnavigator aus Kiew: 2.000 Menschen seien aus dem Donbass auf die Krim geflohen, die bekanntesten darunter sind die mit dem Zug evakuierten Kinder. Von 200 aus Slawjansk selbst und insgesamt 830 aus dem Donbass ist zu lesen. Eine andere Fluchtrichtung zeigt Nahnews aus Charkow. Diese Zeitung berichtet von der Ankunft von 320 Flüchtlingen aus dem Donbass in der eigenen Stadt. Man bereite sich insgesamt auf die Aufnahmen von etwa 1.000 Vertriebenen des Bürgerkriegs vor. Auch eine Nachricht der Onlinezeitung Slavgorod aus Slawjansk deutet auf wesentlich kürzere Fluchtwege. Dort wird von einem Erlass der Regierung der „Volksrepublik“ berichtet, der es Bürgern des Donbass untersagt, von Flüchtlingen mehr als einen bestimmten täglichen Betrag für Unterkunft zu kassieren. So muss es auch ausgesprochene kurze Fluchtwege geben – wie etwa aus einer umkämpften Stadt in umliegende Dörfer.

Flüchtlinge nach Russland

Wie viele Flüchtlinge nach Russland unterwegs sind, hier gehen die Zahlen weit auseinander. Von bis zu 7.000 am Tag schreibt RIA Nowosti, eine russische Nachrichtenagentur, von 3.000 am Tag bis zu 4.000 insgesamt nach Russland westliche Zeitungen.Tatsache ist, dass bis in den Mai hinein die Anzahl der Flüchtlinge Richtung Russland kaum eine Rolle spielte. Das hat sich jetzt nicht nur wegen dem größeren Druck auf die Zivilbevölkerung geändert. Nach einem Sieg der Separatisten bei einem Angriff auf die Ukrainischen Grenztruppen gilt die Grenze nach Russland gemäß der Onlinezeitung Mariupol Schisn auf einer Länge von 130 Kilometer, nach anderen Quellen sogar von bis zu 250 Kilometer als offen. Wer in diese Richtung strebt, wird von niemandem mehr aufgehalten, der ukrainische Grenzschutz ist vom Donbass abgerückt. Dieser hatte zuvor auch Flüchtende blockiert.

Flüchtlinge in die Westukraine

Die Anzahl der neuen Flüchtlinge diese Tage in Richtung Westukraine wurde von dortigen Medien bisher offenbar nicht gezählt. Die Uno berichtete Ende Mai von 10.000 Flüchtlingen insgesamt, aber angesichts der aktuelleren Zahlen aus Slawjansk alleine ist diese Zahl schon lange überholt. Flüchtlinge in Ukraines Westens dürfte es jedoch in den letzten Wochen kaum verstärkt geben, denn das ist die Fluchtrichtung von Euromaidanern oder Krim-Tataren. Wer von diesen die Region verlassen wollte, hat dies schon getan und beide stellen im umkämpften Donbass keinen erheblichen Bevölkerungsanteil. Die Sympathien vieler Donbass-Bewohner für die Separatisten ist bekannt und so würde einem Flüchtling vor der Nationalgarde in der Westukraine, wenn er kein flammender Euromaidaner wäre, wohl eher Feindseeligkeit entgegen schlagen.

Insgesamt ist damit zu rechnen, dass sich (noch) die Mehrzahl der Flüchtlinge nicht aus der Heimatregion in Ukraines Osten heraus bewegt hat. Wohin der größte Flüchtlingsstrom in Zukunft zieht, dürfte auch von der militärischen Entwicklung abhängen. Obsiegen ukrainisches Militär und Nationalgarde mit ihrer Offensive, dürften sich noch viele Separatisten und ihre Sympathisanten auf die Krim oder nach Russland absetzen – im umgekehrten Fall wird wohl so mancher Euromaidaner nach Westen umziehen. Angesichts der schlechten Versorgungslage dürften aber unabhängig von der politischen Gesinnung bald noch eine größere Anzahl von Leuten den Donbass verlassen – aus purer wirtschaftlicher Not.

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