Fakten schaffen

[german-foreign-policy.com] Einflussreiche deutsche Außenpolitiker fordern nach dem Abschuss eines zivilen Passagierflugzeugs über der Ostukraine eine Militärintervention mit eventueller Beteiligung der Bundeswehr. Man müsse jetzt „über einen Blauhelmeinsatz unter dem Dach der Vereinten Nationen“ nachdenken, erklärt Andreas Schockenhoff, ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU im Bundestag.

Als Truppensteller werde „auch Deutschland gefragt“ sein. Ein Blauhelmeinsatz sei „denkbar“, äußert zudem der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (SPD). Nach wie vor ist nicht klar, wer für den Abschuss Verantwortung trägt. Allerdings zeigt die Erfahrung aus früheren Interventionen des Westens, dass dies für ihn gar nicht die entscheidende Frage ist, sondern dass es EU und USA politisch darauf ankommt, Fakten zu schaffen. So wurde der Krieg gegen Jugoslawien etwa mit einem Massaker begründet, an dessen Charakter bis heute erhebliche Zweifel in zentralen Fragen bestehen. Auch die Todesschüsse vom 20. Februar auf dem Kiewer Maidan wurden nie aufgeklärt, nachdem mit ihnen der Sturz von Präsident Janukowitsch legitimiert worden war. Der begründete Verdacht, Teile der heute regierenden Maidan-Opposition könnten maßgeblich in sie verwickelt sein, besteht fort, interessiert im Westen aber nicht. Umgekehrt hat der Abschuss eines iranischen Passagierflugzeugs durch ein US-Kriegsschiff 1988 nie zu politischen Konsequenzen geführt.

Keine Beweise

Mehrere Tage nach dem Abschuss einer Boeing 777 der Malaysia Airlines über der Ostukraine, bei dem 298 Menschen zu Tode kamen, ist weiterhin unklar, wer den Abschuss zu verantworten hat. US-Geheimdienste behaupten, Russland habe vor kurzem Flugabwehrsysteme vom Typ „Buk“ an die ostukrainischen Aufständischen geliefert; zudem habe man in den letzten Tagen Bestrebungen registriert, die Systeme nach Russland zurückzuschaffen. Dieselben Dienste haben allerdings in der Vergangenheit, um Kriege zu legitimieren, immer wieder gelogen, so mit der erwiesenermaßen erfundenen Behauptung, der von Saddam Hussein regierte Irak besitze Massenvernichtungswaffen und unterstütze Al Qaida. Aus dem russischen Verteidigungsministerium heißt es, man habe zur Zeit des Abschusses einschlägige Aktivitäten der ukrainischen Flugabwehr registriert, die „Buk“-Systeme besitzt; es sei durchaus denkbar, dass unerfahrene Soldaten den Abschuss durch fehlerhafte Bedienung der hochkomplexen Systeme ausgelöst hätten. Wenngleich ukrainischen Militärs ein solcher Fehler tatsächlich schon einmal unterlaufen ist – am 4. Oktober 2001 schossen sie versehentlich eine Tupolev der Siberia Airlines auf dem Flug von Tel Aviv nach Nowosibirsk ab, 78 Menschen kamen ums Leben -, gibt es auch für diese Behauptung bisher keinerlei Beweise.

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