Eine heutige Meldung des Spiegel macht es wieder einmal erforderlich, dass wir uns mit dem beliebten Thema „kämpfen in der Ostukraine russische reguläre Soldaten“ auseinandersetzen müssen.
Der Spiegel-Bericht
Dort steht, es wären 4.000 aktive russische Soldaten bei den Separatisten unter Waffen. Das habe Rebellenführer Sachartschenko gegenüber dem russischen Sender LiveNews bestätigt. Zitat Spiegel:
und weiter:
Bis zu 4.000 russische reguläre Soldaten hätten sich also laut Spiegel beurlauben lassen, um in der Ostukraine zu kämpfen. Würde das in einer so großen Zahl der Wahrheit entsprechen, würde es wirklich hochgradig zum Himmel stinken nach regulärem Soldateneinsatz auf Geheimbefehl aus Moskau. Denn alle russischen Staatsbediensteten, auch Soldaten, dürfen während ihrem Urlaub gar nicht ohne Genehmigung ihres Vorgesetzten in ein anderes Land. Von Putin gibt es nur eine ältere Aussage, dess Freiwillige in der Ostukraine generell nicht strafrechtlich belangt werden, aber aktive Soldaten, die in die Ukraine gehen, handeln dennoch gegen geltende russische Gesetze. An einen massenhaften, nicht geduldeten Pflichtverstoß glauben wir in der aktuellen Zeit großer Spannung nicht, denn dieses generelle Ausreiseverbot ist ein Kind des Ukraine-Konflikts – vorher galt die besagte Sperre nur für FSB-Mitarbeiter, dem russischen Inlandsgeheimdienst.
Würde ein Großteil der unstrittig vorhandenen russischen Freiwilligen aus „beurlaubten“ Soldaten bestehen, wäre das ein deutlicher Hinweis auf eine entsprechende „Aufforderung“. Genau diesen Eindruck erweckt die Formulierung des Spiegel – 3.000-4.000 und alles beurlaubte russische Soldaten.
Russische Staatsmeldungen
Dass angesichts der großen Solidarität im russischen Volk dagegen hingegen einzelne Soldaten diesen an sich in Russland illegalen Schritt machen, wäre eher möglich. Russische Veröffentlichungen zu dem gleichen Interview wie von RIA Nowosti sind leicht, aber entscheidend anders formuliert – Zitat:
Das klingt dann eher danach, als ob das Gros der russischen Freiwilligen Ex-Militärs sind, aber einige sogar ihren Urlaub zum Kämpfen nutzen. Die Formulierung ist nicht eindeutig, wie „viele“ Urlauber unter aktiven Soldaten da dabei sind oder ob „Militärs“ hier bedeuter „Militärs in der Ostukraine“ oder „Militärs der russischen Armee“. Der freiwillige Kampf von russischen Veteranen in der Ostukraine an sich ist keine Neuigkeit, es wurde von den Separatisten in der Tat nie bestritten und wird jetzt nur das erste mal quantitativ beschrieben. Leider ist aber gerade die Quantität der „Urlauber“ entscheidend, ob das die Leute wirklich auf „eigene Faust“ oder auf geheime Anweisung tun. Was tun?
Das „Original“ bei Live-News
Original-Video anschauen, veröffentlicht im YouTube-Channel von LiveNews:
https://www.youtube.com/watch?v=UPstWOV6hQw
In der Videobeschreibung auf YouTube ist nur die Rede von „ehemaligen Soldaten“ aus Russland. Insgesamt sind laut den unstrittigen Angaben in diesem Video 4.000 „Russen aus Russland“ dabei, was knapp 20 % der Kämpfer ausmacht – und es ist aufgrund der russischen Wehrpflicht davon auszugehen, dass fast jeder davon einmal bei der russischen Armee war. Die Zahl 3.000-4.000 bezieht sich jedoch ausdrücklich auf die Gesamtzahl der Freiwilligen aus Russland und nicht, wie der Spiegel berichtet, auf die Anzahl der beurlaubten Soldanten. Im Video spricht Sachartschenko ebenfalls von „ehemaligen Soldaten“, wie Russischkundige bestätigen werden. Von einer Quantifizierung, dass es sich – sogar komplett – um aktive, beurlaubte Soldaten handelt ist nicht die Rede. Leider wissen wir nicht, ob es einen Interviewteil gibt, den LiveNews nicht online gestellt hat. Wenn dies das vollständige Interview ist, dann ist ein entscheidendes Detail eine Hinzufügung des Spiegels.
Ein Fazit mit sowohl – als aber
Also Fakt oder Fake? Dumm ist, wenn man in so einem Artikel genau diese Frage nicht eindeutig beantworten kann. Und da schreit schon wieder der nächste Vorgang nach „Fakt oder Fake“, denn soeben meldet die deutsche Mainstream-Presse eine „Invasion aus Russland“, wo die russischen und ostukrainischen Zeitungen eine separatistische Offensive melden. Was sicher ist:
– 3.000-4.000 ist die Gesamtzahl der Freiwilligen aus Russland und nicht die Zahl der „beurlaubten“ russischen Soldaten, die hier Holiday-Kampf ggf. auf Geheimbefehl oder mit Duldung machen; wie viel es davon gibt, weiß wahrscheinlich keiner, mit Sicherheit aber nicht der Spiegel aus diesem Interview. Auch die weiteren von ihm angeführten Beweise – in der Ostukraine angeschossene Russen in russischen Krankenhäusern sind keine Beweise – warum könnten das keine freiwilligen Veteranen oder Zivilisten sein?
– ob die „Urlauber“ so viele sind, dass es ein Hinweis auf eine Duldung oder aktiven Befehl aus Moskau gibt, wissen wir leider nicht; ausschließen wollen wir einen Befehl zum Aufenthalt im Donbass insbesondere für Einzelfälle nicht, denn Russland wird auch mit aktiven, verdeckten eigenen Militärangehörigen dort unterwegs sein; es ist aber sehr zweifelhaft, ob sich deren Zahl im vierstelligen Bereich bewegt
– „reguläre russische Armeeeinheiten“ sind aktuell nicht erwiesen; und nun auf zur „russischen Invasion“
Also russische Soldaten in der Ostukraine – Fakt – 4.000 russische Soldaten in der Ostukraine – Fake.
Epilog: Die NATO ergänzt
… und spricht jetzt in einer Pressemeldung, die die Tagesschau ungefragt übernimmt, von 1.000 regulären russischen Soldaten. Wer bietet weniger?
Roland Bathon, russland.RU
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