„Es ist unsere Schande“: Immer mehr Russen protestieren gegen den Krieg© russland.news

„Es ist unsere Schande“: Immer mehr Russen protestieren gegen den Krieg

„Ich wünschte, alles wäre wie früher! Als 2005 der Eurovision Song Contest in Kiew stattfand und die Kastanien blühten“, schrieb eine russische Sängerin auf Instagram. Ihr Wunsch wird höchstwahrscheinlich nur ein Wunsch bleiben.

Am 27. Februar, dem vierten Tag der „Militäraktionen“ in der Ukraine, erheben immer mehr Russen ihre Stimme gegen den Krieg, obwohl dies für viele mit großen Risiken verbunden ist.

So beschloss das Team des Garage Museum of Contemporary Art die Arbeit an den Ausstellungen zu unterbrechen und sie zu verschieben, bis die menschliche und politische Tragödie in der Ukraine ein Ende hat. „Wir können vor dem Hintergrund der Ereignisse nicht die Illusion von Normalität aufrechterhalten. „Die Garage“ war schon immer eine internationale Institution, die offen für verschiedene Stimmen ist, und wir sind kategorisch gegen Aktionen, die spalten und isolieren. Wir sehen uns als Teil einer größeren Welt, die nicht durch Krieg geteilt ist“, heißt es auf der Website des Museums.

„Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat, ist eine Schande. Es ist unsere Schande, aber leider werden auch unsere Kinder, eine Generation sehr junger und noch nicht geborener Russen, die Verantwortung dafür tragen müssen. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder in einem Aggressor-Land leben und sich dafür schämen müssen, dass ihre Armee einen unabhängigen Nachbarstaat angegriffen hat. Wir rufen alle Bürger Russlands auf, Nein zu diesem Krieg zu sagen.

Wir glauben nicht, dass eine unabhängige Ukraine eine Bedrohung für Russland oder einen anderen Staat darstellt. Wir glauben nicht an Wladimir Putins Äußerungen, dass das ukrainische Volk unter der Herrschaft von „Nazis“ steht und „befreit“ werden muss.

Wir fordern ein Ende dieses Krieges“, diese Erklärung einer Reihe von russischen Schriftstellern, Schauspielern und einfachen Menschen wurde auf Livejournal veröffentlicht.

Die Erklärung wurde von auch im Westen bekannten Schriftstellern wie Boris Akunin, Dmitry Bykow, Dmitry Glukhovsky und auch von dem mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Journalisten Dmitri Muratow unterzeichnet.

Mehr als 1.000 russische Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger und Sanitäter haben Präsident Wladimir Putin gebeten, die Militäraktionen in der Ukraine einzustellen. Der offene Brief wurde auf dem Telegram-Kanal der Initiativgruppe veröffentlicht. „Wir haben einen Eid geschworen, allen Menschen zu helfen, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion oder politischen Einstellung. Aber jetzt reicht unsere Hilfe nicht mehr aus. Der Krieg wird so viele Menschenleben fordern und so viele Schicksale verkrüppeln, dass wir keine Zeit haben werden, mit all unseren Bemühungen zu helfen. Jede Granate oder Kugel, selbst wenn sie ihr Ziel nicht erreicht und jemanden getötet hat, bringt immer noch Angst, Panik und Schmerz mit sich. Schmerzen, die das Herz schmerzen lassen. Die Herzen der Zivilbevölkerung schmerzen in diesem Moment. Soldaten. Mütter und Ehefrauen von Soldaten. Kinder. Niemand hat diese Angst verdient“, heißt es in dem Aufruf.

Inzwischen hat die Petition „Stoppt den Krieg mit der Ukraine!“ auf der russischen Webseite change.org bereits mehr als 930.102  Unterschriften (Stand 27. 02.2022, 21:30 Uhr Mitteleuropäischer Zeit) von russischen Bürgern gesammelt. „Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand durch die russischen Streitkräfte und ihren sofortigen Rückzug aus dem Gebiet des souveränen Staates Ukraine“, heißt es in der Petition. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man auch mit der Unterschrift unter diese Petition ein Risiko eingeht, da sie nicht anonym erfolgen kann.

Am Tag der Ermordung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow finden zum siebten Mal in Folge Gedenkveranstaltungen auf der Bolschoi-Moskworezki-Brücke in Moskau und anderen russischen Städten statt. In diesem Jahr kommen die Menschen vor allem im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine. Augenzeugen berichten, dass die Menschen einfach schweigend auf der Brücke stehen. Es ist verboten, Plakate mitzunehmen, also schreiben sie „Nein zum Krieg“ auf ihren Gesichtsmasken. Die Polizeiautos sind so verteilt, dass sich die Menschen nicht zu einem allgemeinen Strom zusammenschließen können, um den Eindruck zu erwecken, dass gar nicht viele gekommen sind.

An der Stelle, an der der Politiker getötet wurde, legen Menschen Blumen und Zettel nieder. Ein Plakatträgt die Aufschrift: „Vergib uns, Du hattet Recht“.

Hier weitere Appelle aus der russischen Zivilgesellschaft:

Russische Komiker

Russische Designer und Illustratoren

Vertreter der russischen Mode- und Schönheitsindustrie
HSE-Absolventen und -Mitarbeiter

Vertreter der russischen IT-Branche

Vertreter der Podcast-Branche

Psychologische und psychiatrische Gemeinschaft Russlands

Arbeiter in der Spielindustrie

Junge Wissenschaftler Russlands und separat Wissenschaftler-Ökonomen

Mitglieder des Rates der Bundesrechtsanwaltskammer Russlands

Russische Rechtsanwälte

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