„Es ist bitter“: Moskauer verweigern die Impfung@ russland.NEWS

„Es ist bitter“: Moskauer verweigern die Impfung

Der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin ist sauer. Die Moskauer wollen sich nicht gegen Covid impfen lassen. „Es ist bitter, denn wir haben seit einem halben Jahr keine Impfbeschränkungen mehr. Wir sind die ersten in der Welt, die eine praktisch kostenlose Impfkampagne gestartet haben. Die erste Großstadt der Welt, die ankündigt, dass wir mit Massenimpfungen beginnen werden. Und? Der Prozentsatz der Geimpften in Moskau ist geringer als in jeder anderen europäischen Hauptstadt“, sagte der Bürgermeister fast weinend.

In der russischen Hauptstadt sind tatsächlich alle Voraussetzungen geschaffen für diejenigen, die sich impfen lassen wollen: Es ist buchstäblich auf Schritt und Tritt möglich. Man kann nicht nur in kommunalen und privaten Kliniken, sondern sogar in Theatern und Einkaufszentren ein Vakzin bekommen. Termine in einem Impfzentrum werden sowohl telefonisch, als auch über das Internet vereinbart. Es gibt keine Wartelisten. Impfungen sind kostenlos, und Moskauer Rentner erhalten sogar Prämien dafür. Das Moskauer System von Prämien für Impfungen, das am 27. April eingeführt wurde, heißt „Eine Million Preise“. Die Gutscheine im Wert von 1000 Rubel können in Geschäften, Apotheken, Restaurants und Cafés der Kampagnenpartner für den Kauf von Waren oder die Bezahlung von Dienstleistungen ausgegeben werden. Außerdem stehen den Russen gleich mehrere Impfstoffe (Sputnik V, Sputnik Light, EpivacCorona, CoviVac) zur Verfügung.

Überall in der Stadt hängen Werbeplakate, auf denen berühmte russische Schauspieler verkünden, dass sie bereits geimpft wurden: „Ich bin geimpft. Und Sie?“

Sobjanin betonte, dass die Menschen nur eine Wahl haben: „Wir werden entweder geimpft oder krank.“ Der russische Gesundheitsminister Michail Muraschko forderte neulich seine Landsleute auf, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, denn „das Auf-gut-Glück-Prinzip wird in dieser Situation nicht funktionieren“. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates Dmitri Medwedew räumte sogar die Möglichkeit ein, eine Impfpflicht einzuführen. Allerdings beeilte sich der Kreml zu sagen, dass dieses Thema nicht im Detail diskutiert wird. Der russische Premierminister Michail Mischustin schlug vor, die Impfung gegen das Coronavirus in den nationalen Impfkalender aufzunehmen.

Doch alle Bemühungen der Behörden scheinen vergeblich. Die Impfkampagne kommt nicht in Schwung. Bis Mitte Mai sind lediglich 1,3 Millionen Moskauer geimpft worden, so Sobjanin. Laut einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum von März dieses Jahres haben mehr als die Hälfte der Russen (56 Prozent) keine Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Dies ist der höchste Wert seit einem Jahr. Ein Drittel der Befragten hat überhaupt keine Angst, sich anzustecken. Gleichzeitig sind 25 Prozent eher nicht ängstlich. Und nur noch 43 Prozent befürchten, sich mit dem Virus anzustecken. Mehr als 20 Prozent wollen abwarten.

Die Gründe für diese abwartende Haltung vieler Moskauer liegen mehr oder weniger auf der Hand. Wenn man in Moskau ankommt, hat man den Eindruck, dass die Pandemie bereits besiegt ist. Alle Geschäfte, Cafés, Restaurants, Museen, Theater etc. sind geöffnet. Vor ein paar Tagen war ich bei einer Mode-Show eines der beliebtesten russischen Modedesigner. Sie lief ohne Einschränkungen, nur die Sicherheitskräfte trugen Gesichtsmasken. Andererseits kann man in der Moskauer Metro nicht nur für das Nichttragen einer Maske bestraft werden, sondern auch, wenn man keine Handschuhe trägt. Obwohl das Tragen von Handschuhen von Experten längst für völlig sinnlos erklärt wurde. Diese Anweisung der Moskauer Regierung wurde jedoch bis heute nicht aufgehoben. Es zeigt sich also, dass die Anforderungen der Behörden widersprüchlich sind und manchmal eher an eine Schikane erinnern. Einige Großveranstaltungen werden wegen Corona abgesagt, während andere stattfinden, als ob nichts geschehen wäre. Das irritiert die Menschen und schafft das Gefühl, dass Pandemie nicht mehr ernst genommen werden kann.

Ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Behörden verschlimmert die Situation nur. Viele Menschen glauben auch nicht an den russischen Impfstoff. Was nicht verwunderlich ist. Schließlich war die russische Wissenschaft viele Jahrzehnte lang in der Position eines Stiefkindes, und plötzlich gelang russischen Wissenschaftlern ein solcher Durchbruch. Wie ist das möglich, fragen sich viele.

Wird das jetzige Tempo der Vakzinierung beibehalten, wird sich die Impfung in Moskau über Jahre hinziehen. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass sich die nächste Welle des Coronavirus die Zahl der Bereitwilligen erhöht. Eine ziemlich traurige Hoffnung also.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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