„Eine politische Aussage“: Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland ist geschlossenPeer Teschendorf

„Eine politische Aussage“: Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland ist geschlossen

Das Justizministerium Russlands hat am 8. April 2022 eine Reihe von internationalen Organisationen einschließlich aller parteinahen deutschen Stiftungen aus dem Register der ausländischen Nichtregierungsorganisationen gestrichen, darunter auch die die der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Peer Teschendorf leitete seit 2018 die Büros der FES in Russland.

Herr Teschendorf, die FES deklariert „Partnerin der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik“ zu sein. Sie fördern soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden und Sicherheit. Wie genau muss man sich das vorstellen?

Das hängt immer von dem jeweiligen Land ab, von den Möglichkeiten. Wir schauen, was überhaupt gefragt ist. Was konkret Russland betrifft, so stand soziale Gerechtigkeit im Fokus unserer Arbeit. Angefangen von praktischen Dimensionen wie Gewerkschaftsarbeit, Stärkung der Gewerkschaften bis hin zu politischen Diskussionen, Bekanntgeben von Konzepten wie Gerechtigkeit herzustellen ist usw. Auch deutsch-russische Netzwerke-Entwicklung und Förderung des deutsch-russischen Dialogs gehörten zu unserer Tätigkeit. Das verlief zwar nicht immer konfliktfrei, besser gesagt, selten konfliktfrei, aber lösungsorientiert. Wir haben uns dabei bemüht, mit allen Seiten im Kontakt zu sein. Und auch zu beweisen, dass es möglich ist, verschiedene Parteien zusammenzubringen. Wir waren im Dialog sowohl mit der Zivilgesellschaft als auch mit der Staatsduma und verschiedenen Ministerien. Bis zum 24. Februar dieses Jahres.

Die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung begann 1989, also noch in der Sowjetunion und vor dem Fall der Mauer. Michail Gorbatschow hat die Stiftung eingeladen, ein Büro in Moskau zu eröffnen. Warum?

Da muss ich zwar etwas spekulieren, aber ich glaube, es lag daran, dass unsere Stiftung aus der sozial-demokratischen Tradition kommt. Ich glaube, Gorbatschow sah da die Möglichkeit, Impulse und Anregungen für die Reformprozesse zu bekommen.

Und heute, wenn man auf die Seite von der FES geht, und auf „Moskauer Büro“ klickt, kommt gar nichts.

Ja, wir haben die Seite erstmal vom Netz genommen. Vor allem auch um unsere russischen Mitarbeiter nicht zu gefährden, damit russische Behörden nicht sagen können, dass wir trotzt Verbot weitermachen. Wir mussten auch alle Projekte einstellen.

Das Moskauer Büro von der FES ist nun geschlossen. Dabei hatte die russische Führung eigentlich immer ein ziemlich gutes Verhältnis zur SPD. Ich denke nur an Gerhard Schröder.

Alle politischen Stiftungen wurden zeitgleich aus dem Land geworfen, es war völlig unerheblich, ob man sehr kritisch oder dicht an der russischen Politik war. Das war absolut egal. Das war eine politische Entscheidung, die signalisieren sollten: wir wollen mit euch nichts mehr zu tun haben.

Was passiert mit ihren russischen Mitarbeitern? Laufen sie Gefahr, für ausländische Agenten erklärt zu werden?

Wir existieren als juristische Person in Russland nicht mehr. Also mussten wir Arbeitsverträge auflösen, der russische Staat ließ uns keine andere Möglichkeit. Das heißt alle 16 Kollegen mussten weg, obwohl wir mit vielen von ihnen im Kontakt bleiben. Eine Kollegin hat 30 Jahre für die Stiftung gearbeitet, jetzt ist es für sie fast unmöglich, einen neuen Job zu finden. Und natürlich besteht die Gefahr, dass sie zur ausländischen Agentin deklariert wird, das ist nicht ausgeschlossen. Ihr Leben ist in Russland massiv erschwert. Zumal wir das Interesse des ganz rechten Spektrums auf uns gelenkt haben. Wir wissen, dass einige Kollegen das Land bereits verlassen haben.

Der ehemalige Leiter der Böll-Stiftung Jens Siegert ist schon „einbestellt worden“.  Sind Sie jetzt Persona non grata in Russland?

Ich persönlich habe noch mein Visum und darf nach Russland reisen. Das muss ich auch, denn die ganze Abwicklung der Auflösung einer großen Stiftung ist sehr zeitaufwendig und schwierig. Der Stiftung gehört ein schönes Gebäude mitten im Moskauer Stadtzentrum und bis jetzt sind wir nicht enteignet worden. Wie gesagt, es ging auch nicht um konkrete Personen, sondern es war eine politische Aussage, wahrscheinlich Richtung Deutschland im Zuge der Ausweisung russischer Diplomaten.

Welche Gefühle habe Sie, wenn Sie in Moskau sind?

Das ist sehr irritierend zu sehen, dass der Alltag der Moskauer ganz normal läuft, obwohl man da auch schon Unterschiede feststellen kann. Und natürlich ist es sehr frustrierend das abzubauen, was man jahrelang aufgebaut hat. Aber ich glaube nicht, dass die gesamte Tätigkeit der Stiftung sinnlos war. Wir haben Netzwerke aufgebaut, und diese Verbindungen, diese Kontakte sind noch da, und die sind sehr wichtig. Eines Tages wird die Kluft zwischen der Zivilgesellschaft und der Politik in Russland überwunden sein. Obwohl Russland sich jetzt bemüht, sich weiter abzuschotten, lassen sich die Russen ungern etwas verbieten. Deswegen ist die Nutzung von VPNs nicht verboten, die Leute suchen sich Nischen. Der russische Staat kann nicht alle überwachen. Meine Hoffnung ist, dass wir eines Tages wieder in unser Büro einziehen werden.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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