Eine Chronik des Jukos Konfliktes

Eine Zusammenfassung des Jukos-Konfliktes über den Zeitraum 19.2.2003 bis zum 20.11.2003.
Zusammengestellt von Hans-Henning Schröder

19.2.2003 Bei einem Treffen mit Putin kritisiert Chodorkowskij die mangelnde Transparenz einiger Privatisierungsauktionen. Darauf kritisiert Putin die mangelnde Transparenz einiger Geschäfte von „Jukos“.

22.4.2003 Die Mineralölunternehmen „Jukos“ und „Sibneft“ kündigen an, dass sie fusionieren werden. An der Spitze des neuen Konzerns wird der Vorstandsvorsitzende von „Jukos“ Michail Chodorkowskij stehen. Der Präsident von „Sibneft“, Jewgenij Schwidler, soll Vorsitzender des Direktorenrates werden. Die Vereinigung soll bis Jahresende abgeschlossen sein.

Mai 2003 Veröffentlichung des Berichts eines „Rats für nationale Strategie“ (SNS) über die Verschwörung der „Oligarchen“ zur Machtergreifung in Russland.

19.6.2003 Verhaftung des Sicherheitschefs von „Jukos“, Alexej Pitschugin. Ihm wird Anstiftung zum Doppelmord vorgeworfen.

2.7.2003 Platon Lebedjew, Millionär und Miteigentümer des Mineralölunternehmens „Jukos“, wird festgenommen und verhört. Ihm wird vorgeworfen, bei der Privatisierung des Chemieunternehmens „Apapit“ den Staat um 283 Mio. Rubel (heute ca. 8–9 Mio Euro) betrogen zu haben.

4.7.2003 Michail Chodorkowskij und Leonid Newslin werden von der Generalstaatsanwaltschaft einvernommen. In den Büros von „Jukos“ und „Apatit“ werden Unterlagen beschlagnahmt.

9.7.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft teilt mit, dass gegen das Mineralölunternehmen „Jukos“ ein Untersuchungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden ist.

9.7.2003 Durchsuchung der Bank „MENATEP-Sankt Petersburg“, die eng mit „Jukos“ verbunden ist.

11–12.7.2003 Die Räume der Aktiengesellschaft „Apatit“ werden durchsucht.

11.7.2003 Durchsuchung von „MENATEP“, das „Jukos Universal Ltd“ kontrolliert.

16.7.2003 Präsident Putin verweigert dem Vorsitzenden des Unternehmerverbandes ein Gespräch über „Jukos“.

16.7.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft fordert das Steuerministerium auf, Aktivitäten von „Jukos“ zu untersuchen.

6.8.2003 Durchsuchung von „Sibintek“, einem Unternehmen, das „Jukos“ nahesteht.

14.8.2003 Das Antimonopol-Ministerium gestattet den Zusammenschluss der Mineralölunternehmen „Jukos“ und „Sibneft“ unter Auflagen. Die Firmen haben bis Ende des Jahres Zeit, den Zusammenschluss zu vollziehen.

3.9.2003 Gleb Pawlowskij, ein Politikberater, der Alexander Woloschin nahesteht, veröffentlicht „dienstliche Aufzeichnungen“, in denen er behauptet, dass eine Gruppe um Sergej Pugatschow, dem früheren Chef der Meshprombank, hinter dem Vorgehen gegen die Mineralölfirma „Jukos“ stehe. Der Gruppierung sollen auch führende Mitglieder der Präsidialverwaltung angehören.

4.9.2003 „Jukos“ kauft die liberale Wochenzeitung „Moskowskie nowosti“. Neuer Chefredakteur wird Jewgenij Kiseljow, früher Mitbesitzer und leitender Redakteur von NTV, dem privaten Fernsehsender des Medienunternehmers Gusinskijs, der im Jahr 2000 vor Verfolgungen der Staatsanwaltschaft ins Ausland ausgewichen ist.

4.9.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft eröffnet ein Verfahren gegen „Jukos-Moskau“.

3.10.2003 Durchsuchung des Geschäftsklubs von „Jukos“ sowie des von „Jukos“ geförderten Internats in Koralow.

5.10.2003 Durchsuchung des Büros von Anton Drel, der Platon Lebedjew als Verteidiger vertritt.

6.10.2003 Chodorkowskij erklärt, er werde nicht ins Ausland gehen.

16.10.2003 Anton Drel wird von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

17.10.2003 Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Untersuchungsverfahren gegen Wassilij Schachnowskij, den Vorsitzenden von „Jukos-Moskau“. Schachnowskij besitzt 7% der „Jukos“-Aktien.

21.10.2003 Die Staatsanwaltschaft duchsucht den Petersburger Hauptsitz der Bank „MENATEP-Sankt Petersburg“ unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung.

21.10.2003 Die Firma „Sibneft“, die mit „Jukos“ fusionieren will, wird überraschend einer Steuerrevision unterzogen.

21.10.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft ersucht das Ministerium für Bodenschätze zu prüfen, ob „Jukos“ die bei der Lizenzvergabe für die Ölbohrstellen gemachten Auflagen erfüllt hat.

22.10.2003 Der „Russische Industriellen- und Unternehmerverband“ (RSPP), die „Vereinigung unternehmerischer Organisationen Russlands“ (OPORA) und die gesellschaftliche Organisation „Delovaja Rossija“(„Business- Russland“) richten einen Brief an den Präsidenten, der das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Sicherheitsorgane gegen Unternehmer kritisiert.

23.10.2003 Die Staatsanwaltschaft durchsucht im Rahmen des Steuerhinterziehungsverfahren gegen „Jukos“ die Räume der „Agentur für strategische Kommunikation“ und stellt Festplatten, zahlreiche Unterlagen sowie 700.000 US$ in bar sicher. Bei der Haussuchung werden auch wichtige Dokumente von „Jabloko“ beschlagnahmt und zwei Abgeordnete der Partei acht Stunden festgehalten. Die Agentur berät „Jabloko“ im Wahlkampf.

25.10.2003 Michail Chodorkowskij wird auf dem Flughafen von Novosibirsk unter dem Vorwurf des Steuerbetrugs von der Polizei festgenommen und nach Moskau verbracht.

27.10.2003 „Exxon-Mobile“ und „Chevron“ unterbrechen die Gespräche über eine Beteiligung bei „Jukos“. Seit der ersten Jahreshälfte war über eine ausländische Beteiligung bei „Jukos“ spekuliert worden. Im Sommer hatten sich Gerüchte verdichtet, dass „Jukos“ 25% seiner Aktien an die US-Unternehmen verkaufen werde.

27.10.2003 Präsident Putin erklärt bei einer Kabinettssitzung, dass er sich nicht mit Vertretern des „Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes“ (RSPP) treffen wird, um den Fall „Jukos“ zu erörtern.

27.10.2003 Das Parlament des Autonomen Kreises der Evenken wählt Wassilij Schachnowskij zu seinem Vertreter im Föderationsrat. Schachnowskij, der Vorsitzende von „Jukos-Moskau“, ist derzeit in Haft. Da die Mitglieder des Föderationsrats Immunität genießen, müsste er aus dem Gefängnis entlassen werden. Die Staatsanwaltschaft leitet ein Untersuchungsverfahren ein, um die Rechtmäßigkeit der Wahl zu überprüfen.

28.10.2003 Russische Zeitungen berichten, dass der Generalrat der kremlnahen Partei „Einiges Russland“ den Abgeordneten Wladimir Dubow von der Liste für die Parlamentswahlen gestrichen hat. Dubow war früher Stellvertretender Vorsitzender von „Jukos-Moskau“.

30.10.2003 Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt im Zuge des Verfahrens gegen eine Reihe von „Jukos“-Managern 44% der „Jukos“-Aktien.

30.10.2003 Alexander Woloschin, Leiter der Präsidialadministration, tritt zurück. Putin ernennt Dmitrij Medwedjew, bisher Erster Stellvertreter Woloschins, zu dessen Nachfolger.

2.11.2003 In einem Interview für den Fernsehsender „Rossija“ ermahnt der neue Leiter der Präsidialverwaltung, Dmitrij Medwedjew, die Verwaltungs- und Rechtsorgane, die ökonomischen Folgen ihrer Handlungen zu bedenken. Er bezeichnet es u.a. als einen Fehler, dass die Justiz die „Jukos“-Aktien beschlagnahmt hat.

3.11.2003 Michail Chodorkowskij, der Vorstandsvorsitzende von „Jukos“, der sich derzeit in Untersuchungshaft befindet, gibt bekannt, dass er seine Position bei „Jukos“ aufgibt und das Unternehmen verlässt.

3.11.2003 Leonid Newslin, Anteilseigner von „Jukos“ und bis vor kurzem der zweite Mann in der Leitung dieses Unternehmens, erhält einen israelischen Pass unter Beibehaltung seiner russischen Staatsbürgerschaft. Newslin hält sich gegenwärtig in Israel auf.

4.11.2003 Der Direktorenrat von „Jukos-Moskau“, der die Aktivitäten der „Jukos“-Gruppe koordiniert, wählt eine neue Unternehmensführung und bestimmt Semen Kukes, den früheren Leiter des Mineralölunternehmens TNK, zum Vorsitzenden.

Jukos Special
Die Jukos Affäre – Nachrichten, Hintergründe, Analysen im russland.RU Special

5.11.2003 Witalij Artjuchow, der Minister für Bodenschätze, erklärt in der „Rossijskaja gazeta“, dass „Jukos“ die Förderlizenzen entzogen werden könnten: „Der Sinn dieser Aktion liegt auf der Hand: ein Unternehmen, dessen Kontrollaktienpaket beschlagnahmt wurde, ist kaum ein geeigneter Partner für die Zusammenarbeit mit Behörden, die für die Lizenzen zuständig sind“.

6.11.2003 Ein Gericht der Region Krasnojarsk erklärt die Wahl des ehemaligen Chefs des Unternehmens „Jukos-Moskau“, Wassilij Schachnowskij, zum Senator des Autonomen Bezirks der Ewenken für ungültig.

11.11.2003 Das Moskauer Stadtgericht weist im Falle Chodorkowskij den Antrag auf Haftentlassung ab.

14.11.2003 Putin besucht den 13. Kongress des russischen Unternehmerverbandes RSPP. Er versichert, „Macht und Business“ würden den Dialog vertiefen und weiter eng zusammenarbeiten.

17.11.2003 Leonid Nevzlin, ein Jukos-Eigentümer, erklärt seinen Rücktritt als Rektor der Staatlichen Russischen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU). Nach seinen Angaben hätte der Kreml mit einer Reorganisation der Universität gedroht.

19.11.2003 Nach Zeitungsberichten ist der Gouverneur des Autonomen Bezirks der Ewenken, Boris Zolotarev, bereits seit 12 Tagen verschwunden. Zolotarev, ein ehemaliger Jukos-Manager, sollte von der Staatsanwaltschaft befragt werden.

20.11.2003 Der Justizminister, Jurij Tschajka, beschuldigt den ehemaligen Jukos-Chef Chodorkowskij, seinen Anwälten Anweisung gegeben zu haben, potentielle Zeugen unter Druck zu setzen. Der Anwältin, die die Anweisungen entgegengenommen haben soll, droht der Minister mit Entzug der Anwaltslizenz.

Zusammenstellung: Hans-Henning Schröder© 2003 by Forschungsstelle Osteuropa, Bremen
Mit freundlicher Genehmigung des Publikationsreferates der Forschungsstelle Osteuropa
Internet-Adresse:
http://www.forschungsstelle.uni-bremen.de

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